Leben und Stil
Merken

Reisetipp Südtirol: Auf dem Hausberg von Bozen

Wenn es in dem Südtiroler Talkessel zu heiß wird, flüchten Einheimische und Gäste auf den Ritten. Der Berg ist aber längst mehr als nur eine beliebte Sommerfrische.

Von Steffen Klameth
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die bizarren Erdpyramiden können Besucher auf dem Ritten gleich an drei Orten aus nächster Nähe bestaunen. Die höchsten bei Lengmoos (Foto) sind am einfachsten zu erreichen, zu denen man bei Oberbozen und Unterinn ein paar Kilometer wandern muss.
Die bizarren Erdpyramiden können Besucher auf dem Ritten gleich an drei Orten aus nächster Nähe bestaunen. Die höchsten bei Lengmoos (Foto) sind am einfachsten zu erreichen, zu denen man bei Oberbozen und Unterinn ein paar Kilometer wandern muss. © Steffen Klameth

Spätsommer in Bozen, 32 Grad. Wer kann, sucht sich ein schattiges Plätzchen. Ich bin Café. In den Laubengängen. Oder im Ötzi-Museum.

Wer mehr Zeit hat, steigt in die Rittner Seilbahn. Lässt sich nach oben tragen. Sieht die Südtiroler Landeshauptstadt entschwinden. Blickt hinab auf kunstvoll angelegte Weinterrassen. Bewundern Sie die majestätischen Dolomitengipfel auf der anderen Seite des Eisacktals. Und tritt nach knapp zwölf Minuten in eine andere Welt. Die Vögel zwitschern, die Luft ist zügellos und die Temperatur – ach, so herrlich frisch. Willkommen in der Sommerfrische! Willkommen auf dem Ritten!

„Hier oben ist es immer fünf bis sieben Grad kühler als in der Stadt“, sagt Harald Fink. Der 48-Jährige ist Tourguide und führt Urlauber zu den schönsten Ecken auf dem Ritten. „Das Schöne ist, dass du hier alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kannst.“ Man kann auf dem Sigmund-Freud-Weg spazieren oder zu faszinierenden Erdpyramiden wandern, die es auf dem Ritten gleich an drei Orten gibt.

Tradition seit 400 Jahren

Heute folgen wir Harald mit dem E-Bike hinauf zum Rittner Horn. Zunächst vorbei an saftigen Wiesen, wo Lamas grasen, und dann quer durch den Wald, über Stock und Stein und immer stramm bergan. Schließlich ist das Horn erreicht, der höchste Punkt des Bozner Hausberges, über 2.000 Meter hoch. Das Panorama ist umwerfend – freier Blick in alle vier Himmelsrichtungen. Und die Luft ist noch etwas frischer.

Dass auf dem Ritten ein anderer Wind weht, wusste man schon zu schätzen, als es noch gar keine Touristen gab. Bereits vor 400 Jahren, so die Überlieferung, packten die wohlhabenden Leut’ aus Bozen ihren Hausrat in Truhen und Koffer, zogen mit Kind und Kegel den Berg hinauf und vertrieben sich die Zeit mit Spielen, Jagd und Müßiggang.

„Es macht den Sommer angenehmer, hier der Hitze zu entfliehen“, heißt sinngemäß eine lateinische Inschrift an einem Haus in Lengmoos aus dem Jahre 1785. Der Ausflug währte genau 72 Tage – vom Peter- und Paulstag am 29. Juni bis Mariä Geburt am 8. September.

