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Neuer Eigentümer für Zittauer Jugendstil-Häuser

Benjamin Pfefferkorn hat die maroden Gebäude an der Hochwaldstraße 19 und 21 in Zittau von einem Deutsch-Amerikaner gekauft. Er will sie nicht nur retten, sondern auch ihre Geschichte aufarbeiten.

Von Thomas Christmann
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Eigentümer Benjamin Pfefferkorn (links) mit seinen Mitarbeitern bei Außenarbeiten am Eckhaus.
Eigentümer Benjamin Pfefferkorn (links) mit seinen Mitarbeitern bei Außenarbeiten am Eckhaus. © Matthias Weber/photoweber.de

Mit seinem Bautrupp ist Benjamin Pfefferkorn gerade damit beschäftigt, den Wildwuchs um die Hochwaldstraße 19 und 21 in Zittau zu entfernen. Aus den Häusern haben die Arbeiter schon alle beweglichen Teile rausgeholt wie Möbel, Elektrogeräte und Öfen - soweit das möglich war. "Alles für den Sperrmüll", sagt der Architekt, der längst noch nicht jeden Raum begehen konnte. Der Grund: Teilweise sind die Decken in mehreren Etagen eingestürzt, weshalb die Bauaufsicht ein Betretungsverbot erlassen hat.

Benjamin Pfefferkorn ist der neue Eigentümer der Objekte, will nun ihren weiteren Verfall stoppen und dadurch einen unwiederbringlichen Verlust im Stadtbild verhindern - wieder einmal. Seit zehn Jahren engagiert sich der gebürtige Berliner bereits in Zittau und hat in der Zeit schon einige Gebäude sichern können. Dazu gehören das ehemalige Fischhaus in der Inneren Weberstraße 44, das Zweikronenhaus an der Neustadt 35 oder das Haus an der Baderstraße 1. Er selbst sieht sich als Hausarzt, der die Wunden heilt.

Die Hochwaldstraße ist dabei sein neuestes Projekt - und sein größtes zugleich. "Die Häuser sind wunderschön, viele Stuckelemente noch erhalten", sagt Benjamin Pfefferkorn. Entworfen hat sie 1903 Heinrich Oswald Fritsche, Schüler der Baugewerkeschule in Zittau sowie Ziegelei- und Sägewerksbesitzer. "Er muss besessen gewesen sein vom Jugendstil", berichtet der heutige Eigentümer. Das Wirken des damaligen Architekten und Baumeisters zeigt sich an vielen Orten der Stadt: Am Rathausplatz kreierte er ein Ensemble aus Geschäften mit Apartments in passagenartiger Anbindung an die Fleischbänke. Auf ihn gehen die Hotels "Reichshof" und "Weintraube" an der Bahnhofstraße 1 und 28 zurück, die heute als Wohn- sowie Ärztehaus genutzt werden. Von Heinrich Oswald Fritsche stammen auch das Burgteich-Restaurant am Westpark und die Villa an der Gellertstraße 2.

Benjamin Pfefferkorn hat die Häuser an der Hochwaldstraße 19 und 21 erworben. Die sollen bis Jahresende beräumt und das Dach dicht sein.
Benjamin Pfefferkorn hat die Häuser an der Hochwaldstraße 19 und 21 erworben. Die sollen bis Jahresende beräumt und das Dach dicht sein. © Matthias Weber/photoweber.de

Bei der Recherche zur Hochwaldstraße hat Benjamin Pfefferkorn erfahren, dass seine beiden Objekte schon zu DDR-Zeiten als Problemfall galten: Davon zeugen Anzeigen über undichte Dächer oder wackelige Schornsteine. Nach der Wende standen die Häuser irgendwann leer, laut seiner Kenntnis war auch ein Abriss angedacht. Dann kaufte ein Deutsch-Amerikaner die Nummern 17, 19 und 21. Er wollte die Gebäude entwickeln. Doch stattdessen ging der Verfall weiter, der Fußweg musste abgesperrt werden. Bereits 2016 kontaktierte Benjamin Pfefferkorn seinen Vorgänger, um ihm zu helfen. Doch dieser brach den Kontakt ab, meldete sich aber Ende vorigen Jahres wieder. Nun wollte er die 19 und 21 verkaufen, nachdem die Bauaufsicht den Druck erhöhte. Der Architekt zahlte ihm daraufhin einen "Anerkennungspreis", damit er nach seinen Worten loslassen kann.

