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Grenzkontrolle in Zittau: Mit Lächeln und Maschinenpistole

SZ besucht die Grenzkontrolle der Bundespolizei an der Friedensstraße - gleichzeitig gibt's in Lückendorf beinahe Tote. Mit Bildergalerien.

Von Markus van Appeldorn
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Mit einer Maschinenpistole bewaffnet durchsuchte ein Polizist den Containerauflieger.
Mit einer Maschinenpistole bewaffnet durchsuchte ein Polizist den Containerauflieger. © Markus van Appeldorn

Seit gut einer Woche nun hat die Bundespolizei im Kreissüden drei feste Grenzkontrollstellen eingerichtet - eine davon an der Friedensstraße in Zittau an der Grenze zu Polen. 24 Stunden, 7 Tage die Woche schieben Beamte hier ihren Dienst, stoppen jedes aus Polen einreisende Auto. Für eine erste Bilanz der Kontrollen besuchte SZ die Kontrollstelle. In diesen zwei Stunden blieb es ereignislos - kein Schleuser wurde gefasst, kein Migrant aufgegriffen. Doch nur wenige Kilometer weiter hätte es in Lückendorf zur gleichen Stunde beinahe Tote gegeben.

Schon beim Zufahren auf die Kontrolle lässt ein Senior die Seitenscheibe seines Seat herunter, reckt den Kopf leicht heraus. "Keine Ausländer", ruft er den Beamten zu - und will damit zu verstehen geben, dass er keine Migranten im Fahrzeug hat. Zur Kontrolle reicht den Beamten ein Blick von außen auf die Rückbank. Mit einem Lächeln winkt eine Beamtin den Mann weiter, wünscht noch "Gute Fahrt".

So geht das hier an der Friedensstraße seit gut einer Woche alle paar Sekunden. Kurzer Stopp, ein Blick ins Auto, weiter geht's. Zu leichtem Stau kommt es nur, wenn mal ein Lkw oder ein Lieferwagen kommt, deren Ladefläche nicht einsehbar ist. Dann muss der Fahrer aussteigen und den Laderaum öffnen - aber trotz des Aufwands fließt der Verkehr recht zügig.

Jedes aus Polen einreisende Fahrzeug wird an der Friedensstraße gestoppt.
Jedes aus Polen einreisende Fahrzeug wird an der Friedensstraße gestoppt. © Markus van Appeldorn
Bundespolizei-Pressesprecher Alfred Klaner muss dieser Tage viele Interviews geben.
Bundespolizei-Pressesprecher Alfred Klaner muss dieser Tage viele Interviews geben. © Markus van Appeldorn
Über die Rottweiler im Laderaum des Transporters staunten die Bundespolizisten nicht schlecht.
Über die Rottweiler im Laderaum des Transporters staunten die Bundespolizisten nicht schlecht. © Markus van Appeldorn
Der Sattelzug aus Tschechien war verdächtig.
Der Sattelzug aus Tschechien war verdächtig. © Markus van Appeldorn

Abgewiesen werden darf niemand

"Die Menschen haben Verständnis für die Kontrollen", sagt Alfred Klaner, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion in Ebersbach, und: "Wir hatten deswegen noch keinerlei Beschwerden." Ob's was nutzt? "Am Montagmorgen gegen 4.20 Uhr ist uns hier tatsächlich ein ukrainischer Schleuser mit vier Syrern in die Kontrolle gefahren", sagt Klaner.

Weitere Kontrollstellen gibt es an der S148 bei Neugersdorf an der tschechischen Grenze und an der B178-Schnellstraße in Zittau. Dort kam es erst in der Nacht zum Montag zu einer lebensbedrohlichen Situation für sechs Syrer, als ihr angetrunkener Schleuser der Kontrolle davonzurasen versuchte. "Der Schleuser aus Kasachstan wurde heute dem Haftrichter vorgeführt", sagt Klaner und zieht recht zufrieden Bilanz: "Immerhin konnten wir durch die Kontrollstelle innerhalb einer Woche drei Schleuser festnehmen." Weitere Rückschlüsse zum Nutzen dieser Kontrollen könne er nach nur einer Woche kaum ziehen.

