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Stehplatz nach Wien: Das droht im neuen Direktzug Berlin-Dresden-Wien

Endlich gibt es wieder eine Direktverbindung von Dresden bis Wien. Das spart Zeit, aber keine Nerven. Nicht mal in der 1. Klasse.

Von Bernd Klempnow
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Täglich gibt es seit Anfang Juli wieder eine Direktverbindung von Dresden über Prag bis Wien und retour mit den blauen Zügen der Ceské dráhyi – wie diesem hier.
Täglich gibt es seit Anfang Juli wieder eine Direktverbindung von Dresden über Prag bis Wien und retour mit den blauen Zügen der Ceské dráhyi – wie diesem hier. © Marko Förster

Noch im Hauptbahnhof von Prag rastet der eigentlich bis dahin freundliche Zugbegleiter der tschechischen Bahn České dráhy aus. „Wenn Sie nicht die Plätze räumen, rufe ich die Polizei, die Sie aus dem Zug befördert“, schreit er ein deutsches Seniorenpaar und andere Fahrgäste an.

Diese sitzen ohne Sitzplatzreservierung im Zug RJ 257 nach Wien. Die Senioren schütteln den Kopf: „Sie sehen doch an unseren vier Krücken, dass wir beide schwerstbeschädigt sind. Wir hätten ja gerne Plätze reserviert, aber das war auf der Internetseite der Deutschen Bahn nicht möglich.“

Ein junges Paar aus Tschechien, das eigentlich die von den Senioren besetzten Plätze reserviert hat, zeigt Größe und überlässt sie den Alten. Andere Passagiere, die in Berlin oder Dresden eingestiegen sind und unabhängig vom Buchungstag keine Platzreservierungen vornehmen können, räumen das Feld murrend. Oder man einigt sich untereinander, steht und sitzt abwechselnd die vier Stunden bis Wien, wo der Zug leer wird.

Direktzug Dresden-Wien: "Jeden Tag das gleiche Chaos"

„Jeden Tag das gleiche Chaos“, entfährt es noch dem Mitarbeiter der tschechischen Bahn. Er trollt sich, ist von dem Augenblick an nicht mehr gesehen.

Solche Bilder gab es in Prag, als in den relativ leeren Zug Hunderte Fahrgäste gen Wien einstiegen.
Solche Bilder gab es in Prag, als in den relativ leeren Zug Hunderte Fahrgäste gen Wien einstiegen. © Hendrik Schmidt/dpa

Dabei waren alle Passagiere voller Vorfreude morgens 8.10 Uhr in den Zug gestiegen, der in Dresden-Hauptbahnhof nur knapp zur Hälfte belegt war. Seit Anfang Juli fährt wieder ein Direktzug von Berlin über Dresden und Prag bis Wien und Graz. Alle Zeitungen der Regionen vermeldeten die Nachricht. Endlich brauchte man für die Strecke Dresden-Wien nur noch gut sechseinhalb Stunden, ist also gegen 14.49 Uhr da und muss nicht mehr in Prag oder Brno mindestens eine Stunde auf einen Anschlusszug warten. So weit, so gut.

Wie jedoch eine Testfahrt vor einigen Tagen ergibt, spart das zwar Zeit, aber keineswegs Nerven. Denn in Prag wird der Zug rappelvoll. In der 2. Klasse werden selbst die Plätze am Fußboden, in den Gängen und Toiletten knapp. Selbst die 1. Klasse – wo das Seniorenpaar sitzt und für Hin- und Rückfahrt gut 300 Euro bezahlt hat – ist komplett überbucht. Auch dort sitzen alsbald Menschen auf dem Boden oder auf ihren Koffern. Der Kellner des Speisewagens balanciert über ihren Köpfen hinweg oder an ihnen vorbei Kaffee, Suppe, Bier...

Retour mit dem RJ 256, 13.10 Uhr ab Wien Hauptbahnhof, Ankunft 19.53 in Dresden, ist es ein paar Tage später ähnlich, nur bemüht sich da das österreichische Zugpersonal um Abhilfe und tut Reserveplätze auf.

Die Empfehlung der Deutschen Bahn

Nun hat man eine Menge Fragen an die Deutsche Bahn. Wieso werden sogar für die 1. Klasse mehr Tickets verkauft, als es Plätze gibt? Und wie kann es ein, dass Reisende aus Deutschland bei der Online-Buchung – unabhängig vom Buchungstag – keine Sitzplätze buchen konnten, Touristen in Prag aber sehr wohl?

Eine Sprecherin der Bahn bedauert: „Die Auslastung auf dieser Verbindung ist auf den deutschen Abschnitten im Schnitt nicht höher als im bundesweiten Durchschnitt.“ Über Daten auf den ausländischen Abschnitten verfüge man leider nicht. „Wenn man keinen Sitzplatz mehr reservieren kann, ist das ein Zeichen dafür, dass der Zug schon stark gebucht ist und man auf einen anderen Zug ausweichen sollte.“

Der rettende Tipp vom österreichischen Zugbegleiter

Auch auf die Frage, warum der Zug in der Feriensaison nicht um weitere Wagen ergänzt wird, hat die Sprecherin eine Erklärung: „Es handelt sich bei den Railjets um eine feste Einheit, vergleichbar mit einem ICE, an die sich keine zusätzlichen Wagen hängen lassen. Wenn in Prag Reisende mit Sitzplatzreservierungen eingestiegen sind, ist zu vermuten, dass diese ihre Tickets zu einem früheren Zeitpunkt gebucht haben. Die Reservierungen für diese Züge werden bei der tschechischen Bahn CD verwaltet.“ Grundsätzlich seien die Reservierungssysteme der europäischen Nachbarbahnen mit dem System der DB so verbunden. „Im Einzelfall ist auch eine technische Störung nicht auszuschließen.“

Eine Entschädigung jedenfalls bekommen die frustrierten Reisenden nicht. Aber einen Tipp vom österreichischen Zugbegleiter: „Gehen Sie in solchem Fall in den Speisewagen, bestellen Sie etwas Größeres, dann lässt der Kellner Sie stundenlang sitzen.“