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Bei welchen Lebensmitteln sich der Griff zur Eigenmarke lohnt

Um Geld zu sparen, kaufen viele Deutsche im Supermarkt nun billigere Handelsmarken statt teurer Markenprodukte. Aber stimmt auch die Qualität?

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In Zeiten des knappen Geldes versuchen immer mehr Verbraucher, auch im Supermarkt zu sparen.
In Zeiten des knappen Geldes versuchen immer mehr Verbraucher, auch im Supermarkt zu sparen. ©  dpa/Sven Hoppe

Von Heike Jahberg

Jeder Einkauf ist eine Entscheidung: Soll man den Rotkohl von Iglo kaufen oder 90 Cent sparen und die Eigenmarke von Edeka in den Einkaufswagen legen? Die Moser Roth-Schokolade von Aldi kostet nur ein Drittel der Edlen-Bitter-Schokolade von Hachez, aber schmeckt sie genauso gut? Und muss es Nutella sein oder darf stattdessen die „Ja“- Nuss-Nougat-Creme von Rewe mit?

In Zeiten des knappen Geldes haben sich immer mehr Verbraucher fürs Sparen entschieden. Das ist kein Wunder. Im vergangenen Jahr haben sich die Preise für Nahrungsmittel um 13,4 Prozent erhöht und sind damit noch stärker gestiegen als die allgemeine Inflation. Viele Bundesbürger haben daraus Konsequenzen gezogen. Sie sind häufiger zum Discounter statt in den Supermarkt gegangen. Und sie haben anders eingekauft: Markenware bleibt liegen, stattdessen wird den billigeren Eigenmarken des Handels, auch Handelsmarken genannt, der Vorzug gegeben. Ein Phänomen, das Discounter wie Supermarktketten gleichermaßen beobachten.

Doch: Kauft der, der billig einkauft, auch gut? Eine neue Untersuchung der Stiftung Warentest stärkt den Sparfüchsen nun den Rücken. „Der Griff zur Handelsmarke kann helfen, Geld zu sparen - und zwar oft ohne Qualitätseinbußen“, schreiben die Verbraucherschützer im aktuellen Test-Heft. Die Tester haben sich dazu noch einmal 58 Tests von Lebensmitteln angeschaut, die sie von Juli 2018 bis November 2022 durchgeführt hatten. 1.414 Produkte sind untersucht worden, Handelsmarken genauso wie klassische Markenartikel, die sogenannten Herstellermarken.

Gute Qualität auch für weniger Geld?

Das Ergebnis, zu dem die Verbraucherschützer kommen, ist ein Plädoyer fürs Sparen: Unterm Strich tun sich Handels- und die Herstellermarken der bekannten Lebensmittelproduzenten nämlich nichts. Die Markenartikel schneiden mit einer Durchschnittsnote von 2,8 sogar etwa schlechter ab als die Eigenmarken mit 2,7. Beides entspricht in Schulnoten ausgedrückt einer „Drei plus“. Bei Bio ist die Durchschnittsnote gleich, beim Geschmack und bei der Keimbelastung hat die Marke kleine Vorteile, dafür liegen die No-Name-Marken bei der Schadstoffbelastung und der Deklaration vorne.

Große Unterschiede gibt es allerdings beim Preis. Die Tester kauften aus 25 Tests der vergangenen drei Jahre jeweils das beste, noch erhältliche Marken- und das entsprechende Eigenmarktprodukt nach. Fazit: „Unser Einkaufskorb mit den besten Handelsmarken ist um 34 Prozent günstiger als der mit den besten Markenprodukten“, heißt es in der aktuellen Auswertung. Statt 115,08 Euro für die Markenartikel kostete der No-Name-Einkauf gerade einmal 75,60 Euro. Bei manchen Schnäppchen kann man sogar die Hälfte sparen: Das gilt etwa für Chips, Baby-Pre-Nahrung, Mineralwasser, Bitterschokolade, Kinderdesserts, Tortelloni, Veggie-Aufstriche, Apfelmus und Balsamico.

Beispiele gefällig? Wichtig: Alle Produkte haben das Qualitätsurteil „gut“.

  • Chips: 3,98 Euro kosten 200 Gramm „Krosse Kerle“, 0,99 Euro die Chips von Aldi Sun
  • Mineralwasser: Das Markenwasser Aquintus“ kostet pro Liter 69 Cent, das Lidl-Wasser „Saskia“ 17 Cent
  • Kinderdessert: 300 Gramm der Fruchtzwerge von Danone kosten 1,99 Euro, die Aldi Süd Fruchtjuniors 74 Cents.
  • Streichfett: Für die Streichzarte von Weihenstephaner (250 Gramm) werden 3,39 Euro, für „Ja-Streichgut“ von Rewe nur 2,09 Euro berechnet.
  • Rotkohl: Iglo (450 Gramm) 1,89 Euro. Edeka-Eigenmarke 0,99 Euro.
  • Kaffee: Jacobs Barista pro Kilo 15,99 Euro, Netto Caffé Crema Barista 9,99 Euro.
  • Babymilch: Löwenzahn Organics Bio Pre Anfangsmilch pro 500 Gramm 13,45 Euro, dm Bio Anfangsmilch 4,96 Euro.

