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Nördlich von Zittau soll der größte Solarpark im südlichen Landkreis entstehen

Ein Investor will nahe Radgendorf Strom für 5.000 bis 7.000 Haushalte erzeugen. Jetzt hat er das Projekt vorgestellt. Entscheiden sollen die Einwohner.

Von Frank-Uwe Michel
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Bei Radgendorf soll mit 25 Hektar der größte Solarpark im südlichen Landkreis Görlitz entstehen. Im Hintergrund Kraftwerk (links) und Grube (rechts) Turow.
Bei Radgendorf soll mit 25 Hektar der größte Solarpark im südlichen Landkreis Görlitz entstehen. Im Hintergrund Kraftwerk (links) und Grube (rechts) Turow. © Visualisierung: DVP Solar

Mit seinen Daten ist Radgendorf in Mittelherwigsdorf schon jetzt Ortsteil der Extreme: Nur 117 der insgesamt 3.592 Einwohner (Stand: 4. Januar 2024) leben hier, von den 3.648,02 Hektar Gemeindefläche entfallen lediglich 162,88 auf Radgendorf. Damit ist es im Verbund der vier Dörfer - zu denen auch Eckartsberg und Oberseifersdorf gehören - der bevölkerungsärmste und zugleich kleinste Ortsteil. Mit einem anderen Extrem könnte Radgendorf jedoch die Spitze erobern: Wenn die Pläne eines Investors Wirklichkeit werden, gäbe es hier bald den größten Solarpark - in Mittelherwigsdorf sowieso, aber auch im südlichen Landkreis.

Die in Berlin ansässige DVP Solar GmbH, die zu einer spanischen Unternehmensgruppe gehört - ein nach eigenen Angaben "führender Projektentwickler für Fotovoltaikanlagen" - will bei Radgendorf einen 25 Hektar großen Solarpark errichten. Damit überträfe die Anlage noch einmal das Vorhaben der Leag, die auf dem früheren Kraftwerksgelände in Hirschfelde an der Neiße eine Fläche von 19 Hektar mit Paneelen ausstatten will.

Nach Angaben von Lars Niebel, dem Head of Aquisition - also Marketingchef - des Unternehmens, soll die installierte Leistung 23,15 Megawatt betragen - 3,15 mehr als bei dem Hirschfelder Projekt. Damit ließen sich je nach Verbrauch zwischen 5.000 und 7.000 Haushalte mit Strom versorgen. Zum Vergleich: Die weltweit insgesamt von DVP Solar installierte Leistung beträgt 3 Gigawatt. Das entspricht nach Aussage des Managers der Leistung von mehr als zwei Atomkraftwerken.

Der Kontakt nach Mittelherwigsdorf war durch den Eigentümer der Flächen zustande gekommen. Mit dem Radgendorfer wurde ein 30-jähriger Pachtvertrag über insgesamt 27 Hektar vereinbart. Aktuell wird das Gelände noch von einem Landwirtschaftsbetrieb genutzt, dessen Vertrag jährlich verlängert werden muss. Bis Solarpaneelen installiert werden können, dürfte es noch eine Weile dauern, sodass hier wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren noch Feldfrüchte gedeihen.

Letztlich muss der Gemeinderat "grünes Licht" für das Projekt geben. Er allein sei Herr des Verfahrens, bestätigt Niebel. Die Räte haben sich mit Bürgermeister Markus Hallmann (FWV) darauf verständigt, parallel zur Kommunalwahl am 9. Juni die Radgendorfer Einwohner zu Befürwortung oder Ablehnung zu befragen - und dadurch ein Stimmungsbild der Bürger zu bekommen. Letztlich entscheiden will der Gemeinderat auf seiner letzten Sitzung in der aktuellen Zusammensetzung am 17. Juni.