Geburtsort der Sommerfrische

So entstanden auf dem Berg zunächst bescheidene Hütten und später nach und nach sehr ansehnliche Anwesen. „Ganz unerlässlich ist zum Dritten, ein Sommerfrischhaus am luftigen Ritten ...“, dichtete der Südtiroler Autor Karl Theodor Hoeniger mit einem Augenzwinkern in seinen „Acht Bozner Seligkeiten“ (zu denen seiner Ansicht nach auch ein Haus unter den Lauben, ein eigener Kirchenstuhl und die Heirat mit einer Boznerin gehören sollten). Heute ist ein Haus auf dem Ritten, wenn überhaupt käuflich, unbezahlbar. Auf einem Spaziergang auf dem Sommerfrischweg von Oberbozen nach Maria Himmelfahrt kann man einige dieser Villen zumindest von außen bewundern.

Auf dem Ritten – die Italiener nennen ihn übrigens Renon – wirbt man gern damit, der Geburtsort der Sommerfrische zu sein. Tatsächlich könnte der Begriff hier geprägt worden sein, den Brauch gab es damals aber auch schon anderswo. Im kaiserlichen Österreich war die sommerliche Flucht aufs Land unter Adel und Bürgertum weitverbreitet. Einen regelrechten Boom erlebte die Sommerfrische dann mit der Erfindung der Eisenbahn. Nur war die letzte Etappe hinauf auf den Ritten immer noch eine beschwerliche Angelegenheit.

Das änderte sich erst 1907 mit der Eröffnung einer Zahnrad- und einer Schmalspurbahn. Der Jubel über diese Errungenschaften war allerdings nicht ungeteilt. Der Arzt und Schriftsteller Hans von Hoffensthal etwa warnte seinerzeit vor einem Touristenansturm und der Zerstörung der Natur. Andere Zeitgenossen witterten dagegen ihre Chance. Zum Beispiel Hans Holzner, der 1911 das gerade erst eröffnete Parkhotel Oberbozen erwarb. Seitdem befindet es sich in Familienbesitz, es erlebte gute Zeiten und schlechte Zeiten.

An manchen Tagen geht nix mehr

Überdauert haben der Alpine Jugendstil mit jeder Menge originalen Einrichtungsgegenständen; die Gäste dürfen sich wie in einem Museum fühlen, in dem Anfassen nicht nur erlaubt, sondern unvermeidlich ist, bei den Stühlen genauso wie beim Geschirr und beim Silberbesteck.

Dabei übersieht man leicht, dass die Kronleuchter mit LED-Lampen bestückt sind. Und erfährt allenfalls zufällig, dass Haus, Pools und Saunen von einem Bio-Heizwerk geheizt werden. „Damit sind wir weniger abhängig und leisten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit“, erklärt Wolfgang Holzner, Hotelchef in vierter Generation. Gern würde er auch die Energie der Sonne einfangen, doch da steht ihm der Denkmalschutz im Wege.

Die Angst vor einem Touristenansturm, wie sie der Herr von Hoffensthal einst äußerte, war übrigens nicht ganz aus der Luft gegriffen. An manchen Tagen geht es auf der Zufahrtsstraße weder vor noch zurück, und schuld sind längst nicht mehr nur die Sommerfrischler. „Dabei ist die autofreie Anreise mit der Seilbahn bequem und mit der Rittencard sogar umsonst“, sagt Peter Righi. Der Journalist arbeitet für die Region als Nachhaltigkeitsbeauftragter – eine sperrige Bezeichnung mit klarem Auftrag: Righi soll den Ritten fit für die Zukunft machen.

Fleischverzicht kam nicht gut an

Regionale Produkte, lokale Kultur, umweltfreundlicher Verkehr werden so gefördert, dass Gäste und Einheimische gleichermaßen davon profitieren. Mit einer neuen Buslinie zur Bergbahn Rittner Horn wurde die Erweiterung eines Parkplatzes verhindert, spezielle Strecken für Mountainbiker vermeiden Konflikte mit Wanderern. Das Engagement wurde dieses Jahr mit dem Zertifikat des Global Sustainable Tourism Council (GSTC) belohnt, einer international anerkannten Organisation, die sich weltweit um einen nachhaltigen Tourismus bemüht.

