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Die vergessenen Reparateure aus Sachsen

Sachsen will die Bürger beim Reparieren von Elektrogeräten unterstützen. Doch nicht jeder profitiert vom neuen Reparaturbonus. Ein Besuch bei denen, die ausgelassen wurden.

Von Luisa Zenker
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Kaputt ist kaputt. Oder? Im Reparaturcafé Tharandt hilft Lothar Hessel Brigitte Meyer den Toaster zu reparieren.
Kaputt ist kaputt. Oder? Im Reparaturcafé Tharandt hilft Lothar Hessel Brigitte Meyer den Toaster zu reparieren. © Ronald Bonß

Dresden. In Einzelteilen liegt er da. Das Neonlicht zieht die Schatten des Toasters in die Länge, schafft eine Atmosphäre wie im Operationssaal. Elektriker Lothar Hessel rückt seine Brille zurecht und nimmt die olivgrüne Plastikhülle in die Hand. Leuchtet mit der Taschenlampe ins Innere. Mehrere Brotkrumen verstecken sich zwischen den Drahtgeflechten. "Der geht nicht mehr", sagt Brigitte Meyer mit Blick auf den Toaster. Die Rentnerin hätte ihn beinahe weggeschmissen, dann aber wollte sie ihm doch eine zweite Chance geben und hat den Toaster in das Tharandter Reparaturcafé gebracht.

"Das schauen wir uns mal an", brummt Lothar Hessel und hat schon einen Schraubendreher in der Hand. Einmal im Monat öffnet das Tharandter Reparaturcafé seine Werkzeugkisten, um Kaffeemaschine, Staubsauger und Co wieder fit zu machen. Es ist eines von zwei Dutzend Reparaturcafés in Sachsen. Das Prinzip: Die Gäste bringen ihre kaputten Geräte mit, die Helfer versuchen, ihnen ein zweites Leben einzuhauchen. Hilfe zur Selbsthilfe, lautet das Motto der leidenschaftlichen Bastler, die trotz der Flut an billigen Geräten auf dem Markt, das Schrauben im Keller nicht verlernt haben. So konnten die deutschlandweiten Initiativen mehr als 247.000 Geräte vor dem Schrotthaufen bewahren. Allein in Tharandt haben die Fachleute dieses Jahr 50 Elektrogeräte wieder auf Vordermann gebracht. Doch nicht nur in den kleinen Volkshäusern wird fleißig repariert, auch die sächsische Landesregierung hat den Schraubenzieher für sich entdeckt.

Reparaturbonus: Gut gemeint, schlecht umgesetzt?

Denn ab diesem Herbst wird im Freistaat der Reparaturbonus eingeführt, weil man die Kreislaufwirtschaft fördern möchte. Damit ist Sachsen neben Thüringen bundesweiter Vorreiter. Das Prinzip: Jeder Bürger, der in einem Betrieb sein Elektrogerät in Ordnung bringen lässt, kann die Quittung einreichen und 50 Prozent der Kosten zurückbekommen. Dazu gehören Bügeleisen, Toaster, Brotbackautomat, aber auch Handy, E-Book-Reader oder Stecker-Solaranlage. "Die Reparatur-Kosten müssen aber mindestens 75 Euro betragen, um den Bonus zu erhalten", kritisiert Martin Sonntag vom Reparaturcafé Freiberg. Grundsätzlich befürwortet er die Prämie, kritisiert aber die Mindesthöhe. Einen neuen Toaster kriege man deutlich günstiger.

Für einen Handydisplay lohnt sich der Bonus aber dennoch: Beantragen muss man ihn dann digital über die Sächsische Aufbaubank. Auch das sei ein Makel, so Sonntag, in dessen Reparaturcafé besonders die Generation 50plus gehe. Er glaubt, dass die Fördersumme von 2,5 Millionen Euro nicht abgeschöpft wird - wegen der digitalen Hemmschwelle.