Aus planerischer Sicht ist Lars Niebel optimistisch, dass das Projekt gelingen kann. Zwar befinde sich in südöstlicher Richtung ein Vogelschutzgebiet, westlich gebe es geschützte Biotope. Insgesamt aber spreche aus naturschutzfachlicher Sicht nichts gegen den Solarpark. Auch die Regionalplanung lege dem Vorhaben keine Hindernisse in den Weg. "Wir müssen natürlich begründen, warum es gerade diese Fläche sein soll."

Erneuerbare Energie beieinander: Im Vordergrund der geplante Solarpark bei Radgendorf, im Hintergrund der Windpark Oberseifersdorf/Eckartsberg.
Erneuerbare Energie beieinander: Im Vordergrund der geplante Solarpark bei Radgendorf, im Hintergrund der Windpark Oberseifersdorf/Eckartsberg. © Visualisierung: DVP Solar

Allerdings gibt es auch Schwierigkeiten, die das Unternehmen beachten muss. So ist das Areal erosionsgefährdet. "Dem können wir entgegenwirken", erklärt Niebel. Zum Beispiel mit einem Grabensystem, um Wasser zurückzuhalten und geordnet abfließen zu lassen. Oder durch den Einsatz von speziellem Gras, das größere Wurzeln bildet. Dies verhindere den Bodenabtrag.

Die Erde rund um Radgendorf hat übrigens gute Qualität, ist für die landwirtschaftliche Nutzung also bestens geeignet. "Wenn der Gemeinderat oder die Genehmigungsbehörden deshalb Bedenken haben sollten, können wir auch auf 'Agri-PV' umschwenken", informiert der Marketingchef der Firma. Das bedeutet: Die Module werden in einem Reihenabstand von zehn Metern aufgebaut, auf einem erhöhten und beweglichen Gestänge errichtet und "laufen" der Sonne hinterher. Zwischen den Reihen kann die Fläche bewirtschaftet werden. "Schattentolerante Pflanzen eignen sich am besten, für sonnenliebende Gewächse wie Mais ist es eher schlecht", erläutert der Manager. Die Vorschrift dabei: Mindestens zwei Drittel des Vorertrages müssen geerntet werden.

Ein weiteres Problem ist die Ableitung des erzeugten Stromes. Weil die Aufnahmekapazitäten in der Nähe begrenzt und durch bestehende oder geplante Stromerzeuger im Raum Hirschfelde gebunden sind, hat SachsenNetze als zuständiger Netzbetreiber den nächstgelegenen Anschlusspunkt mit dem knapp 17 Kilometer entfernten Hagenwerder benannt und dem Investor diese Schnittstelle für eine bestimmte Zeit reserviert. Das bedeutet höhere Kosten für Bau und Betrieb der Verbindung bis zum Übergabepunkt. Schon deshalb muss der Solarpark die Größe von 25 Hektar haben.

Wenn das Projekt umgesetzt wird, könnte aber auch die Gemeinde profitieren. Gewerbesteuer wäre zwar erst nach Ende der Abschreibungen fällig. Sofort - und über die gesamte Laufzeit von 30 Jahren - gäbe es aber die laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) möglichen 0,2 Cent je eingespeister Kilowattstunde Strom. Das wären im Radgendorfer Fall hochgerechnet rund 50.000 Euro im Jahr. Ein weiterer Vorteil: vergünstigter Strombezug beim Verkauf durch den örtlichen Versorger. Würde dies zum Beispiel über die Stadtwerke Löbau laufen, bliebe der Preis 30 Jahre lang 30 Prozent unter dem üblichen Tarif. "Das würde für einen Haushalt eine jährliche Ersparnis von rund 500 Euro bedeuten", rechnet Lars Niebel vor.

Ob Vorteile wie bei den Finanzen oder Nachteile wie die Größe des Solarparks schwerer wiegen, müssen die nächsten Wochen zeigen. Beim Thema grüner Strom ist Mittelherwigsdorf mit seinen Ortsteilen schon jetzt gut aufgestellt. Immerhin gibt es zwei Windparks und eine Fotovoltaik-Freiflächenanlage. Der größte Solarpark im südlichen Landkreis Görlitz käme noch hinzu.