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Wie Sachsens Handwerk punkten will

In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Handwerksbetriebe wie in Sachsen. Schaffen sie den Sprung ins digitale Zeitalter?

Von Annett Kschieschan
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Ein starkes Team fürs Handwerk: Christin Paulus und Marlon Gnauck führen die gleichnamige Ottendorfer Bäckerei. Schon mehrfach wurde die Firma für ihre innovativen Ideen ausgezeichnet.
Ein starkes Team fürs Handwerk: Christin Paulus und Marlon Gnauck führen die gleichnamige Ottendorfer Bäckerei. Schon mehrfach wurde die Firma für ihre innovativen Ideen ausgezeichnet. © Steffen Unger

Drei Standorte, zwölf Mitarbeiter und den Sächsischen Gründerinnenpreis in der Tasche – für Jaqueline Hausotte war das zu Ende gehende Jahr ein erfolgreiches. 2019 hatte sich die Steinmetzin in Leipzig selbstständig gemacht - als Handwerkerin in einer Branche, in der es vor allem Männer gibt. Für die junge Frau eher Herausforderung als Hindernis. Jaqueline Hausotte steht damit gleichsam für die große Vielfalt, die das Handwerk in Sachsen widerspiegelt. Kein anderes deutsches Bundesland ist so stark durch kleine und mittelständische Handwerksbetriebe geprägt wie der Freistaat.Sachsen verfügt nach Angaben des Wirtschaftsministeriums über die höchste Unternehmensdichte im Handwerk und über die zweithöchste Beschäftigtendichte bundesweit. Jeder siebte Erwerbstätige zwischen Görlitz und Werdau arbeitet im Handwerk. Die Bandbreite reicht vom klassischen Tischlerbetrieb bis hin zum Spielehersteller. Als „Wirtschaftsmacht von nebenan“ – mit diesem Slogan wirbt das Handwerk schon seit 2010 bundesweit – müssen sich die Betriebe auch keinesfalls verstecken.

Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte - und das ist es auch, zumindest für jene Unternehmen, die die Umbrüche der Zeit meistern. Gemeint ist nicht nur die Corona-Krise, die vielen Betrieben höhere Kosten, aber zumindest dem Bauhandwerk auch volle Auftragsbücher gebracht hat. Der tiefgreifende Wandel in der Arbeitswelt, die alternativlose Digitalisierung und die immer anspruchsvoller werdende Suche nach gutem Nachwuchs sind Herausforderungen, an denen sich das sächsische Handwerk messen lassen muss.

Kreative Bäcker und visionäre Planer

Das weiß man auch bei der Handwerkskammer Dresden, die zum Beispiel als Partner im Kompetenzzentrum Digitales Handwerk Betriebe bei der Erweiterung ihrer Dienstleistungen oder der Entwicklung neuer Service-Ideen begleitet und hilft, Schwachstellen – etwa bei der Umsetzung von Datenschutzrichtlinien – zu erkennen. Und man will anhand erfolgreicher Beispiele zeigen, wie sie aussehen kann, die Zukunft des sächsischen Handwerks.Gleich drei Zukunftspreise hat die Handwerkskammer, die für ganz Ostsachsen zuständig ist, erst kürzlich vergeben. Auch hier hatte diesmal eine Frau die Nase vorn. Janet Lange führt heute gemeinsam mit Andreas Reck die 1987 von ihrem Vater gegründete Heinz Lange Bauunternehmen GmbH aus Ottendorf-Okrilla. Durch akribische und moderne Werbung für das Bauhandwerk konnte der Betrieb seine Mitarbeiterzahl innerhalb von drei Jahren von 65 auf 90 erhöhen. Ausbildung ist hier Chef- und Chefinnensache.

In Zeiten des Fachkräftemangels eine umso beachtlichere Entwicklung, betonte Handwerkskammer-Präsident Jörg Dittrich bei der Preisverleihung, bei der in diesem Jahr mit der Holzbau Lepski GmbH aus Dresden und der Stahl- und Metallbau Weiner GmbH aus Görlitz auch auf den Plätzen zwei und drei gebaut wurde.Wer sich in den Betrieben der Region umschaut, findet nicht nur Erfahrung und Kompetenz. Das Handwerk ist längst auf dem Weg in die Zukunft, setzt auf Digitalisierung und Robotik.

Wenn in der Kannegießer Keramik SAXONIA Feinsteinzeug Manufaktur in Neukirch /Lausitz ein Roboterarm Henkel auf Tassen klebt und die Kunden im Installationsbetrieb Henry Wendt aus Gröditz bei Riesa ihr neues Bad mit der Virtual-Reality-Brille planen können, zeigt das auch, dass zur Tradition heute ganz selbstverständlich auch die Moderne gehört. Und wenn Marlon Gnauck in seiner Bäckerei in Ottendorf-Okrilla Spargel, Mandeln und Cranberries in knusprige Brote verbäckt und dabei zu 80 Prozent Rohstoffe aus der Region verwendet, rückt das auch die Themen Genuss und Nachhaltigkeit in den Fokus. Sein Geschäftsmodell erweiterte Marlon Gnauck, der nebenberuflich als Dozent am BSZ für Agrarwirtschaft und Ernährung in Dresden und an der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks Sachsen e.V. unterrichtet, um Brotbackkurse und Genießerabende mit Wein-, Bier- und Whisky-Verkostungen.

Berufsberatung per Whatsapp

Keine Frage – Handwerk ist so vielseitig wie es die kreativen Köpfe in den Werkstätten, auf Baustellen und in Backstuben sind. Das aber muss sich herumsprechen. Viele Betriebe suchen händeringend Mitarbeiter und Nachwuchs. Die Handwerkskammer wirbt auf vielen Kanälen, berät potenzielle Azubis auch per Whatsapp und hat mit dem „Azubi-Tausch“, bei dem Lehrlinge aus unterschiedlichen Berufen für einen Tag die Rollen wechseln, auch ein unterhaltsames Videoformat entwickelt.Und auch, wenn es noch immer reichlich freie Stellen gibt – das Handwerk hat sich auch dadurch immer wieder neu ins Spiel gebracht. Über 2.100 junge Leute haben sich in diesem Jahr für einen der 130 Ausbildungsberufe in Ostsachsen entschieden. Das zeige, „dass Handwerksbetriebe trotz aller Herausforderungen durch die Corona-Krise weiterhin auf die Ausbildung von Fachkräften setzen und jungen, motivierten Menschen Karrieremöglichkeiten in der Region bieten“, so Manuela Salewski, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Dresden.Die Wirtschaftsmacht von nebenan – sie ist in Sachsen vielleicht sogar besser aufgestellt als in anderen Bundesländern. Ein Pfund, mit dem es sich wuchern lässt.