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Warum der ostdeutsche Konzern Orafol nicht in der Lausitz bauen will

Orafol beschäftigt mehr als 1.200 Menschen nördlich von Berlin. Vorstandschef Holger Loclair hat erwogen, ein neues Werk in der Lausitz zu bauen. Doch er entschied sich dagegen.

Von Georg Moeritz
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Blick zum Kraftwerk Boxberg: Die Lausitz hofft auf neue Industrie, aber ein wichtiger Unternehmer benennt Hindernisse.
Blick zum Kraftwerk Boxberg: Die Lausitz hofft auf neue Industrie, aber ein wichtiger Unternehmer benennt Hindernisse. ©  Archivfoto: Thomas Kretschel

Dresden. Sie gehört zu den größten ostdeutschen Unternehmen: die Orafol-Gruppe in Oranienburg nördlich von Berlin. Dort stellen mehr als 1.200 Menschen reflektierende Folien und Klebeband her. Weltweit hat Orafol 2.600 Beschäftigte. Vorstandschef Holger Loclair sagte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass er einen Neubau in der Lausitz in Betracht gezogen habe.

Ober- und Niederlausitz bemühen sich um Neuansiedlungen - wegen der Abrisse seit der Wende und wegen des bevorstehenden Endes der Kohleverbrennung bis spätestens 2038. "Dort wären wir sicher gefördert worden", sagte Orafol-Chef Loclair im Interview. Selbstverständlich habe er in Betracht gezogen, ein neues Werk in der Lausitz aufzubauen.

Der promovierte Chemiker Loclair, der in Freiberg studiert hat, hängt nach eigenen Worten an dem "wunderschönen Werk" in Oranienburg. Dort läuft zurzeit eine Erweiterung, und Orafol produziert auch in den USA und in anderen Staaten. Die Erfahrungen mit der Dauer von Genehmigungen halten den Vorstandschef und Mitbesitzer aber davon ab, einen Fabrikneubau in Deutschland zu wagen.

Zehn Monate warten auf Teilbaugenehmigung

Loclair sagte, unter den gegenwärtigen Bedingungen hätte er bei einem Neubauprojekt in der Lausitz ernsthaft Sorge, dass er "den Produktionsstart nicht mehr erleben" würde. In Oranienburg habe er vor zwei Jahren die größte zusammenhängende Erweiterungsinvestition seit der Gründung 1990 begonnen. Rund 160 Millionen Euro würden in das Werk in Brandenburg investiert.

Doch erst zehn Monate nach Abgabe des kompletten Bauantrags habe Orafol eine Teilbaugenehmigung zur Fertigstellung des schon fertigen Rohbaus erhalten. Ohne Rechtsanwälte verschiedener Disziplinen, technische Berater und viele interne Fachkräfte ließen sich größere Vorhaben nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz kaum verwirklichen.

Hilfsteam vom US-Gouverneur zur Seite gestellt

Der Orafol-Chef verglich die Bedingungen in Deutschland mit denen in den USA: Dort habe Orafol 2005 ein Werk gebaut. Der Gouverneur des US-Bundesstaats Georgia habe dem Unternehmen damals ein Team zur Seite gestellt, das sofort half, "wenn etwas klemmte". Derzeit errichte Orafol ein neues Chemiewerk in Massachusetts. In den USA gebe es eine "vorbehaltlose Willkommenskultur", dazu müsse auch Deutschland zurückfinden.

Beihilfen seien für ihn nicht entscheidend für die Auswahl eines Standorts, sagte Loclair. Die Förderkriterien des neuen Inflation Reduction Acts in den USA schlössen Orafol nicht unmittelbar ein. Entscheidend für ihn sei vielmehr "Vertrauen in die ganzheitliche Leistungsfähigkeit eines Standorts". In Deutschland werde das durch die widersprüchliche Energiepolitik beschädigt - und durch die Unternehmenssteuern.

Der Spezialfolienhersteller baut allerdings noch aus einem anderen Grund eine neue Fabrik in den USA: Loclair sagte in dem Interview, durch die Verwerfungen in und nach der Corona-Krise müsse er das arbeitsteilige Produktionskonzept hinterfragen. Deshalb baue Orafol in den USA gezielt Wertschöpfung auf.

Die reflektierenden Folien des Unternehmens kleben beispielsweise auf Verkehrszeichen. Auch Industrieklebebänder gehören zum Portfolio. Die brandenburgische Firmengruppe setzte voriges Jahr 870 Millionen Euro um.

Im vergangenen Monat hat der Solarmodulhersteller Meyer-Burger mit Fabrik in Freiberg darauf hingewiesen, dass er ebenfalls in den USA investiert. Konzernchef Gunter Erfurt sagte, seine Branche werde anderswo stärker gefördert als in Europa. Für Branchen wie die Halbleiterindustrie arbeitet die EU allerdings an Milliardenförderung. Beim Genehmigungsverfahren für eine Elektroautofabrik war Brandenburg für seine "Tesla-Geschwindigkeit" gelobt worden.