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Auf Rhodos werden schon wieder die Strandliegen knapp

Vor vier Wochen brannte es auf der griechischen Insel: Zehntausende Menschen wurden evakuiert und ausgeflogen. Ein Besuch zeigt: Alles läuft wieder normal – fast. Doch jetzt brennt es anderswo.

Von Bernd Klempnow
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Wieder Normalität: Am Strand in Lindos, etwa zehn Kilometer von den Brandflächen im Südosten entfernt, sonnen sich Touristen unterhalb der Akropolis von Lindos.
Wieder Normalität: Am Strand in Lindos, etwa zehn Kilometer von den Brandflächen im Südosten entfernt, sonnen sich Touristen unterhalb der Akropolis von Lindos. © dpa

Es ist ein bizarres Bild. Gerade noch fuhr der Bus durch den grünen Teil der griechischen Insel Rhodos, als plötzlich unweit des Berges Profitis Ilias merkwürdige Baumgerippe auftauchen. Schwarz und blätterlos stehen die Kiefern und Zypressen da, aber noch als solche zu erkennen. Alle niedrigwachsende Vegetation um sie herum ist verbrannt, das Gestein von Asche übersät. Eine mehrere Dutzend Meter breite Schneise solcher Baum- und Strauchgerippe weist in Richtung Südosten.

Dorthin breitete sich vor gut vier Wochen einer der spektakulärsten Wald- und Buschbrände auf Rhodos aus. Tagelang berichteten Medien von den Kämpfen der Feuerwehr und des Militärs gegen die Flammen. Zehntausende Urlauber und Einheimische waren bedroht und wurden evakuiert. Dramatische Szenen spielten sich ab, bis die quartierlos gewordenen Touristen andere Unterkünfte nutzen oder ausfliegen konnten. Teilweise übernachteten sie auf Liegen am Strand.

Angekohlt, versengt oder verbrannt – 16.000 Hektar Wald sind geschädigt.
Angekohlt, versengt oder verbrannt – 16.000 Hektar Wald sind geschädigt. © AP

Jetzt, wenige Wochen später, ist von der Angst und der Unruhe nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Politiker und Tourismus-Experten bekräftigen, dass Rhodos zur Normalität zurückgekehrt sei. Mehr noch, sie rügen die Medien. Diese hätten den Eindruck vermittelt, dass ganz Rhodos in Flammen gestanden hätte. „Dabei waren nur zehn Prozent der touristischen Infrastruktur betroffen“, sagt der zuständige Regionalgouverneur George Hatzimarkos. In den von den Bränden nicht betroffenen Gebieten habe es keine Einschränkungen gegeben, von kurzzeitigen Stromabschaltungen abgesehen.

Zehn Prozent klingt nicht viel. Freilich: 97,8 Prozent der Einwohner in der Region sind direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig. 2,5 Millionen Gäste besuchen die Insel jährlich. Nach den schlechten Nachrichten aus der südlichen Ägäis gab es zunächst viele Stornierungen. Zudem buchten die Reiseveranstalter ihre Gäste auf andere Ziele um, damit Kapazitäten frei wurden, um die Betroffenen nach Deutschland zurückzufliegen.

Aber längst landen wieder täglich Dutzende Flugzeuge voller Sonnenhungriger, speziell Deutsche und Briten, die auf Rhodos traditionell in der Überzahl sind. Von den 41 Hotels, die wegen der Feuer kurz oder tageweise geschlossen waren, sind 39 wieder geöffnet. Hunderte Anlagen und Großhotels gibt es auf der Insel.

Starke Winde trieben die Feuerwalzen 30 Kilometer weit bis ans Meer.
Starke Winde trieben die Feuerwalzen 30 Kilometer weit bis ans Meer. © AP

Um ein Bild der Normalität von Rhodos zu zeigen, laden derzeit Reiseveranstalter Journalisten ein. Zudem fliegen sie große Gruppen von Reisebüromitarbeitern ein, damit diese ihre Kunden daheim vom geregelten Leben auf der Insel ehrlichen Herzens überzeugen können.

Abseits der Baum- und Strauchgerippe herrscht Urlaubsfeeling. Die Sonne scheint ohne Unterlass, das Meer ist so blau wie der Himmel. Nach einer kurzen Gäste-Flaute füllten sich die Strände und Ferienquartiere sehr schnell wieder. Auch einen „Opfer-Tourismus“ hin zu den wenigen abgebrannten Häusern gibt es nicht. Tagsüber sind Baden und Jetski, Ausflüge mit dem Boot aufs Meer oder mit dem Bus etwa ins Schmetterlingstal gefragt. Die Liegen füllen sich schon morgens. Abends kann es ohne Reservierung in den Bars und Restaurants schwierig werden.

