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Wie ein kleiner Ort einen großen Umzug stemmt

Wittgendorf wird 700 Jahre - und feiert das Jubiläum mit einem Festumzug. Karsten Eckhart macht auch mit. Die alte Schule spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Von Jan Lange
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Karsten Eckhart vor dem Wagen der Alten Schule, der als Nummer 18 beim großen Festumzug in Wittgendorf dabei ist.
Karsten Eckhart vor dem Wagen der Alten Schule, der als Nummer 18 beim großen Festumzug in Wittgendorf dabei ist. © Matthias Weber/photoweber.de

Karsten Eckhart hat die Grundschule in Wittgendorf noch besucht - bis 1985. Nun fährt der 48-Jährige auf dem Schulwagen beim Festumzug am 19. Juni mit. Es ist Wagen Nummer 18 von 74 Bildern. Präsentiert werden wichtige Stationen der Wittgendorfer Ortsgeschichte, altes Handwerk, ortsprägende Gebäude und Vereine.

Gut 500 Teilnehmer wirken am Umzug anlässlich des 700-jährigen Ortsjubiläums mit. "Ein Drittel sind Leute aus dem Ort", sagt Jörg Schneider, der zu den Organisatoren des Festumzuges gehört. Die anderen Teilnehmer kommen aus den Nachbarorten, es sind beispielsweise Mitstreiter vom Oberseifersdorfer Fasching, vom Geflügelverein oder vom Skiverein. Auch der Baumkuchenbäcker aus Schlegel darf beim Umzug nicht fehlen. Aus gutem Grund: Firmengründer Gerd Friedländer ist gebürtiger Wittgendorfer.

Jörg Schneider ist dankbar für die Unterstützung aus den Nachbarorten, so bekommt der Umzug einen sehenswerten Umfang. "Die Dörfer rücken zusammen", findet er. Auch im Ort selbst gibt es ein großes Miteinander. Die meisten Wittgendorfer machen gern mit. Das zeigt sich allein an der fünf Kilometer langen Wimpelkette, mit der die Zäune, Grundstücke und Häuser im gesamten Ort geschmückt wurden.

Eine Herausforderung war die Umgestaltung des alten Bades, wo das Dorfjubiläum stattfindet. Ursprünglich sollten die Reste des Bades im Vorjahr abgerissen werden - rechtzeitig vor der 700-Jahr-Feier. Doch dann verschob sich der Abbruch immer wieder. Anfang Mai begannen schließlich die Arbeiten. "Wir waren alle so optimistisch, dass sie rechtzeitig fertig werden", sagt Schneider. Und es hat funktioniert: Das alte Becken ist herausgerissen, die Fläche wieder verfüllt und verfestigt worden. Nun steht hier das große Festzelt, das die Wittgendorfer bereits aufgebaut haben.

Nach dem Ortsjubiläum muss noch das eine oder andere am Festgelände gemacht werden - zum Feiern reicht es jetzt aber erst mal. Und feiern wollen die Wittgendorfer drei Tage lang (17. bis 19. Juni). Der Festumzug am Sonntag ist ein Höhepunkt.

Das große Festzelt auf dem Festgelände am ehemaligen Wittgendorfer Freibad ist bereits aufgestellt.
Das große Festzelt auf dem Festgelände am ehemaligen Wittgendorfer Freibad ist bereits aufgestellt. © Matthias Weber/photoweber.de

Auch für Karsten Eckhart war es selbstverständlich, mitzumachen. Und nicht nur er ist dabei, der ganze Eckhart-Hof macht mit. Fast alle beim Schulwagen. Tochter Lisa fährt auf dem Wagen der Kirche mit, sie spielt mit ihrem Freund Fritz ein Brautpaar. "Sie übt schon für später", meint Karsten Eckhart und schmunzelt.

Mit der Gestaltung des Wagens begannen sie im März. Die alte Schule, in der bis 1999 Schüler unterrichtet wurden, darf auf dem Wagen nicht fehlen. Vor dem Holzgestell ist ein Klassenzimmer samt Lehrerpult aufgebaut.

Die malerische Gestaltung übernahm Hannelore Geißler mit ihrer Tochter. Sie hat auf der Vorderseite des eigenen Hauses die frühere Eingangstür aufgemalt. So kam Karsten Eckhart auf die Idee, dass sie die alte Schule malen könnte. Sie erklärte sich bereit und malte an mehreren Abenden das Schulgebäude mit seinen Fenstern, der Eingangstür samt Treppenaufgang auf das Holzgestell.

Karsten Eckhart erinnert sich an die Erzählungen seines Vaters, der als Neunjähriger beim Schulumzug 1959 dabei war. Damals feierte die Schule ihr 60-jähriges Bestehen. "Das kriegt unsere Generation auch hin", dachte er sich. Die ehemaligen Lehrerinnen Ingrid Hänsch und Karin Dieckmann, die bei ihm um die Ecke wohnen, fragte er, ob sie auf dem Wagen mitfahren würden. Auch sie waren schnell überzeugt.

Wie es der Zufall wollte, spielte in der Nachbarschaft jemand Schlagzeug. Jetzt sitzt die Nachbarin mit ihrer Band ebenfalls auf dem Wagen. Am Freitag steht noch eine Probe an, bevor es Sonntag Ernst wird. Gegen 13 Uhr setzt sich der Umzug in Bewegung und rollt etwa zwei Stunden vom Oberdorf bis ins Niederdorf. An der Strecke gibt es vier Sprecherstellen: am früheren Gener-Markt, auf dem Parkplatz am Festgelände, bei der ehemaligen Arztpraxis und am Wäldchen unweit des alten Kindergartens.

Vor dem Start sammeln sich Karsten Eckhart und die anderen Teilnehmer im Oberdorf. Die Zufahrt aus Oberseifersdorf ist deshalb Sonntag ab 11 Uhr gesperrt. Ab 12.45 Uhr rollt dann außer den Umzugswagen kein anderes Fahrzeug mehr durch den Ort.

Auszug aus dem Programm:

Freitag, 17. Juni: 17 Uhr, Eröffnung mit Bieranstich; 22 Uhr, DJ MrOrange

Sonnabend, 18. Juni: 10 Uhr, Eröffnung "Schau zur Dorfgeschichte und Kunstausstellung Land und Leute" in der alten Schule; ab 11 Uhr Festplatzbetrieb; 14 Uhr, Familiensportfest; 20 Uhr, Band "Himmelsmaler" und anschließend Höhenfeuerwerk

Sonntag, 19. Juni: 10 Uhr, Festgottesdienst mit dem aktuellen und zwei früheren Pfarrern von Wittgendorf; 13 Uhr, Festumzug; 16 Uhr, Oberländer Musikanten