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Geheimtipp Albanien - Wo Urlaub noch preiswert ist

Albanien bietet schöne alte Städte, viel Strand, großartige Berglandschaften – aber auch spannende Einblicke in eine einst totalitäre Gesellschaft.

Von Olaf Kittel
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Die Bunker sind heute ein Mahnmal an einen irrsinnigen Diktator.
Die Bunker sind heute ein Mahnmal an einen irrsinnigen Diktator. © Olaf Kittel

Ein Hochtal, eingerahmt von gewaltigen Bergzügen, und eine Altstadt mit vielstöckigen Wehrhäusern aus grauem Stein: Das ist Gjirokastra. Die Stadt im Süden von Albanien gilt als eine der am besten erhaltenen aus der Türkenzeit und gehört zum Unesco-Welterbe.

Durch das Skenduli-Haus, eines der größten und prächtigsten Wehrhäuser, führt Edlira Skenduli, die Tochter des jetzigen Besitzers und Spross der damaligen Oberschichtfamilie im Dienste des Sultans. Hoch oben im Haus sind die Wohnetagen untergebracht. Das prächtige Herrenzimmer etwa, in dem Gäste empfangen wurden und Frauen unerkannt nur hinter einer Holzverkleidung durch schmale Schlitze den Gesprächen lauschen durften. Frauen hatten ihr eigenes Wohnzimmer, Großeltern einen direkten Zugang zu den Räumen der Enkel, die Großväter einen offenen Balkon zum Rauchen.

Das Haus steht auch für die neuere albanische Geschichte. Edliras Vater Nesip Skenduli wurde 1981 von Diktator Enver Hodxa enteignet, das Haus zum Museum umgestaltet. Nach der Wende erhielt es der Vater zurück. Heute bewohnt er ein paar Räume, die Museumseinnahmen benötigt er für den Erhalt des großen Gebäudes.

Unesco-Weltkulturerbe: Die Stadt Gjirokastra mit ihren gewaltigen Wehrhäusern.
Unesco-Weltkulturerbe: Die Stadt Gjirokastra mit ihren gewaltigen Wehrhäusern. © Olaf Kittel

Großartige Städte wie Gjirokastra gibt es gleich mehrere in Albanien. Zum Beispiel Berat, ebenfalls Weltkulturerbe. Eine bewohnte große Festung gibt es hier, die in ihrer Architektur ans bulgarische Plowdiw erinnert. Die christlich-orthodoxe Altstadt breitet sich vom Flusstal bis auf einen Berg aus, eine muslimische Altstadt liegt gegenüber auf der anderen Seite. Die prächtige Moschee und die noch prächtigere Gebetshalle sind frisch saniert. In der einen war zu Hodxas Zeiten eine Tennishalle untergebracht, in der anderen ein Lebensmittelmarkt – Religion war damals verboten. In vielen anderen Kirchen wurden Kinos eingerichtet, deshalb gab es nach der Wende in Albanien kaum noch Filmtheater.

Bekannter ist bei uns die albanische Riviera, die von der modernen Großstadt Vlora bis zur griechischen Grenze reicht. Hier liegt der mit zwei Kilometern längste Sandstrand – und er ist, oh Wunder, noch unverbaut. Einige nette Badeorte wie Ksamil gegenüber der Insel Korfu gelten als Geheimtipp. In Dhermi hatte Enver Hodxa sein Ferienhaus, heute wird es vom aktuellen Ministerpräsidenten Edi Rama genutzt.

Die albanische Riviera: Zwei Kilometer Sandstrand – und noch völlig unverbaut.
Die albanische Riviera: Zwei Kilometer Sandstrand – und noch völlig unverbaut. © Olaf Kittel

Und in Porto Palermo können Besucher einer irren Geschichte nachspüren, die so wohl nur in Albanien spielen konnte: Ende der 1950er-Jahre wollte die Sowjetunion unbedingt U-Boote im Mittelmeer stationieren. Hodxa, damals noch ein Freund und Mitglied im Warschauer Pakt, erlaubte die Stationierung von zwölf U-Booten in der Bucht. Wenige Jahre später überwarf sich der Herrscher mit Moskau. Die Boote mussten zurück, doch vier davon behielt er einfach. Die neuen Freunde in China bauten für sie hier in der Bucht einen 650 Meter langen Tunnel. Die Boote sind längst verschrottet, den Tunneleingang können Besucher heute noch gut erkennen.

Auch die Hauptstadt Tirana ist einen Besuch wert. Der zentrale Platz, nach Volksheld Skanderbeg benannt, ist der für Osteuropa typische große Aufmarschplatz. Mit dem Unterschied: Im kleinen Albanien ist er noch riesiger als anderswo. Im Nationalmuseum fällt ein gewaltiges revolutionäres Wandbild ins Auge, das stark an den „Weg der roten Fahne“ am Dresdner Kulturpalast erinnert. Der Kulturpalast in Tirana, einst von Chrustschow spendiert, bietet heute 50er-Jahre-Architektur vom Feinsten. Die wertvollste Moschee des Landes, jahrzehntelang vernachlässigt, glänzt jetzt wieder. Und gerade entstehen rings um den Platz gewaltige Hochhäuser, in Tirana schwer umstritten. Keiner weiß, wer da was bezahlt und wer da jemals einziehen soll.