Nun ist die schöne Insel wie auch andere in Griechenland schon oft von Bränden getroffen worden. Derzeit brennt es wieder in anderen Teilen des Landes, Europas und der Welt teils gewaltig. Doch diesmal war es in Rhodos anders. Tagelang stieg das Thermometer vor den Bränden auf 40 Grad Celsius. Geregnet hatte es – wie eigentlich immer – zuletzt im Frühjahr. Und es herrschten starke Winde. Die trieben die Flammen – man geht derzeit von Unachtsamkeit oder Brandstiftung aus – wie eine rasende Feuerwalze durch die Wälder auf die 30 Kilometer entfernte Küste zu. Erstaunlich: Wegen dieses hohen Tempos der Flammen kohlten die Bäume zwar an, verkohlten aber nicht. Aber: Nicht einmal Straßen konnten die Feuer stoppen, oft endeten sie erst an den Stränden.

Lefteris Laoudikos half Hunderten gestrandeten Gästen – bis das Feuer sein Hotel bedrohte.
Lefteris Laoudikos half Hunderten gestrandeten Gästen – bis das Feuer sein Hotel bedrohte. © One Day Films

„Mit Wasserwänden aus Tankwagen versuchten Feuerwehr und Helfer, unser Haus zu schützen“, erzählt Lefteris Laoudikos, Direktor des familiengeführten, kleinen Hotels Ekaterini im relativ stark getroffenen Badeort Kiotari. Das gelang. Die Flammen wälzten sich links und rechts am höher als der Wald gelegenen Grundstück vorbei. Aber die enorme Hitze versengte die Pflanzen im Garten. Die Bäume wurden quasi entlaubt, die Palmen waren schwarz vor Ruß. Die Poolliegen schmolzen in der Hitze.

Ein griechisches Sprichwort sagt: „Wenn einer dich mit Steinen bewirft, baue daraus eine Brücke.“ So nahm es die Familie Laoudikos, die 1995 angefangen hatte, hier ein kleines Hotel zu errichten, wörtlich. Längst hat es 67 Apartments, Zimmer und Suiten, eine Poollandschaft und eigenen Zugang zum Strand.

In nur zwölf Tagen haben die Familie und das Hotelteam alles gereinigt, Sträucher und Bäumchen vor dem Hotel neu gepflanzt, die Ascheberge um das Areal beseitigt. Auf dem Weg zum Strand, wo einst eine schattenspendende Oase war und nun zurückgeschnittene Stämme vom ehemaligen Grün zeugen, sprießt es teilweise schon zaghaft. In vier bis fünf Jahren, so die Erfahrungen der Menschen in der Region, könnte sich die Natur erholt haben. Sogar die angekohlten Kiefern tun das.

Vom Pool einen Blick auf das, was mal ein Wald war.
Vom Pool einen Blick auf das, was mal ein Wald war. © One Day Films

Darauf setzt auch Lefteris Laoudikos und hat trotzdem 400 Neuanpflanzungen vor. Nur, wie finanziert er das? „Wir haben viele Stammgäste, die haben ein Viertel der Kosten gespendet.“ Auch der langjährige Hotel-Vertragspartner Alltours gab so viel dazu. „Größere Hotels, zumeist von Ketten, haben Versicherungen und Rücklagen. Das Ekaterini ist ein für uns wichtiges Privathotel, das unkomplizierte Hilfe brauchte“, sagt Oliver Grosse Kleimann, Direktor Hoteleinkauf von Alltours.

Die Familie Laoudikos selbst half vielen anderen Menschen in der Zeit der Brände. Denn zunächst galten ihr Ort und ihr Haus als sicher, weil sich die Flammen in eine andere Richtung bewegten. Bis zu 600 Menschen waren zeitweise auf dem Areal des Hotels, das eigentlich für 100 Gäste ausgelegt ist. Sie wurden kostenlos verpflegt und untergebracht, beziehungsweise in andere Quartiere vermittelt. Der Hoteldirektor brachte einige Familien in seiner Privatwohnung in der knapp 40 Kilometer entfernten Rhodos-Stadt unter. Doch dann drehte der Wind und trieb das Feuer auf Kiotari und das Ekaterini zu.

