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Ein gefährlicher Pilz bedroht die Feuersalamander

Dieser eingeschleppte Hautpilz tötet die Amphibien. In Sachsen will man darauf vorbereitet sein und hat einen Plan.

Von Jana Mundus
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In der Sächsischen Schweiz oder dem Tharandter Wald gibt es große Feuersalamander-Vorkommen. Ihre Existenz bedroht nun ein eingeschleppter Pilz.
In der Sächsischen Schweiz oder dem Tharandter Wald gibt es große Feuersalamander-Vorkommen. Ihre Existenz bedroht nun ein eingeschleppter Pilz. © dpa

Im Westen Deutschlands ist die Lage mancherorts schon dramatisch. Vor allem in der Eifel und im Ruhrgebiet kam es in den vergangenen Jahren bereits zum Massensterben von Feuersalamandern. Die Gefahr, die sie bedroht, ist winzig. Ein kleiner Pilz namens Batrachochytrium salamandrivorans, kurz Bsal genannt, wird den Populationen nicht nur hierzulande zum Verhängnis. Auch in den Niederlanden und Belgien breitet er sich immer weiter aus. Salamanderfresser oder Salamanderpest nennt die Fachwelt das, was beim Befall mit dem Pilz passiert.

Die Haut der Amphibien bekommt Löcher und Wucherungen, was letztlich zum Tod der Tiere führt. Eine Forschungsinitiative der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD), der Universität Leipzig und des Senckenberg-Instituts Dresden macht den Schutz der Feuersalamander nun zum sächsischen Gemeinschaftsprojekt. Die Wissenschaftler wollen vorbereitet sein, wenn Bsal Sachsen erreicht.

Dass dies passieren wird, darauf weisen neueste Erkenntnisse hin. „In Nordbayern, in Franken, wurde der Pilz vor Kurzem erstmals nachgewiesen“, sagt Raffael Ernst. Er ist Sektionsleiter der Herpetologie der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. Bis nach Sachsen wäre es für Bsal kein weiter Weg mehr. Die Auswirkungen könnten fatal sein.

„Wir haben in Sachsen große Populationen des Feuersalamanders“, bestätigt der Experte. Gerade im Nationalpark Sächsische Schweiz oder im Tharandter Wald befinden sich wichtige Vorkommen der Tiere. Aber auch in anderen Regionen des Freistaats sind sie zu Hause. Ernst und sein Team beteiligen sich am neuen Forschungsprojekt, das das sächsische Umweltministerium mit fast 400.000 Euro unterstützt. Die Wissenschaftler wollen ein Frühwarnsystem für Bsal etablieren. Dafür müssen sie erst einmal genau festhalten, wo und in welchem Maße die Feuersalamander in Sachsen leben.

Wenn die Haut nicht mehr atmen kann

Der Pilz ist eine eingeschleppte Art, die sich immer weiter ausbreitet. Invasiv nennt das die Wissenschaft. Ursprünglich stammt Bsal aus Ostasien. Der Chytridpilz lebt dort ganz natürlich auf der Haut von verschiedenen Salamandern und Molchen. Pilz und Tiere – sie haben sich aneinander gewöhnt.

Über Terrarien-Tiere ist der Pilz vor Jahren wohl auch nach Europa gekommen. Bsal wurde hier zur tödlichen Gefahr. Das hiesige Immunsystem der Feuersalamander ist nicht daran gewöhnt und versagt. Der Pilz ernährt sich von Keratinen in der Haut der Salamander. Diese Proteine kommen auch in Fingernägeln, Fell oder Haaren vor. Den Feuersalamandern wird ihre Besonderheit als Amphibien zum Verhängnis.

Ihr Leben beginnt im Wasser, später leben sie an Land. Sie atmen deshalb über die Haut und mit Hilfe der Lungen. Die Haut ist auch für den Flüssigkeitshaushalt und für die Aufnahme von Nährstoffen wichtig. Wird sie durch Bsal zerstört, so ist das das Todesurteil für den Feuersalamander.

