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Nur noch Backup oder Upgrade?

Der zunehmende Einsatz von KI wird Berufe nachhaltig verändern. Das eröffnet Aufstiegschancen, kann aber auch zum Abbau von Jobs führen. Forscher empfehlen auch deshalb eine starke Beteiligung der Betriebsräte.

Von Annett Kschieschan
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Was kann die KI schon besser? Wofür wird der Mensch auf jeden Fall gebraucht? Und welche neuen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten bietet der Einsatz der Künstlichen Intelligenz? Noch sind viele Fragen offen.
Was kann die KI schon besser? Wofür wird der Mensch auf jeden Fall gebraucht? Und welche neuen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten bietet der Einsatz der Künstlichen Intelligenz? Noch sind viele Fragen offen. © AdobeStock

"KI ist nicht aufzuhalten, die Technologie entwickelt sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Sie wird uns in den kommenden Jahren in vielen Bereichen unterstützen, wir werden sie in unseren Alltag – kaum spürbar – integrieren.“ Klare Worte von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig kürzlich beim KI-Kongress in Chemnitz. Doch stimmt „kaum spürbar“ wirklich? In der Arbeitswelt bewegen derzeit nur wenige Themen so sehr wie die Frage, inwieweit die Künstliche Intelligenz in Strukturen und Prozesse eingreift. Wo öffnet sie Wege für mehr Kreativität und Produktivität? Wo ersetzt sie Berufsbilder? Und wo schafft sie neue?

Fragen, die längst auch auf wissenschaftlicher Ebene analysiert werden. Denn die KI betrifft alle Branchen und ist mit automatisch gesteuerten Abläufen in der industriellen Produktion, mit Robotern in der technischen Fertigung und mit Digitalbrillen in der Lagerwirtschaft längst nicht auserzählt. Zwei Forscher des Münchner Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung und der University of Labour aus Frankfurt haben, unterstützt von der Hans-Böckler-Stiftung, konkret die Situation in den Büros von 21 Unternehmen aus der Automobilindustrie, der IT sowie im Banken- und Versicherungswesen analysiert. Sie sehen „den Beginn eines grundlegenden Strukturwandels“, der die Zukunft der modernen Arbeit prägen dürfte.„Die öffentliche Diskussion dreht sich oft nur um die Frage, wie viele Arbeitsplätze durch KI ersetzt werden. Viel spannender ist die Frage, wie sich Angestelltenarbeit qualitativ verändert“, so Stefan Lücking von der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Diese Veränderungen seien vielfältig, zum Teil aber auch widersprüchlich.

Letzteres sei weniger ein Problem als vielmehr die Chance, den Prozess aktiv mitzugestalten. Angesprochen sind hier vor allem Betriebsräte, die die digitale Transformation begleiten und im Sinne der Beschäftigten mitgestalten müssten. Wie das konkret aussehen kann, ist von Betrieb zu Betrieb verschieden. Die Forscher nennen als Beispiel den Bereich der Lohnbuchhaltung eines großen IT-Unternehmens. Datensätze wurden hier ursprünglich per Hand in IT-Systeme übertragen und überprüft. Nachdem eine KI-Software diese Aufgabe übernommen hatte, veränderte sich der Arbeitsalltag der Sachbearbeiter deutlich. Ihnen bleibt nun viel mehr Zeit, Daten zu analysieren und ihrerseits die KI zu trainieren. Ein Zeichen dafür, dass es ohne den Menschen eben doch nicht geht.

Der Wandel braucht Begleitung

Wie viele Menschen es aber künftig für bestimmte Arbeitsabläufe noch brauchen wird, muss die Zeit zeigen. Der Fachkräftemangel treibt die Digitalisierung an. In vielen Branchen, das gesteht man zumindest hinter vorgehaltener Hand, wird auch deshalb mit Hochdruck an der Einführung von KI-basierten Systemen gearbeitet. Klar ist auch, nicht jeden Beruf, der heute noch selbstverständlich ist, wird es in seiner Ursprungsform auch in zehn Jahren noch geben. Das betrifft längst nicht nur vermeintlich einfache Jobs im Niedriglohnsektor. Die Forscher verweisen auf ein Beispiel aus ihrer Studie. So sei die Software-Entwicklung am Forschungsstandort eines großen Automobilzulieferers bis vor ein paar Jahren lediglich „eine Art Anhängsel der Hardware-Bereiche“ gewesen. Auf der Karriereleiter nach oben kletterten die Maschinenbau-Ingenieure. Inzwischen habe sich das Verhältnis umgekehrt: Während Software-Entwickler etwa durch das „hochautomatisierte Fahren“ beste Entwicklungschancen hätten, käme dem Thema Hardware nur mehr eine Nebenrolle zu. Es wird künftig also beides geben: Menschen, die sich in ihren Berufen durch den Einsatz von KI besser entfalten und dadurch auch karrieretechnisch weiterentwickeln können – und Beschäftigte, die zum Backup der Künstliche Intelligenz degradiert werden oder ihren Job ganz verlieren.

Um die Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren, müsse der Wandel durch Qualifizierungsprogramme begleitet werden. „Eine solche Vorwärtsstrategie gilt es gegen die Kurzfristperspektive von Kostensenkungsstrategien des Managements zu verteidigen“, so die Empfehlung der Forscher.

In Sachsen setzt man beim Blick auf das große Ganze unter anderem auf die Kompetenzstelle KI bei der Digitalagentur Sachsen. Die kürzlich veröffentlichte KI-Studie, die unter anderem zeigt, wie sich die Zahl der KI-Unternehmen im Freistaat entwickelt hat, sei ein erster Schritt, so Frauke Greven, Leiterin der Agentur. „In einem zweiten Schritt wird sich die Kompetenzstelle KI der Anwendung von KI in der sächsischen Wirtschaft widmen. Sie wird untersuchen, unter welchen Bedingungen KI in heimischen Unternehmen gewinnbringend eingesetzt werden kann“, sagt sie. Auch wenn die Künstliche Intelligenz den Menschen viel Arbeit abnimmt – allein, um sie sinnvoll einsetzen zu können, ist noch jede Menge zu tun.