Unmittelbar hinter dem Platz liegen die Regierungsgebäude und mittendrin BunkArt, ein Bunkersystem des ehemaligen Innenministeriums, in dem Besucher heute nacherleben können, wie Polizei und Geheimdienst mit Oppositionellen umgingen. Ganze Familienverbände wurden jahrelang in fürchterlichen Barackensiedlungen eingesperrt, Überwachung und Zersetzung beherrschte der albanische Geheimdienst perfekt. Hier ist auch ein Friseurstuhl ausgestellt, wie er an den Grenzübergängen zu finden war. Ausländern mit langen Haaren oder Bärten wurde mal rasch ein „ordentlicher“ Schnitt verpasst.

Dunkles Geschichtskapitel: Das Bunkersystem in Tirana ist heute ein Museum.
Dunkles Geschichtskapitel: Das Bunkersystem in Tirana ist heute ein Museum. © Olaf Kittel

Direkt hinter dem Zentrum befindet sich das ausgedehnte Einkaufs- und Ausgehviertel „Blloku“. Über viele Straßenzüge hinweg gibt es im Erdgeschoss schicke Läden, Bars und Restaurants, die Höfe sind vollgeparkt mit modernen Autos, vor allem vom Typ Mercedes; sie gelten in Albanien als Ausweis dafür, dass es die Familie zu etwas gebracht hat. Alles gut, alles fein – nur darf man nicht den Blick nach oben richten. Nahezu alle Fassaden sind verwahrlost und sehen aus, als müssten die Häuser gleich einfallen. Ein Ergebnis der 1990er-Jahre-Strategie, als überall in Osteuropa die Wohnungen preiswert an die Mieter verkauft wurden. Hier blieben die „Hüllen“ der Häuser staatlich, aber der Staat hat kein Geld. Und so sieht ein begehrtes Wohnviertel mitten in Tirana aus, als müsste es großflächig abgerissen werden. Einige der bröckelnden Fassaden wurden in den letzten Jahren knallbunt überpinselt – eine Initiative von Edi Rama, als er in Tirana noch Oberbürgermeister war. Er wurde dafür international gefeiert.

Das ist aber nichts gegen das Viertel „Kombinat“ am Stadtrand, das nach einem großen Textilkombinat benannt wurde, in dem einst 10.000 Menschen Arbeit fanden. Das Unternehmen ist tot, das riesige Betriebsgelände verwahrlost, auf dem zentralen Platz vor dem Werkstor steht noch der Denkmalsockel für Stalin. Die Wohnhäuser der einstigen Textilarbeiter sehen noch schlimmer aus als im „Blloku“. Überall in den Straßen wird Obst und Gemüse verkauft, aber auch ärmlicher Krimskrams von sonst woher. Ein Bild des Elends.

Albanische Kontraste: Wohlstandssymbol vor einem heruntergekommenen Wohngebäude.
Albanische Kontraste: Wohlstandssymbol vor einem heruntergekommenen Wohngebäude. © Olaf Kittel

Besucher sollten keinesfalls einen Besuch am Ohridsee auslassen. Der liegt 700 Meter hoch in den Bergen, Albanien teilt ihn sich mit Nordmazedonien. Er ist einer der ältesten Seen der Welt, 30 Kilometer lang und sehr tief. Morgens liegt Nebel über dem Wasser, der sich erst langsam im Sonnenlicht auflöst und eine mystische Stimmung zaubert. Schon die Römer hatten hier eine wichtige Handelsstraße eingerichtet, die Gegend ist überreich mit Kirchen, Klöstern und Moscheen gesegnet.

Am albanischen Ufer, wo am Wochenende viele Ausflügler spazieren, sind sie dann wieder zu sehen, die Einmann-Bunker aus der Hodxa-Ära – als ob Titos Soldaten über den See kommen wollten. Die Bunker sind heute nicht mehr nur ein Mahnmal an einen irrsinnigen Diktator. Sie erinnern die Albaner auch daran, warum so viele Häuser im Land unverputzt sind. Hodxa hatte dazu aufgerufen, den Mörtel für den Bunkerbau zu spenden.

Für die Einreise genügt der Personalausweis.

Flüge ab Dresden über Frankfurt am Main oder München, Direktflüge im Sommer ab Berlin.

Mit dem Auto über den Balkan oder über Italien und weiter mit der Fähre. Albanien gilt als sicheres Reiseland.

Pkw-Fahrer benötigen die Internationale Versicherungskarte und den Internationalen Führerschein, an den Grenzen werden auch die Zulassungen kontrolliert. Bei Polizeikontrollen im Land werden Ausländer regelmäßig vorbeigewinkt.

Beste Reisezeit ist von Mai bis Oktober, im Sommer wird es auch hier an den Stränden voll.

Die Preise sind niedrig, für 30 bis 40 Euro bekommt man im Land ein gutes Doppelzimmer mit Frühstück. Ein Euro entspricht derzeit 117 Albanischen Lek.