Ins Repair-Café gehen besonders ältere Menschen

Zuspruch findet der Reparaturbonus dagegen bei den Betrieben: Insgesamt 180 sächsische Reparaturunternehmen nehmen an der Prämie teil. Die Reparaturcafés in Tharandt oder Freiberg stehen aber nicht auf der Liste. Dürfen sie nicht. Ein weiterer Kritikpunkt von Martin Sonntag, der es gutheißen würde, wenn auch ehrenamtlichen Initiativen die Reparatur abrechnen dürften. Im Umweltministerium bemühe man sich derzeit um eine Lösung. Sind die Freiwilligenhelfer doch schon seit vielen Jahren dabei, haben daran gearbeitet, dass das Basteln im Keller nicht längst in Vergessenheit geraten ist.

Auffällig ist außerdem, dass große Markennamen wie Saturn oder Medimaxx auf der Betriebsliste fehlen. Auf Anfrage von Saechsische.de äußert Saturn, dass der Antrag bearbeitet werde. Medimaxx selbst habe bisher noch nichts vom Reparaturbonus erfahren, sei aber interessiert.

Lothar Hessel kennt sich aus, der pensionierte Elektriker kennt die Tricks der Hersteller: "Manchmal soll man als Bürger gar nicht verstehen, wie das Gerät funktioniert"
Lothar Hessel kennt sich aus, der pensionierte Elektriker kennt die Tricks der Hersteller: "Manchmal soll man als Bürger gar nicht verstehen, wie das Gerät funktioniert" © ronaldbonss.com

Abgeschaut hat sich Sachsen die Förderung aus Österreich, die kurz nach Einführung wieder pausiert wurde. Der Grund: Betrugsversuche. Derzeit werde gegen 70 Betriebe und wegen einer Schadenssumme von 5,3 Millionen Euro ermittelt, heißt es aus Medienberichten. "In Sachsen wird es jedoch erforderlich sein, dass mit dem Antrag eine Authentifizierung und eine Rechnung von einem gelisteten und überprüften Unternehmen vorgewiesen wird", heißt es aus dem zuständigen Umweltministerium.

Sachsen als bundesweites Vorbild für den Reparaturbonus

Dass der Reparaturbonus auch bundesweit kommt, daran arbeitet derzeit die rohstoffpolitische Sprecherin Katrin Meyer vom Inkota-Netzwerk. Ihre Petition haben bereits 64.700 Menschen unterschrieben. Ihr Vorbild: Frankreich. Dort wird der Reparaturbonus nicht vom Staat gezahlt, sondern von den Geräteherstellern selbst.

Zurück zu Brigittes defektem Toaster. Lothar Hessel putzt ihn in allen Ritzen mit einer Zahnbürste. Dann steckt der pensionierte Elektriker das Gerät an die Steckdose und siehe da: Der Grill funktioniert wieder. Schuld allein war ein Brotkrumen, der zwischen die Magnet-Spule gerutscht war. Deshalb blieb der Schalter nicht unten. Operation Toaster abgeschlossen. So einfach kann es manchmal sein.

"Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt der Reparaturhelfer Erik Schanze resigniert. "Der Realismus hat den Idealismus ersetzt." Millionen Tonnen Elektroschrott fallen jährlich in Europa an, Rohstoffe, die genutzt werden könnten, aber lieber weggeschmissen werden, aus Faulheit, Kostengründen oder Unbrauchbarwerdungsmomenten. Letztere sind Teile, die mit Absicht Teil eingebaut werden und schnell verschleißen.

Erik Schanze schraubt trotzdem weiter, weil es Spaß macht, er Menschen kennenlernt und er anderen eine Freude machen kann. Denn nicht jeder kommt aus Umweltbewusstsein oder Geldgründen ins Repair-Café, sondern auch, weil er an dem Gerät hängt. Weil es einen Wert hat.