Gastfreundschaft ist die DNA der Griechen

Auch andere Hotels und Einwohner halfen Betroffenen. Wie heißt es? „Gastfreundschaft ist die DNA der Griechen.“ Es gab eine Welle der Hilfsbereitschaft. Taxi-, Bus- und LKW-Unternehmen fuhren einfach los, um Touristen aus den Brandgebieten zu holen. Freiwillige reisten an, um beim Löschen oder Aufräumen zu helfen. Andere brachten Essen und Decken zu den Geretteten.

Ursprünglich war von 19.000 Evakuierten die Rede. Gouverneur Hatzimarkos spricht nun von 25.000. „Es war die größte Evakuierung in der Geschichte Griechenlands“, sagt er. Aber immerhin: Es gab keine Toten und keine Verletzten bei der Aktion, die innerhalb von wenigen Stunden abgeschlossen war.

Auch Mitglieder der deutschsprachigen Gemeinde Rhodos in der Hauptstadt halfen. „Wir haben vorübergehend unseren klimatisierten Gemeindesaal für die evakuierten Touristen zur Verfügung gestellt“, sagt Maria Volanakis, 2. Vorsitzende der Gemeinde. Dort seien einige Dutzend deutsche Touristen, darunter Familien mit Kindern, unmittelbar nach der Evakuierung versorgt worden. Gemeindemitglieder hätten die Urlauber teilweise privat, teilweise in leer stehenden Ferienwohnungen untergebracht. Volanakis lebt seit mehr als 40 Jahren auf Rhodos, die gebürtige Deutsche ist mit einem Griechen verheiratet. Die Ärztin im Ruhestand sagt: „Die meisten Touristen, denen geholfen wurde, sind aufgeregt, aber dankbar und freundlich gewesen. Es gab aber auch Paare, die übellaunig und aggressiv Ersatz für den geplatzten Urlaub einforderten.“

Ersatz ist längst im Gespräch. Touristen, die wegen der Waldbrände auf Rhodos ihren Urlaub abbrechen mussten, sollen im Frühjahr oder im Herbst 2024 eine Woche gratis auf der Insel urlauben dürfen, versprach der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis. „So kann sichergestellt werden, dass die Menschen wiederkommen, um die Schönheit der Insel zu genießen. Wir haben im Mittelmeer seit Jahrtausenden Waldbrände, das ist nichts Neues. Neu ist aber die Intensität der Brände aufgrund des Klimawandels.“ Die Erderwärmung führt dazu, dass die Mittelmeerregion künftig bis zu 20 zusätzliche heiße Tage bekommt. Das wird zu noch mehr Bränden führen.

Das Heil in Löschflugzeugen gesucht

Bis vor Jahrzehnten waren diese noch kein so großes Problem. Brach irgendwo ein Feuer aus, bekämpften es Leute aus den umliegenden Dörfern. Doch die Dörfer leerten sich. Die EU förderte Großbetriebe. Immer weniger Bauern bewirtschaften also das Land, halten Schafe und Ziegen, die die leicht brennbaren Gräser abfressen. Die Forstverwaltung, die auch für die Bewirtschaftung der Wälder und für das Anlegen von Feuerschneisen zuständig war, wurde heruntergespart, wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt. Statt auf Prävention setzt die griechische Regierung auf Löschflugzeuge und -helikopter als Symbol der Stärke. Griechenland hat heute schon so viele Löschflugzeuge und -helikopter wie Frankreich – bei einer fünfmal kleineren Landesfläche.

Volle Hotels vor allem im Fünf-Sterne-Bereich

Regionalgouverneur George Hatzimarkos kündigte diese Woche ein mehrjähriges Investitionsprogramm an, um die Folgen des Klimawandels zu mildern. „Die Natur ist unsere Lebensgrundlage.“ Mehr Solaranlagen, bessere Waldpflege und vieles mehr gehören dazu. Auch sollen speziell die Schüler sensibilisiert werden, besser Müll zu trennen und diesen nicht einfach in der Natur zu entsorgen. „Ich bin mir sicher: Rhodos kehrt gestärkt zurück. In den wenigen betroffenen Gebieten werden derzeit sofortige Wiederaufbauprojekte durchgeführt, und der Fremdenverkehr hat sich rasch wieder auf den normalen Betrieb eingestellt. Wir können unseren Besuchern versichern, dass sie die außergewöhnlichen Reiseerlebnisse und die authentische Gastfreundschaft, die das schöne Rhodos bietet, absolut genießen können.“

Und das tun offenbar die Gäste nach den Pandemie-Jahren. Hoteldirektoren berichten von sehr gut oder sogar ausgebuchten Häusern. Speziell im Fünf-Sterne-Bereich rechnen die Experten mit einer Saisonauslastung von fast 100 Prozent.