Eines der größten Probleme auf dem Ritten war und ist der Wassermangel. Der Berg ist Europas größte Quarzporphyrplatte, es gibt so gut wie keine Quellen. Häufig – wie in diesem Jahr – fällt monatelang kein Tropfen vom Himmel. Und wenn es doch mal regnet, kann es der Boden nicht speichern. Deshalb investieren Hotels wie das Holzner in riesige Zisternen und bereiten das Wasser aus den Pools zur Wiederverwertung auf.

Auch beim Essen spielt Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Im Apipura-Hotel Rinner wird zum Beispiel ausschließlich mit Bio- beziehungsweise fair gehandelten Produkten gekocht. Küchenchef Manfred Rinner macht das aus Überzeugung – auch wenn es ihn, wie er zugibt, immer wieder vor neue Probleme stellt. Im Parkhotel habe man voriges Jahr sogar an jedem zweiten Tag auf Fleisch verzichtet, berichtet Hotelchef Holzner. „Aber das kam bei den Gästen nicht gut an.“

Natürlich, lecker, exklusiv: die Bio-Pioniere vom Ritten

Die Sonne macht’s möglich: Bis auf 820 Meter Seehöhe wachsen die Reben von Matthias Messner vom Rielingerhof oberhalb des Eisacktals. Alles Steillage – und alles bio. „Ich verwende nur Pflanzenschutzmittel, die in der Natur vorkommen“, sagt der Winzer und Landwirt. Auch Viehhaltung und Ackerbau hat er vor ein paar Jahren auf biodynamische Richtlinien umgestellt – aus Verantwortung für folgende Generationen. Im Buschenschank können sich die Gäste von der Qualität der Speisen und Weine überzeugen. Tipp: Probieren Sie den Blatterle, eine fast vergessene Weißweinsorte.
Die Sonne macht’s möglich: Bis auf 820 Meter Seehöhe wachsen die Reben von Matthias Messner vom Rielingerhof oberhalb des Eisacktals. Alles Steillage – und alles bio. „Ich verwende nur Pflanzenschutzmittel, die in der Natur vorkommen“, sagt der Winzer und Landwirt. Auch Viehhaltung und Ackerbau hat er vor ein paar Jahren auf biodynamische Richtlinien umgestellt – aus Verantwortung für folgende Generationen. Im Buschenschank können sich die Gäste von der Qualität der Speisen und Weine überzeugen. Tipp: Probieren Sie den Blatterle, eine fast vergessene Weißweinsorte. © Steffen Klameth
Mit Bio-Gemüse, -Säften und -Fleisch hat sich der Untermiglerhof einen Namen gemacht. „Aber man muss auch mal was Neues probieren“, sagte sich Simon Döwa und schaffte sich vor vier Jahren mit seiner Partnerin Elisabeth fünf Büffelkühe sowie einen Stier an. Die Tiere finden auf sechs Hektar Wiese ausreichend Futter und liefern feinste Büffelmilch. Der Versuch, daraus Mozzarella herzustellen, ging allerdings schief („steinhart“). Deshalb wird die Milch jetzt zweimal pro Woche von einer Bozner Käserei abgeholt und dort zu herzhaftem Büffelmozzarella verarbeitet.
Mit Bio-Gemüse, -Säften und -Fleisch hat sich der Untermiglerhof einen Namen gemacht. „Aber man muss auch mal was Neues probieren“, sagte sich Simon Döwa und schaffte sich vor vier Jahren mit seiner Partnerin Elisabeth fünf Büffelkühe sowie einen Stier an. Die Tiere finden auf sechs Hektar Wiese ausreichend Futter und liefern feinste Büffelmilch. Der Versuch, daraus Mozzarella herzustellen, ging allerdings schief („steinhart“). Deshalb wird die Milch jetzt zweimal pro Woche von einer Bozner Käserei abgeholt und dort zu herzhaftem Büffelmozzarella verarbeitet. © Steffen Klameth
