Leipziger Forscher: Die Arktis schickt uns immer wieder warme Winter
Leipzig. Die Winter bei uns werden extremer. Lange warme Phasen wie zum letzten Jahreswechsel werden häufiger. Normale Winter wie vor Jahrzehnten noch werden ganz selten. Wenn es dann aber mal kalt wird, dann richtig, lange und mit viel Schnee. Die entscheidende Ursache dafür liegt in der sich stark erwärmenden Arktis, berichtet Manfred Wendisch der SZ. Er leitet das Institut für Meteorologie der Universität Leipzig.
Um diese bisher völlig unzureichend verstandenen Zusammenhänge zu ergründen, bekommt sein Sonderforschungsbereich AC³ ab Januar nun weitere 19 Millionen Euro für die kommenden vier Jahre. An die 90 Wissenschaftler werden insgesamt daran beteiligt sein. Dort mit dabei sind auch Forscher aus Bremen und Köln.
Arktische Verstärkung nennt sich dieser Sonderforschungsbereich und soll begründen, wie Wasser, Wolken und Wetter im Detail zusammenhängen. Wie kompliziert das Geschehen ist, verdeutlicht allein der Fakt, dass dieselbe Wolke über Dresden kühlend, über der Arktis aber wärmend wirkt.
Seit acht Jahren haben die Wissenschaftler bereits mehrere große Expeditionen in die Arktis unternommen. Mit dem Eisbrecher Polarstern, mit Flugzeugen, Ballons und Satelliten wurde detailliert gemessen, was bisher nicht verfügbar war. Diese Daten liegen nun vor. „Damit wollen wir jetzt an den ganz großen Rädern drehen. Die großen Fragen beantworten“, sagt Wendisch. Letztlich geht es darum, was wie stark unser Wetter beeinflusst. Und was kommt da in Zeiten des Klimawandels auf uns noch zu.
Die bisherigen globalen Wettermodelle haben bestenfalls alle zwei Kilometer einen Datenpunkt. Alles darin, ist wie in einer Blackbox. Keiner weiß, was dort passiert, erklärt Wendisch. „Deshalb wird auch die Wolkenbildung bisher nur unzureichend von den Modellen wiedergegeben“, ergänzt Andreas Macke, Institutsdirektor vom Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (Tropos), ebenfalls bei AC³ beteiligt.
Jetzt aber wurden selbst Wolkentröpfchen im Submillimeterbereich in zeitlichen Abständen von hundertstel Sekunden vermessen. Die Chemie und die Physik darin. „Das ist eine andere Welt.“ Diese beiden Welten zusammenzubringen, ist nun die wissenschaftliche Aufgabe bis 2028.
Am Ende stehen bessere globale Wettermodelle, die manche bislang kaum erklärbaren Phänomene vorhersagen können. Extremwetter bei uns in Europa zum Beispiel. Dürre und Starkregen, vor allem aber die Winter. „Das ist weltweit neu“, sagt Andreas Macke. „Wir leben in einer neuen, veränderten Arktis. Und deren Einfluss auf unser nördliches Klima müssen wir erst einmal verstehen.“
- Die SZ hatte diese Leipziger Wissenschaftler 2017 fünf Wochen lang auf dem Eisbrecher Polarstern begleitet, sehen Sie die Video-Doku hier.
- 2022 war die SZ mit den Leipziger Forschern auf der größten deutschen Flugexpedition in der Arktis unterwegs, die soeben mit dem Medienpreis Luft- und Raumfahrt ausgezeichnete Reportage finden sie hier.