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Chipkrise ist noch nicht vorbei

Lieferverzögerungen und Preiserhöhungen sind die gravierendsten Folg des Chipmangels, zeigt die aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom.

Von Nora Miethke
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Foto: dpa © Symbolfoto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Angesichts der vielen Ansiedlungspläne zum Bau neuer Chipfabriken in Deutschland - vornehmlich von TSMC und Infineon in Dresden oder Intel in Magdeburg - fragt sich mancher, wer all die Mikrochips kaufen soll. Diese Sorge ist unbegründet. Der Mangel an Halbleitern bleibt in Deutschland bestehen und nimmt so gar zu . Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 404 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus dem verarbeitenden Gewerbe und der Informations- und Kommunikationsbranche (ITK). 346 der Unternehmen verwenden Halbleiter für ihre eigenen Produkte. Die Umfrage wurde am Dienstag vorgestellt.

Obwohl in bestimmten Bereichen der Halbleiterindustrie wie etwa bei Speicherchips schon wieder ein Überangebot herrscht, hatten 9 von 10 Unternehmen (89 Prozent) in diesem Jahr Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Halbleitern - acht Prozentpunkte mehr als 2021. Insbesondere für Chips für Verschlüsselungstechnologien und Produkte mit hohen Sicherheitsstandards wie etwa Kreditkarten gibt es laut Bitkom Engpässe. Die Probleme sind vielfältig: 97 Prozent der betroffenen Unternehmen machen Lieferverzögerungen zu schaffen, die derzeit bis zu fünf Monate betragen. 93 Prozent sind mit Preiserhöhungen konfrontiert. Für 89 Prozent sind bestimmte Bauteile teilweise nicht verfügbar, bei 88 Prozent wurden die Liefermengen reduziert. I

Chipmangel ist Inflationstreiber

Zwei von drei Unternehmen (68 Prozent) rechnen damit, dass die
Lieferverzögerungen im kommenden Jahr zunehmen werden – 41 Prozent gehen sogar von einer deutlichen Verlängerung der Wartezeiten aus. „Ohne Chips geht in der deutschen Wirtschaft nichts. Halbleiter sind die Basistechnologie der digitalen Wirtschaft“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Er fordert „Deutschland und Europa müssen einseitige Abhängigkeiten bei Halbleitern beenden. “

Der Verbandschef sieht in dem Chipmangel auch einen "kleinen" Inflationstreiber. Für die Endverbraucher und -Verbraucherinnen sind die Folgen: Einerseits werden bestimmte Produkte wie etwa kleinere Elektroautos derzeit kaum angeboten, weil die Autobauer die raren Mikrochips lieber in die gewinnträchtigeren großen Modelle stecken. Andererseits geben die Firmen die höheren Beschaffungskosten für Halbleiter an die Endkunden weiter, in dem ihre Produkte selbst auch teurer werden.

Forderung nach mehr Subventionen für Chip-Industrie

Wintergerst begrüßte die mit staatlichen Subventionen geförderte Ansiedlung von Fabriken großer Chiphersteller wie Intel und TSMC in Deutschland. "Wir stehen hier in einem weltweit massiven Wettbewerb mit anderen Standorten, beispielsweise den USA und vielen Ländern Südostasiens." Der Aufbau eines gesamten Ökosystems der Chipindustrie - von der Forschung über das Chipdesign bis hin zu Produktion - werde nicht zu Nulltarif zu bekommen sein. "Dafür muss man etwas bezahlen, damit der Halbleiterstandort Deutschland wächst", sagte der Bitkom-Präsident. 96 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, Deutschland solle die Förderung der heimischen Halbleiter-Industrie ausweiten und die inländische Produktion erhöhen.

Nicht nur der Automobilbau oder Maschinenbau bräuchten Nachschub, auch die Telekommunikationsbranche oder Cloud Computing-Anbieter. "Bei der Förderung würde ich immer an der Vorfront der Technologie ansetzen, bei modernen Halbleiter-Generationen für Zukunftsprodukte", betonte Wintergerst. Im Klartext heißt das: Die Bundesregierung sollte lieber die Chipfertigung für Anwendungen des künftigen Mobilfunkstandards 6G subventionieren als die Produktion älterer Chipgenerationen für den Automobilbau.