Ist Aldi besser als Lidl?

Eigenmarken führen Discounter wie Aldi, Penny oder Lidl genauso wie Edeka, Rewe oder Kaufland. Allerdings spielen die Handelsmarken für die Discounter eine größere Rolle. „Unser Sortiment ist und bleibt von rund 90 Prozent unserer Eigenmarken bestimmt“, sagt ein Sprecher von Aldi Nord. Bei Edeka oder Rewe sind es deutlich weniger. Gibt es Qualitätsunterschiede zwischen den Eigenmarken der Händler? „Im Großen und Ganzen nicht“, sagt die Stiftung Warentest. Die Durchschnittsnoten für die Hausprodukte liegen zwischen 2,4 (Lidl) und 2,7 (Edeka und Rewe). Aldi ist mit 2,6 dazwischen.

Im vergangenen Jahr haben die Handelsmarken Marktanteile gewonnen. Nach Zahlen der Konsumforscher der GfK ist ihr Marktanteil von 40,6 auf 43,2 Prozent gestiegen. Nicht nur das billige Preiseinstiegssegment, auch die Premium-Hausmarken haben zugelegt. Nach Schätzung von Marktforschern haben Markenartikel im vergangenen Jahr rund drei Milliarden Euro Umsatz verloren.

Steigende Rohstoff- und Energiekosten gehen aber auch an den Eigenmarken nicht spurlos vorbei. Im Gegenteil: Deren Preise sind stärker gestiegen als die der klassischen Markenartikel. Bei Deutschlands größter Supermarktkette Edeka hatten sich Markenartikel im vergangenen August um 12,8 Prozent, „Gut und günstig“-Waren aber um über 24 Prozent verteuert. Das liegt allerdings nicht zuletzt daran, dass die Ausgangspreise der No-Name-Waren deutlich niedriger sind. Preiserhöhungen wirken sich prozentual gesehen stärker aus.

„Prozentual steigen die Preise stärker, aber das ist nur die halbe Wahrheit“, hatte Rewe-Chef Lionel Souque kürzlich im Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" gesagt. Wenn sich der Discount-Preis für 1,5 Liter Mineralwasser von 19 Cent auf 25 Cent erhöhe, sei das ein Plus von 30 Prozent. Wenn Markenwasser statt einem Euro 1,10 Euro koste, sei das zwar nur ein Anstieg um zehn Prozent, in Euro und Cent gerechnet ist die Belastung aber größer.

Für die Händler werden Eigenmarken immer wichtiger. Waren die Hausmarken anfangs billige Kopien der klassischen Marken, haben alle Unternehmen inzwischen eine Eigenmarkenstrategie. „Eigenmarken werden bei Rewe und Penny geführt wie Markenartikel“, sagt ein Rewe-Sprecher. Die Konkurrenz handhabt das auch so.

Denn die Hausmarken haben für die Händler im Vergleich zur klassischen Marke viele Vorteile. Die Kosten sind niedriger, die Handelsspanne ist entsprechend größer, und die Händler haben deutlich mehr Einfluss auf das Produkt. Sie bestimmen die Rezepturen. „Wir können sehr schnell auf Trends reagieren“, heißt es bei Rewe. Weniger Zucker, Fett oder Salz? Bei Eigenmarken kann man das fix umsetzen. Auch der Nutriscore, der angibt, wie gesund ein Lebensmittel ist, lässt sich auf Eigenmarken schneller drucken. Große Markenhersteller beliefern nicht nur viele Händler, sondern produzieren ihre Waren auch für internationale Kunden.

Setzt auf Eigenmarken: Aldi führt nur wenige Markenartikel.
Setzt auf Eigenmarken: Aldi führt nur wenige Markenartikel. © dpa/Rolf Vennenbernd

„Unser Anspruch bei Aldi Nord ist, dass unsere Eigenmarken mindestens auf dem Niveau der Herstellermarken sind oder selbst eine Benchmark darstellen“, betont ein Sprecher des Discounters. Aldi, Rewe und andere unterziehen ihre Eigenmarken regelmäßig internen und externen Qualitätskontrollen. Auch bei Bio oder Tierwohl mache man keine Kompromisse, heißt es bei Aldi Nord. Gesetzliche Standards gelten ohnedies für alle Produkte.

