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Sachsens Zukunft: KI kommt – entweder mit oder ohne uns

Sächsische.de und Partner laden zur Debatte ein: „Fit für die Zukunft“. Sachsen hat die große Chance, mit Künstlicher Intelligenz völlig neue Wirkstoffe für weltweit beste Medikamente zu schaffen.

Von Stephan Schön
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Die Künstliche Intelligenz ist längst da, aber was kommt da noch auf uns zu?
Die Künstliche Intelligenz ist längst da, aber was kommt da noch auf uns zu? © 123rf

Einst hatte er Höhenangst. Jetzt fliegt er mit dem Gleitschirm. Aus Leidenschaft. Richard Socher hat seine Ängste überwunden. Nicht Ängste sind es, die er soeben wegräumt. Aber große Hindernisse, die durchaus Angst machen könnten. Mit seinem Start-up You.com greift er den Riesen Google direkt an. „Wir bauen die bessere Suchmaschine. Mit Sprache statt lästigen blauen Zeilen“, sagt er im Dresdner KI-Forum am Donnerstagabend. Zugeschaltet aus den USA. Socher stammt aus Dresden, seine Firma befindet sich im Silicon Valley.

Sprache ist das eine, aber auch Berechnungen für Mathematik, Chemie und Physik seien seit vergangener Woche auf You.com nun möglich. Einfach eine Frage eingeben, die Formel dazu sucht die KI sich selbst. Zeigt’s, wie es geht und rechnet. Diese KI entscheidet auch, ob sie auf eine Frage nur mit Text oder besser mit Grafiken und Fotos antwortet.

Live aus dem Silicon Valley zugeschaltet ins Zukunftsforum vom Donnerstagabend ist der Dresdner Start-up-Gründer von You.com, Richard Socher.
Live aus dem Silicon Valley zugeschaltet ins Zukunftsforum vom Donnerstagabend ist der Dresdner Start-up-Gründer von You.com, Richard Socher. © Matthias Rietschel

Alles geht schneller als erwartet, stimmt Jens Meiler dem zu. Er ist Professor für Pharmazeutische Chemie. Es ist eine neue Art der Entwicklung von Medikamenten mit Hilfe Künstlicher Intelligenz. Meiler stammt aus Leipzig, hat 20 Jahre in den USA geforscht, und wurde vor drei Jahren von der Humboldt-Stiftung als Professor zu attraktiven Bedingungen zurück nach Leipzig geholt. Hier hat er inzwischen ein eigenes Uni-Institut. Die Forscher hier kümmern sich um Winzigkeiten, das Moleküldesign, das heilen kann. Die Krankheiten werden so an der molekularen Ursache gepackt, weil die Wirkstoffe genau dort ankommen. Künftig könnte das auch auf jeden einzelnen individuell abgestimmt sein, sagt Meiler.

Jeder Mensch habe etwa 10.000 veränderte Proteine. Unterschiedlich allerdings. „Die meisten bleiben unauffällig, aber einige machen krank.“ Die will er reparieren. Ohne KI wäre es undenkbar, chemische Bindungen, 3-D-Struktur und Angriffsstellen derart vorherzusagen. Die Entwicklung von Medikamenten verkürzt das um zwei, drei Jahre. Einige Wirkstoffe werden durch die KI überhaupt erst gefunden. „Schauen Sie in fünf Jahren mal in die Apotheken, Sie werden staunen, was dort inzwischen angekommen ist.“ Möglich machen das gewaltige Rechner. Die größten davon stehen im Hochleistungs-Rechenzentrum der TU Dresden.

Auch Scads nutzt sie. Es ist das gemeinsame Nationale Zentrum für Künstliche Intelligenz der Unis in Dresden und Leipzig und nur eines von fünf deutschlandweit. Jens Meiler und sein Team arbeiten damit. „Wir stehen an einem Punkt, wo wir völlig neue Möglichkeiten haben.“ Sachsen, so wirbt Jens Meiler, kann hier weltweit ganz vorn mit dabei sein. Eine neue Pharmaindustrie aufbauen. Die Voraussetzungen seien besser als anderswo in Europa, mit Chips und Genetik, mit Biochemie und KI. Leipzig sei in der KI-Wirkstoffforschung führend, bisher waren dies die USA.