Südtirol ist Apfelland. Im Gegensatz zu den anderen Apfelbauern verarbeitet die Firma von Thomas Kohl in Unterinn das Obst allerdings ausschließlich zu Saft und vermarktet diesen wie einen Prädikatswein. „Anfangs wurden wir dafür belächelt“, sagt Mitarbeiterin Sophie Pichler (Foto). Inzwischen laufe das Geschäft super, Gourmetrestaurants gehören zu den Stammkunden. Bei einer Verkostung (20 Euro p. P.) erfährt man, warum die Säfte vom Ritten besonders aromatisch sind und dass das vom Zupfen der Triebe bis zur Ernte alles Handarbeit ist.
Südtirol ist Apfelland. Im Gegensatz zu den anderen Apfelbauern verarbeitet die Firma von Thomas Kohl in Unterinn das Obst allerdings ausschließlich zu Saft und vermarktet diesen wie einen Prädikatswein. „Anfangs wurden wir dafür belächelt“, sagt Mitarbeiterin Sophie Pichler (Foto). Inzwischen laufe das Geschäft super, Gourmetrestaurants gehören zu den Stammkunden. Bei einer Verkostung (20 Euro p. P.) erfährt man, warum die Säfte vom Ritten besonders aromatisch sind und dass das vom Zupfen der Triebe bis zur Ernte alles Handarbeit ist. © Steffen Klameth
Viel Sonne, viele Blüten, viele Bienen: Auf dem Ritten gibt es mehr als hundert Imker. Aber nur einen Bio-Imker: Paul Rinner, Chef des Apipura-Hotels in Oberbozen. Die Gäste können nicht nur Honig und Met kosten, sondern auch auf einem Bienen-Lehrpfad wandeln und die Luft aus Bienenstöcken inhalieren. Bei der sogenannten Api-Wellness werde das Immunsystem der Bienen angezapft, erklärt Paul. Sein Sohn Manfred kocht unterdessen streng nach Bioland-Kriterien. Dieses Jahr wurde das Hotel als erstes in Südtirol mit dem Bio-Fair-Siegel ausgezeichnet.
Viel Sonne, viele Blüten, viele Bienen: Auf dem Ritten gibt es mehr als hundert Imker. Aber nur einen Bio-Imker: Paul Rinner, Chef des Apipura-Hotels in Oberbozen. Die Gäste können nicht nur Honig und Met kosten, sondern auch auf einem Bienen-Lehrpfad wandeln und die Luft aus Bienenstöcken inhalieren. Bei der sogenannten Api-Wellness werde das Immunsystem der Bienen angezapft, erklärt Paul. Sein Sohn Manfred kocht unterdessen streng nach Bioland-Kriterien. Dieses Jahr wurde das Hotel als erstes in Südtirol mit dem Bio-Fair-Siegel ausgezeichnet. © Steffen Klameth

Ohne Auto zum Ziel

  • Anreise: Von Dresden mit dem Auto rund 740 km; mit dem Zug bis Bozen reichlich neun Stunden, weiter mit Seilbahn und Schmalspurbahn beziehungsweise Bus. In Klobenstein gibt es einen großen kostenlosen Parkplatz mit Tiefgarage.
  • Sparen: Viele Unterkünfte bieten ihren Gästen die kostenlose Rittencard an. Damit kann man alle regionalen Busse und Bahnen in Südtirol nutzen (einschließlich der Rittner Seilbahn und Schmalspurbahn) sowie etwa 80 Museen in Südtirol.
  • Schlafen: z. B. im Parkhotel Holzner (ab 190 Euro p. P./HP); Apipura Hotel Rinner (sechs Ü/HP p. P. ab 630 Euro).
  • Pauschal: Eine kulinarische Winterreise nach Südtirol bietet SZ-Reisen vom 19.-25. Februar und vom 18.-24. März an (sechs Ü/HP ab 869 Euro p. P.).
  • Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Ritten.