„Mit vielen unserer Lieferanten arbeiten wir seit Jahrzehnten zusammen, einige arbeiten exklusiv für uns“, heißt es bei Aldi. Bei der Konkurrenz ist es genauso. Es gibt Lieferanten, die nur für einen der großen Lebensmittelhändler produzieren, aber auch klassische Markenartikelhersteller sind bei den Händlern unter Vertrag und stellen unter anderem Namen Waren für die Eigenmarkenlinien des Handels her.

Welcher Markenhersteller steckt hinter der Eigenmarke?

Seit Jahren stellen „Markendetektiv“ Stefan Duphorn und sein Team im Internet Listen zusammen, auf denen man nachschauen kann, welcher Markenhersteller die No-Name-Waren für Aldi, Rewe, Edeka, Lidl oder Kaufland produziert. Der Keksproduzent Bahlen liefert etwa die Butterkekse für Aldi Nord und Süd, das Molkereiunternehmen Bauer stellt nicht nur seinen gleichnamigen Markenjogurt her, sondern beliefert unter anderem Namen auch praktisch alle Lebensmittelhändler. Der laktosefreie Edeka Erdbeerjogurt oder der fettarme K-Classic-Jogurt von Kaufland stammen genauso von Bauer wie der fettarme „Ja“-Jogurt von Rewe. Bei tierischen Produkten kann man das anhand der sogenannten Veterinärnummer auf der Verpackung erkennen. Diese sind nämlich bestimmten Herstellern zugeordnet.

Doch auch wenn Markenartikler Handelsmarken herstellen, heißt das nicht, dass Marke und No-Name-Artikel identisch sind. Denn die Markenhersteller arbeiten nicht mit ihren eigenen Rezepturen, sondern mit den Vorgaben der Händler.

Markenartikelhersteller ziehen sich zurück

Doch immer mehr Markenartikler ziehen sich aus der Produktion im Fremdauftrag zurück oder schränken sie ein. Das gilt etwa für den Tiefkühlkosthersteller Frosta, der mit seiner Marke Copack unter anderem die „Ja“-Fischstäbchen von Rewe oder den Alaska Seelachs in Senfsoße für Lidl liefert. Angesichts der steigenden Kosten mache es keinen Sinn, mit Verlusten zu produzieren, sagte Frosta-Chef Felix Ahlers kürzlich dem „Handelsblatt“.

Der Bonbonhersteller Bodeta, der in Sachsen-Anhalt seine grün verpackten Eukalyptus-Menthol-Bonbons hergestellt hatte, musste Ende September Insolvenz in Eigenverantwortung anmelden. Die Wasch- und Reinigungsmittelproduzenten Thurn und Sopronem, die für Aldi und Lidl gearbeitet hatten, gingen insolvent und stellten den Betrieb ein. Stattdessen steigen Händler jetzt selbst in die Produktion ein, so wie die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland). Das Handelsunternehmen hat die Erfurter Teigwaren übernommen, Deutschlands größten Nudelhersteller.

Die pauschale Behauptung, dass Handelsmarken genauso gut sind wie Markenartikel nur billiger, teilt man bei der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) nicht. „Herstellermarken, die im Gegensatz zu Handelsmarken in der gesamten Fläche abgesetzt werden, müssen die Einhaltung von produktspezifischen Qualitätskriterien gewährleisten, um sich zu differenzieren und eine adäquate Werthaltigkeit und Markenloyalität sicherzustellen“, sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer des Verbands, Peter Feller, dem Tagesspiegel. „Auf dieser Grundlage kann eine dauerhafte und erfolgreiche Vermarktung erreicht werden.“

Händler können auf Markenprodukte nicht verzichten

Auch wenn die Eigenmarken immer wichtiger werden, können Händler auf Markenprodukte nicht verzichten. Das gilt vor allem für die ganz großen Namen wie Coca-Cola, Haribo oder Pringles-Chips. Händler, die diese Produkte nicht führen, laufen Gefahr, dass Kunden woanders einkaufen. Auch Sonderangebote funktionieren nur mit starken Marken.

Hinzu kommt, dass Markenhersteller unter einem starken Druck stehen, Innovationen zu bieten. Mit ihren größeren Werbebudgets können sie das Marketing intensiver betreiben als der Einzelhandel. Selbst der Discounter Aldi, der mit Eigenmarken groß geworden ist, sagt, man könne auf einige Markenprodukte nicht verzichten. „Bestimmte Marken sind beim Verbraucher so gesetzt, dass wir diese auch anbieten“, räumt ein Sprecher ein.