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Mein Lastenrad ist mein Homeoffice

Gunnar Fehlau ist für fast jede verrückte Idee rund ums Radfahren zu haben. Sein neuester Streich führt ihn quer durchs Land - auch zu einer Messe in Dresden.

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Nur die Harten komm'n in' Garten: Der kurzärmelige Gunnar Fehlau mit seinem Lasten-E-Bike auf dem Weg in den Frühling.
Nur die Harten komm'n in' Garten: Der kurzärmelige Gunnar Fehlau mit seinem Lasten-E-Bike auf dem Weg in den Frühling. © Evelyn Fehlau/pd-f.de

Stellen Sie sich das mal vor: Sie schnappen sich ein Fahrrad, packen Laptop, Zelt, Klamotten ein und fahren los. Einfach quer durchs Land radeln und von unterwegs arbeiten. Digitales Nomadentum in einer extremen Variante. Klingt utopisch? Gunnar Fehlau macht genau das seit gut dreieinhalb Monaten – und hat noch viel vor sich.

Ein Jahr will der Geschäftsführer eines Informationsportals zu Fahrradthemen das durchziehen. Aber warum? Als wir ihn am späten Nachmittag anrufen, sitzt der 49-Jährige auf seinem elektrischen Lastenrad und radelt am Niederrhein entlang. 30 Kilometer sind es noch bis zum Zeltplatz, wo er heute übernachten wird. Beim Radeln ein Interview führen? Für Fehlau kein Problem.

Gepäck braucht Stauraum: Mit „einem kleinen Hausrat“ ist Fehlau im Januar aufgebrochen. Inzwischen seien es 12, 13 Kilo weniger, sagt er.
Gepäck braucht Stauraum: Mit „einem kleinen Hausrat“ ist Fehlau im Januar aufgebrochen. Inzwischen seien es 12, 13 Kilo weniger, sagt er. © Kay Tkatzik/www.pd-f.de

Herr Fehlau, warum machen Sie das?

Das ist ein Mehrklang. Während Corona hatte ich ein enormes Defizit aufgebaut, Leute zu treffen und Sachen zu sehen. Ich dachte immer wieder: Wie schön wäre es, dort vor Ort zu sein und es nicht nur am Bildschirm zu sehen? Wir haben während der Pandemie außerdem gelernt, dass hybrides, ortsunabhängiges Arbeiten viel besser funktioniert als gedacht. Da sind nun Sachen möglich für das ganze Team, die vorher nicht möglich waren. Und das soll jetzt auch dem Chef vergönnt sein. (lacht)

Dazu kam: Unsere Kinder sind zum Studium ausgezogen, und damit geht eine krasse Lebensphase zu Ende. Bevor der nächste Abschnitt beginnt, ist es ganz gut, mal in Klausur zu gehen und die Akkus aufzuladen. Eigentlich führe ich weiterhin ein vergleichsweise normales Leben. Außer, dass ich halt als radelnder Digitalnomade unterwegs bin. Meine Frau sehe ich mindestens einmal im Monat an einem Ort unterwegs.

Büro hier, Schlafzimmer dort: Jede Tasche sei wie ein Raum in einer Wohnung, beschreibt Fehlau sein Packkonzept.
Büro hier, Schlafzimmer dort: Jede Tasche sei wie ein Raum in einer Wohnung, beschreibt Fehlau sein Packkonzept. © Kay Tkatzik/www.pd-f.de

Sie wollen bis zum Ende des Jahres auf Achse sein. Gibt es eine klare Route?

Es gibt grobe Linien. Ich habe bestimmte Termine und Events, bei denen ich an einem Ort sein muss – etwa Messen in Berlin, Frankfurt am Main und Dresden. Daraus ergibt sich, wo ich lang fahre. Dazwischen gibt es immer wieder Tage, wo ich die Strecke genau kennen muss, weil ich zu einem bestimmten Zeitpunkt etwa in einem Café sitzen muss, um ein Zoom-Meeting zu machen: Im Winter kann ich mich dafür schlecht in eine Einbuchtung am Straßenrand stellen. Bei warmen Wetter würde das durchaus gehen, Mobilfunk-Empfang vorausgesetzt. Da ist schon Musik drin bei der Planung.

