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Bilanz zur Verkehrssicherheit: Autofahrer nehmen zu wenig Rücksicht

In Sachsen gab es 2022 weniger Verkehrstote als 2021. Kein Grund zur Entwarnung, mahnt die Dekra in ihrem aktuellen Verkehrssicherheitsreport. Vor allem ältere Menschen sind gefährdet.

Von Sylvia Miskowiec
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Häufige Unfallursachen: zu schnell, zu rücksichtslos.
Häufige Unfallursachen: zu schnell, zu rücksichtslos. © tnn

Mehr Rücksicht, höheres Verantwortungsbewusstsein, langsameres Fahren: Die Dekra Mitteldeutschland formulierte bei der Vorstellung ihres Verkehrssicherheitsreports am Donnerstag klare Forderungen angesichts der Zahl an Verkehrstoten im Jahr 2022. 118 Menschen kamen in Sachsen im vergangenen Jahr durch Unfälle ums Leben - 49 Autofahrer, 19 Fußgänger, 22 Radfahrer, sieben Lkw-Fahrer, ein Businsasse und 20 Motorradfahrer.

„Diese Zahlen sind zwar erfreulicherweise um 8,5 Prozent im Vergleich zu 2021 zurückgegangen", sagte Dekra Gebietssprecher Mario Schwarz. Allerdings könne das Zufall sein. Zumal die sächsische Polizeistatistik insgesamt drei Prozent mehr Unfälle mit mehr Menschen als im Jahr davor verzeichnet. Hauptursache war zu schnelles Fahren. Das sei auch ein Zeichen dafür, dass die Aggressivität und Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr zugenommen habe, so die Dekra.

Sachsen-Anhalt hält Rekord bei Unfalltoten

Besonders schlimm sah es den Verkehrssicherheitsexperten zufolge aber im Nachbarbundesland aus. „In Sachsen-Anhalt kamen im vergangenen Jahr 152 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Das sind 39 Prozent mehr als 2021, und immer noch fast 35 Prozent mehr als vor Corona 2019", konstatierte Mario Schwarz. Damit ist Sachsen-Anhalt mit weitem Abstand bei 70 Toten das Schlusslicht bei den Verkehrstoten pro einer Million Einwohner. Zum Vergleich: Sachsen kommt hier auf 29 tödliche Verunglückte Menschen, der Bundesdurchschnitt liegt bei 33.

Eine Zahl fällt in Sachsen-Anhalt besonders auf: Die Zahl der Verkehrstoten, die 75 Jahre und älter waren, hat sich von 13 auf 41 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Zum Einen könne das an der zunehmenden Zahl älterer Pedelec-Fahrer liegen, die die Geschwindigkeit ihres motorisierten Fahrrads nicht richtig einschätzten und vermehrt in Unfälle verwickelt seien - auch in Sachsen. „Zum anderen wissen wir, dass sich viele Ältere unsicher beim Fahren fühlen und können da auch nur wieder an mehr Rücksichtnahme appellieren", so Schwarz. Zudem biete die Dekra einen sogenannten Mobilitätscheck.

Dieser sei nicht nur für Ältere gedacht, sondern auch für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder nach Unfällen sowie für Personen, die auf bestimmte Medikamente angewiesen sind, Schwierigkeiten beim Bewegen, Hören und Sehen haben und und sich eine neutrale Bewertung ihrer Fähigkeiten im Straßenverkehr wünschten.

Die Technik übernimmt immer mehr Aufgaben

Neben dem Verkehrsgeschehen in Mitteldeutschland stand das Thema „Technik und Mensch" im Mittelpunkt. „Die Gesellschaft steht mit der zunehmenden Digitalisierung des Straßenverkehrs an der Schwelle der wohl größten Mobilitäts-Revolution seit der Erfindung des Automobils", sagte der Dekra-Sprecher. „Software und Elektronik übernehmen immer mehr Aufgaben und machen das Auto zur rollenden High-Tech-Maschine. Die Rolle des Fahrers wird sich wandeln, und mit ihr das Gesamtsystem der Mensch-Maschine-Schnittstelle im Fahrzeug."

Die Erwartungen an die technologische Entwicklung in Sachen Sicherheit seien enorm. „Grundvoraussetzung für den Einsatz von Assistenzsystemen ist, dass sie für alle Nutzer leicht verständlich sind“, erklärte Schwarz. Ihre Bedienung dürfe nicht zu neuen Risiken oder Gefahren führen, mit denen die erzielten Erfolge in der Verkehrssicherheit wieder aufs Spiel gesetzt würden. Doch welche Assistenzsysteme in einem Fahrzeug auch immer verbaut sein mögen: Stand heute bleibt nach den Worten des Dekra-Experten die Verantwortung beim Menschen. So müssten die Fahrer jederzeit die volle Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr richten und bei Bedarf eingreifen beziehungsweise die Systeme übersteuern. „Gerade sehr gut und zuverlässig funktionierende Systeme insbesondere etwa in den Bereichen Abstandsregelung und Spurhalten verleiten aber viele Verkehrsteilnehmer dazu, sich auch anderen Aufgaben als dem Fahren zuzuwenden“, gab Schwarz zu bedenken. Mehrere schwere Unfälle seien schon die Folge einer solchen Fehleinschätzung bezüglich der Systemauslegung gewesen.