Benjamin Pfefferkorn will seit dem Kauf auch die Geschichten hinter der Geschichte erfahren. Wie die eines ehemaligen Bewohners. Dieser beobachtete im August 1968 die russischen Panzer, die Tag und Nacht zur Niederschlagung des "Prager Frühlings" an den Häusern vorbeifuhren - Öl und Diesel-Geruch lag in der Luft. Einen Monat zuvor erst war die Brücke über die Mandau fertig geworden - und die einzige taugliche für solch schwere Fahrzeuge. Eine andere Anekdote ist die einer Frau, die zu DDR-Zeiten mit Bruder und Eltern im ersten Obergeschoss wohnte. Der musste ihr so manche Nacht das Fenster öffnen, damit sie unbemerkt von Vater und Mutter rein- und rauskam. Benjamin Pfefferkorn hofft auf weitere solcher Erzählungen, die zur Geschichte der Häuser beitragen.

Für Susanne Mannschott von der Stadtentwicklungsgesellschaft haben die Hochwaldstraße 19 und 21 bislang zu den großen Sorgenkindern in Zittau gehört. "Die Gebäude sind eine Besonderheit", meint die Geschäftsführerin, die aus ihrer Sicht schon wegen des Erhalts städtebaulicher Strukturen bewahrt werden sollten. Sie kann sich vorstellen, dass die Objekte einmal für Wohnzwecke als auch im Kontext der Hochschule genutzt werden. Zunächst ist die Stadt aber darum bemüht, den Erhalt zu unterstützen. "Noch nicht zu allen Fragen konnten Möglichkeiten gefunden werden, die eine sofortige Sicherungsmaßnahme umsetzbar machen", berichtet sie.

Benjamin Pfefferkorn freut sich schon, wenn die Stadt ihm zunächst bei der Laterne vor der Nummer 21 hilft: Die hat sie ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Aber für den Eigentümer ist das Anschalten eine Frage der Sicherheit. Der Stadt ist sein Wunsch bekannt. Doch nach der jetzigen Verordnung kann sie jährlich 75 Prozent der eingesparten Energie für die Straßenbeleuchtung verwenden. Welche Lampen das betrifft, entscheidet am Jahresende der Technische Ausschuss.

Bis dahin will Benjamin Pfefferkorn den Bauschutt von den eingestürzten Decken aus den Häusern raus haben. Dafür ist er gerade auf der Suche nach einer Abrissfirma. Ende 2023 soll zudem das Dach dicht sein. Und der Architekt will das Gespräch mit verschiedenen Anlaufstellen suchen, um Ideen für seine Häuser und das Gesamtensemble zu entwickeln: Dazu gehören die maroden Nachbargebäude, die Allee entlang der Mandau, der Radweg vor der Tür und nicht zuletzt die laut ihm notwendige (Fahrrad-)Brücke am Dreiländerpunkt. Er möchte der Stadt an der Stelle ein schönes Gesicht verleihen, die Touristen aus seiner Sicht wegen der historischen Bausubstanz anzieht. "Zittau ist eine lohnende Aufgabe", sagt der Architekt.

  • Benjamin Pfefferkorn bittet um Fotos, Dokumente und Anekdoten, die zum Erleben der Geschichte der Hochwaldstraße 19 und 21 betragen unter [email protected]
  • Bisher zusammengetragene Infos finden sich unter https://das.zweikronenhaus.de