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Verdi will bei Galeria um jeden Job kämpfen

Bei Galeria Karstadt Kaufhof droht über 40 Filialen das Aus. Der letzte große deutsche Warenhauskonzern kämpft ums Überleben – mal wieder.

Von Michael Rothe
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Eines von drei Galeria-Häusern in Sachsen steht in Chemnitz.
Eines von drei Galeria-Häusern in Sachsen steht in Chemnitz. © Georg Moeritz

Wie viele Leben hat eine Warenhauskette? Die Frage drängt sich auf, wenn man das Schicksal des letzten großen deutschen Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof verfolgt. Zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren musste der Handelsriese den Weg zum Insolvenzgericht antreten und Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen. Daran konnten auch Staatshilfen von rund 680 Millionen Euro nichts ändern. Nun sollen mindestens ein Drittel der Warenhäuser geschlossen werden, um den Rest des Konzerns überlebensfähig zu machen, wie Galeria-Chef Miguel Müllenbach ankündigte.

Die Gewerkschaft Verdi will beim neuerlichen Aderlass der Kaufhauskette auch an den drei sächsischen Standorten „um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“. Widerstand habe sich bereits 2020 ausgezahlt, als die todgeweihte Filiale in Chemnitz doch erhalten blieb, sagt Torsten Furgol, Verdi-Fachbereichsleiter für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, zu saechsische.de. „Wenn man hört, dass jetzt gut 40 der verbliebenen 131 Adressen geschlossen werden sollen, kann es durchaus Häuser in Mitteldeutschland treffen“, so der Gewerkschafter.

Der Warenhausriese mit noch 17.400 Beschäftigten in 97 Städten Deutschlands ist im Freistaat in Dresden, Leipzig und Chemnitz je einmal vertreten. Außerdem gehören in der Landeshauptstadt Sport-Scheck-Geschäfte in der Altmarkgalerie und in der Centrum-Galerie zum Konzern – in Summe keine 500 Mitarbeitenden mehr.

Betriebsbedingte Kündigungen unvermeidbar

Wie am Montag bekannt wurde, sucht Deutschlands letzter Warenhauskonzern, der seit gut einem Jahr nur noch als Galeria auftritt, zum zweiten Mal binnen zwei Jahren Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Bei der Insolvenzvariante übernimmt zwar ein gerichtlich bestellter Sachwalter die Aufsicht, jedoch behält die Geschäftsführung, beraten durch einen externen Sanierungsexperten, weiter die Kontrolle über das Unternehmen. Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung hatte es bereits vor zwei Jahren gegeben, bei dem 56 Kaufhäuser geschlossen, rund 5.000 Beschäftigte entlassen wurden sowie Lieferanten, Vermieter und andere Gläubiger auf mehr als zwei Milliarden Euro verzichtet hatten.

Schon im ersten Corona-Lockdown war der Konzern unter einen staatlichen Schutzschirm geflüchtet und hatte später zweimal Staatshilfen von insgesamt 680 Millionen Euro erhalten. „Auch die Beschäftigten haben durch Gehaltsverzicht über die Jahre Millionen in das Unternehmen gesteckt“, sagt Sachsens Verdi-Mann Furgol. „Wir erwarten jetzt ein klareres und vor allem tragbareres Konzept als zuvor.“ Außerdem appelliert er an den Tiroler Geschäftsmann René Benko, dessen österreichischer Signa Holding Galeria gehört, „endlich in die Zukunft des Konzerns zu investieren“. Der Milliardär könne nicht alle zwei Jahre nach dem Staat rufen, sagt er.

Laut Galeria-Chef Mühlenbach sind betriebsbedingte Kündigungen im Zuge des Filialabbaus unvermeidbar. Die genaue Zahl ist noch offen. Brisant: Vor der Verschmelzung von Karstadt und Galeria Kaufhof Anfang 2020 hatte Verdi mit dem Konzern einen Tarifvertrag abgeschlossen, der solche betriebsbedingten Kündigungen bis 2024 ausschloss und Standortsicherheit garantiert. Den Deal habe der Konzern am 21. Oktober gekündigt, sagt Gewerkschafter Furgol. Insolvenzrecht breche zwar Tarifvertragsrecht – aber ob auch in diesem Fall, lasse Verdi derzeit juristisch prüfen.

Galeria-Eigentümer Benko mied in der aktuellen Krise bisher das Licht der Öffentlichkeit, obwohl immer wieder die Forderung laut wurde, er solle mit eigenen Mitteln dem taumelnden Riesen unter die Arme greifen. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger kritisiert: „Unsere Kolleginnen und Kollegen fragen sich, wo der Eigentümer ist in dieser existenziell höchst bedrohlichen Situation für 17.400 Menschen und ihre Familien.“

Investor Benko im Visier der Staatsanwaltschaft

Doch hat Benko in seiner Heimat Österreich mit anderen Problemen zu kämpfen. Mitte Oktober fand eine Durchsuchung in seiner Signa-Holding statt. Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zufolge besteht der Verdacht, dass er einem Spitzenbeamten im Finanzministerium einen Posten bei Signa angeboten haben soll, um eine Steuerprüfung zu beeinflussen.

Außerdem beginnt Anfang November in Wien ein Prozess um angebliche Spenden von Immobilienunternehmern an den wohltätigen Verein eines Wiener Gemeinderates, der dafür Hilfe bei Immobilienprojekten in Aussicht gestellt haben soll. Benko und andere sind wegen Bestechung angeklagt. Für Benko gilt im Zusammenhang mit den Finanzvorwürfen und dem Spendenprozess die Unschuldsvermutung. Der Sprecher der Signa-Holding reagierte nicht auf Anfragen der Deutschen Presse-Agentur.

So bleibt es in der Krise Galeria-Chef Müllenbach überlassen, den Mitarbeitern Mut zuzusprechen. In einem Brief an sie versprach er am Montag, der Konzern werde weiter eine wesentliche Funktion für die deutschen Innenstädte wahrnehmen. „Galeria ist zukunftsfähig.“ (mit dpa)