Es gleicht runden Fraßspuren: Ein mit Bsal infizierter Feuersalamander. Der Pilz frisst die Haut der Amphibien regelrecht auf. Das tötet die Tiere.
Es gleicht runden Fraßspuren: Ein mit Bsal infizierter Feuersalamander. Der Pilz frisst die Haut der Amphibien regelrecht auf. Das tötet die Tiere. © dpa/Frank Pasmans

Für das Forschungsprojekt werden Raffael Ernst und seine Kollegen erst einmal zu Historikern. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde der Feuersalamander-Bestand in der DDR umfangreich kartiert. „Dieser Katalog umfasst unzählige Karteikarten“, erzählt Ernst. Diese Daten sollen nun erst einmal aufgearbeitet und digitalisiert werden.

„Im Frühjahr wollen wir die Vorkommen noch einmal draußen im Feld überprüfen.“ Bestätigen sich die historischen Daten? Wo gibt es Feuersalamander in Sachsen und wo kommen sie nicht mehr vor? Aus alten und neuen Daten soll ein Modell entstehen, das den Forschern weitere wichtige Anhaltspunkte liefert.

Wo haben Feuersalamander im Bundesland die besten Chancen zu überleben und wo sind sie stark bedroht? Nicht nur der Pilz setzt den Populationen nämlich zu. Wetterextreme wie etwa Hochwasserereignisse bedrohen sie außerdem. In solchen Situationen werden etwa entwickelte Larven einfach weggeschwemmt.

Die Vorkommen sollen nicht einfach nur vermerkt werden. Wichtig ist den Wissenschaftlern das gesamte Umfeld, in denen die Salamander leben. Experten der HTW Dresden analysieren dafür die Struktur der Gewässer, in denen der Feuersalamander vorkommt, und kartieren den angrenzenden Lebensraum. Immer wollen die Wissenschaftler auch Proben nehmen, um die Tiere auf Bsal zu testen. So könnte ein eventuelles Auftreten des Pilzes in Sachsen möglichst frühzeitig erkannt werden.

Für den Ernstfall: Wiederansiedelung vorbereiten

Sebastian Steinfarz, Inhaber der Professur Molekulare Evolution und Systematik der Tiere an der Universität Leipzig, beschäftigt sich im Projekt mit der Genetik der Feuersalamander. So entsteht quasi ein riesiger Familienstammbaum der Tiere in Sachsen. „Das wird Aufschluss darüber geben, welche Populationen für das weitere Überleben der Art besonders wichtig sind“, beschreibt Steinfarz. „Diese Populationen müssten dann in dem Falle einer Ausbreitung von Bsal in Sachsen besonders geschützt werden.“

Raffael Ernst verdeutlich, was mit diesem Wissen in Zukunft möglich wäre. „Wir könnten durch diese Informationen später Individuen nachzüchten und eine Wiederansiedlung ermöglichen.“ Ziel jetzt wäre aber erst einmal ein sachsenweites Monitoring.

Damit das klappt, arbeiten die Wissenschaftler mit Partnern des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, zusammen. Die Regionalgruppe Chemnitz kümmert sich um das Monitoring in West- und Mittelsachsen. Auch die Kollegen dort wollen regelmäßig Hautabstriche der Feuersalamander für genetische Analysen sammeln. „So haben wir bestens im Blick, ob der Pilz schon da ist“, sagt der Senckenberg-Experte Ernst.

Die Wissenschaftler setzen aber auch auf das Engagement der Sachsen. Schon seit einigen Jahren läuft das Projekt „Feuersalamander, wo bist du?“. Entwickelt wurde das Bürgerwissenschafts-Projekt vom Nationalpark Sächsische Schweiz und dem Senckenberg Institut. Die Menschen sind dabei aufgefordert, Feuersalamander zu fotografieren und Foto samt Fundort an die Initiatoren zu übermitteln. Raffael Ernst betont, dass auch diese Hilfe künftig wichtig ist.

„Bsal überlebt auch bei winterlichen Temperaturen.“ Sollte sich der Pilz in Sachsen ausbreiten, wird er nicht so schnell wieder verschwinden. Je zügiger also Gewissheit über den Feuersalamander-Bestand in Sachsen herrscht, desto besser.