Heute stand ich vor einem Co-Working-Space, den es nicht mehr gab – im Internet hatte etwas anderes gestanden. Meine größte Erkenntnis nach den ersten Abschnitten meiner Reise ist aber: Die Menschen im Eins zu Eins sind der Hammer. Sie sind hilfsbereit, machen Türen auf und ermöglichen Dinge – etwa einen sicheren Stellplatz für das Rad. Das ist eine einzige Tour der Demut und Dankbarkeit. Und ganz praktisch muss man sagen: Es gibt eigentlich in fast jeder Stadt Wäschereien, um die Klamotten zu waschen, und Schwimmbäder, um mal zu duschen.

Mit dem Fahrrad reisen und unterwegs arbeiten – dafür nutzen Sie den Begriff Workpacking, eine Verschmelzung aus Work & Travel und Bikepacking. Für wen ist das was?

Es geht darum, Alltag und Abenteuer in Einklang zu bringen. Wer zeitlich und örtlich flexibel arbeiten kann, hat so auch Erlebnisse, ohne dafür Urlaubstage zu nehmen. Ich mache natürlich die krasse Variante, die vielleicht auch etwas spinnert ist. Aber: Man könnte das auch für vier Wochen im Sommer machen.

Und wenn man jeden Abend eine Herberge bucht, hat man auch vergleichsweise wenig Gepäck – auf Zelt, Schlafsack und dergleichen könnte man dann verzichten. Was ich sagen will: Man kann das beliebig anpassen. Und da wird es spannend.

Das Gespräch führte Tom Nebe (dpa). Die Route von Gunnar Fehlaus Ein-Jahres-Tour lässt sich hier verfolgen.

Bis 2022 hat die Bespoked-Messe immer in Großbritannien stattgefunden. Dieses Jahr wechseln die Veranstalter erstmals aufs europäische Festland - nach Dresden.
Bis 2022 hat die Bespoked-Messe immer in Großbritannien stattgefunden. Dieses Jahr wechseln die Veranstalter erstmals aufs europäische Festland - nach Dresden. © Patrick Straub/Bespoked
Aussteller können sich bereits jetzt online für die Teilnahme an der Messe anmelden. Stattfinden wird sie im Terminal des Dresdner Flughafens.
Aussteller können sich bereits jetzt online für die Teilnahme an der Messe anmelden. Stattfinden wird sie im Terminal des Dresdner Flughafens. © Patrick Straub/Bespoked

Eine ungewöhnliche Fahrradmesse kommt bald nach Dresden

  • Die Bespoked gilt als größte jährlich stattfindende Schau für individuelle, handgefertigte Fahrräder in Europa. Seit Gründung 2010 hat die Messe in Großbritannien stattgefunden und zuletzt bis zu 6.000 Besucher angezogen.
  • Dieses Jahr geht es auf Reisen: Vom 13. bis 15. Oktober findet die Bespoked-Messe erstmals auf europäischen Festland, und zwar auf dem Dresdner Flughafen, statt. Ausgestellt werden ausschließlich Fahrräder, die einen von Hand gebauten Rahmen besitzen. Details wie Öffnungszeiten und Eintrittspreise stehen noch nicht fest.
  • Die Organisatoren sehen ihre Aufgabe vorrangig darin, unabhängige Rahmenbauer zu unterstützen und der Szene eine Plattform zu verschaffen. „Es gibt Hunderte von kleinen, unabhängigen Herstellern von hochwertigen Fahrrädern in ganz Europa, die unglaubliche Arbeit leisten, die es verdienen, gesehen zu werden“, erklärt der Kreativdirektor der Messe, Petor Georgallou.
  • Ansprechpartner vor Ort ist Roman Elsner, Gründer und Geschäftsführer der Firma Qvist. Elsner engagiert sich außerdem im Verein Cycling Saxony. Unternehmen, die auf der Bespoked ausstellen wollen, können sich jetzt schon unter www.bespoked.cc/de anmelden.
  • Mitteldeutschland passt ins Anforderungsprofil der Bespoked-Macher: Hier arbeitet eine wachsende Zahl interessanter Manufakturen an individuellen Rahmen und Fahrrädern. Vergangenes Jahr haben Sour Bicycles, Qvist und Actofive Cycles aus Dresden auf der Bespoked in England ausgestellt. (are)

Im nächsten Teil der Serie lesen Sie: Populäre Irrtümer rund ums Radfahren – ein Vertreter des ADFC Sachsen und ein Verkehrsrechtsanwalt aus Chemnitz klären auf.