Und letztlich ist es Jens Meiler selbst, der die Stimmung drückt und ganz klar die Risiken seiner neuen Technologie nennt. Mittels KI werden so mächtige Werkzeuge geschaffen, mächtiger als alles bisher in der Genetik und Biochemie. Man kann damit künftig Krebs heilen, oder man kann damit Viren viel gefährlicher als Corona schaffen. „Wir müssen die Risiken betrachten, aber die enormen Chancen erkennen, die uns die KI gibt. Und KI kommt, ob wir es wollen oder nicht. Egal ob wir es machen oder nicht. Dann tun dies andere. Das ist nicht aufzuhalten.“

Vereinbarungen zu den Grenzen der KI seien international nötig. Aber hier vor Ort müsse diese Forschung mit ihren Chancen von der Gesellschaft gewollt sein, sagt Meiler. Doch wer oder was ist die Gesellschaft, setzt Uwe Vetterick dem entgegen. Er ist Chefredakteur der Sächsischen Zeitung und als Vertreter der Medien auf dem Podium. Die Gesellschaft wäre ja nicht die Politik, sondern es seien die Menschen, die die Politik wählen, Es gehe darum, diese Themen überhaupt zu den Menschen zu bringen, eine Alltagsübersetzung zu leisten aus der Blase der Wissenschaft heraus.

Jede neue Technologie ist für ein besseres Leben erdacht, kann sich aber auch dagegen richten. Feuer, Atom, Genetik. „Dieses Problem ist so alt wie die Menschheit“, sagt Uwe Vetterick. Die Sächsische Zeitung und Sächsische.de werden KI als eines der großen Themen der Gegenwart über alle Ressorts hinweg behandeln. Chancen nennen, aber auch Risiken erklären.

Podiumsdiskussion zur Künstlichen Intelligenz. Zugeschaltet aus den USA Richard Socher. Britta Leusing, stellv. Leiterin des KI-Campus beim Stifterverband Berlin, Prof. Jens Meiler, Direktor des Instituts für Wirkstoffforschung Uni Leipzig und Uwe Vetteri
Podiumsdiskussion zur Künstlichen Intelligenz. Zugeschaltet aus den USA Richard Socher. Britta Leusing, stellv. Leiterin des KI-Campus beim Stifterverband Berlin, Prof. Jens Meiler, Direktor des Instituts für Wirkstoffforschung Uni Leipzig und Uwe Vetteri © Lichtwerke Design Fotografie

Um diese neuen Dinge beurteilen zu können, gehören Kenntnisse dazu. Wissen, wie es der KI-Campus vom Stifterverband Berlin in gut 50 verschiedenen Kursen und Vorträgen zur KI für die Bevölkerung anbietet, wie Britta Leusing berichtet.

Alles gute Ansätze, aber eines haben wir nicht: Zeit. Jens Meiler sieht die Chance für Sachsen bei den Wirkstoffen der Zukunft nicht irgendwann, sondern genau jetzt. Er hat es eilig. Nicht mit dem Wind segeln, man muss sich schon davor setzen.

So wie Richard Socher aus dem Silicon Valley beim Gleitschirmfliegen. Er fliegt eben nicht nur mit dem Wind, ein Motor bringt ihn davor. Bei seiner You.com sind die visionären Ideen der Motor. Schließlich will er die Richtung bestimmen. Beim Fliegen wie bei der KI.

  • „Fit für die Zukunft“ ist eine gemeinsame Veranstaltung von „Wirtschaft in Sachsen", dem Wirtschaftsmagazin der Sächsischen Zeitung, von der Beratergruppe Schneider + Partner und der Dresden International University. Diese Veranstaltung findet jährlich in Dresden mit Top-Experten zu den großen Fragen der Gegenwart statt. Das Thema am Donnerstagabend waren die Auswirkungen und Chancen Künstlicher Intelligenz in Wirtschaft, Bildung und Medien.