Denn zur Wahrheit gehört auch: Wenn die Bundespolizisten bei der Kontrolle Migranten antreffen, haben sie quasi keine Möglichkeit, jemanden abzuweisen. "Wenn jemand ein Schutzersuchen stellt, reist der erstmal ein", sagt Klaner. Was dann irgendwann im Asylverfahren passiert - nicht mehr Sache der Bundespolizei. Es gebe tatsächlich eine winzige Zahl von Migranten, die auf der Dienststelle kein Schutzersuchen stellen. Die könnte die Bundespolizei auch nach Polen oder Tschechien zurückbringen. In der Realität aber bleibt das die Theorie.

"Wir müssen dann für diese Person konkret nachweisen, wo sie die Grenze passiert hat und dass diese Person sich in Polen oder Tschechien aufgehalten hat", so Klaner. Nur dann seien die Nachbarstaaten auch verpflichtet, jemanden gewissermaßen "zurückzunehmen". Bei einem Migranten aber, der Kilometer weit von der Grenze aufgegriffen wird, ist dieser konkrete Nachweis nahezu unmöglich.

Kontrolle mit Maschinenpistole

Plötzlich wird's an diesem Morgen spannend an der Friedensstraße. Ein tschechischer Sattelzug fährt vor - mit einem großen Seecontainer auf dem Auflieger. Das ist verdächtig. "Der Schwerlaster dürfte hier gar nicht entlangfahren, sondern müsste die Route über die B178 nehmen", sagt Klaner. Ein mit einer vor den Körper geschnallten Maschinenpistole bewaffneter Beamter tritt von hinten an den Container heran. "Nicht verplombt", ruft er seinen Kollegen zu - weil die Zoll-Plombe fehlt, könnte der Fahrer irgendwo unterwegs Migranten aufgeladen haben.

Der Lkw-Fahrer muss die Türen des Containers öffnen - augenscheinlich ist er leer. Der Beamte mit der Maschinenpistole will ganz sicher gehen. Er besteigt den Container, läuft bis ganz hinten, ob sich dort im Dunklen wirklich niemand verbirgt. Alles in Ordnung. Der Mann darf weiterfahren. Mit der Ordnungswidrigkeit wegen der falschen Routenwahl geben sich die Bundespolizisten an diesem Morgen nicht ab.

Mit über 170 km/h der Kontrolle davongerast

Doch zur gleichen Zeit erfährt Klaner von einem Vorfall, der nur wenige Kilometer weiter in Lückendorf Menschenleben hätte kosten können. Im tschechischen Petrovice nahe Lückendorf hatten Einsatzkräfte des deutsch-tschechischen Fahndungsteams einen Schleuser mit vollbesetztem Auto stoppen wollen. "Der raste der Kontrolle mit bis zu über 170 km/h in Richtung deutsche Grenze davon", erzählt Klaner. Drei Streifen folgten dem rumänischen Ford Mondeo.

"Der Fahrer überfuhr die Grenze im Zittauer Gebirge und weiter mit deutlich überhöhtem Tempo durch Lückendorf", so Klaner. Kurz vor Ortsende bog er plötzlich in einen schmalen geteerten Waldweg nach rechts ab und kam hier von der Straße ab. Er hob kurz vom Boden ab und riss sich die Ölwanne auf. Nach etwa 50 Metern kam das Fahrzeug zum Stillstand.

Die Migranten saßen zusammengepfercht in dem Ford.
Die Migranten saßen zusammengepfercht in dem Ford. © Blaulichtreport Zittau
Der Wagen des Schleusers hat eine lange Furche durch die Wiese in Lückendorf gegraben.
Der Wagen des Schleusers hat eine lange Furche durch die Wiese in Lückendorf gegraben. © Blaulichtreport Zittau
Ein Bundespolizist durchsucht einen der Migranten.
Ein Bundespolizist durchsucht einen der Migranten. © Blaulichtreport Zittau

Fahrer und Beifahrer rissen sofort die Türen auf und flüchteten in den Wald in Richtung Grenze. Die Beamten fanden im Ford auf der Rücksitzbank drei und im Kofferraum zwei syrische Männer vor. Sie waren unverletzt geblieben. Trotz intensivster Fahndung wurden die beiden mutmaßlichen Schleuser nicht mehr gestellt.

Die Bilanz der letzten 24 Stunden laut Bundespolizei: In Hainewalde, Lückendorf, Sohland/Spree, Ruppersdorf, Hirschfelde, Kottmarsdorf und Zittau hat die Bundespolizei 70 Syrer, einen Iraker und einen ukrainischen Schleuser aufgegriffen - allein zwölf Syrer waren wieder über die Neißebrücke in Hirschfelde gekommen, 13 Syrer wurden an der Aral-Tankstelle am Zittauer Stadtring aufgegriffen.