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Einbruch der Studentenzahlen - so will die Hochschule Zittau/Görlitz reagieren

Rektor Prof. Alexander Kratzsch will den Trend brechen. Und liebäugelt unter anderem mit der Ausbildung von Lehrern und der Wiederbelebung der Bauingenieur-Tradition.

Von Frank-Uwe Michel
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An der Hochschule Zittau/Görlitz - hier der Campus in Zittau - sollen nach jahrelangem Rückgang demnächst wieder 3.000 Menschen studieren.
An der Hochschule Zittau/Görlitz - hier der Campus in Zittau - sollen nach jahrelangem Rückgang demnächst wieder 3.000 Menschen studieren. © Hochschule Zittau/Görlitz

Im Wintersemester 2012 waren es noch 3.342 junge Leute, die an den beiden Standorten der Hochschule Zittau/Görlitz studierten. Zehn Jahre später lag die Zahl nur noch bei 2.524 Studenten - ein Rückgang auf 75,5 Prozent des Ausgangsniveaus. Um rund ein Viertel hat die Anzahl der Studierenden also abgenommen - eine Entwicklung, die Professor Alexander Kratzsch vor allem mit der Demografie begründet. Er sieht seine Einrichtung in Sachsen aber nicht allein mit dem Problem konfrontiert. "Mit Ausnahme von Leipzig haben alle Hochschulen im Freistaat mehr oder weniger stark mit rückläufigen Anmeldungszahlen zu kämpfen." Leipzig sei "Boom-Town", der Magnet schlechthin in Mitteldeutschland. Dort gebe es jedes Jahr Zuzug - ganz anders als in Ostsachsen.

Natürlich hinterfrage man sich auch, ob die angebotenen Studiengänge zeitgemäß seien und verändert oder gar ausgetauscht werden müssten. Allerdings müsse sich die Hochschule auch ihrem Auftrag stellen. Auf neue, ganz anders gelagerte Trends könne man nicht ohne Weiteres aufspringen. "Wir sind Regionalversorger, sollen den hier ansässigen Unternehmen den benötigten akademischen Nachwuchs zur Verfügung stellen." Unter diesem Aspekt behalte man die in Ostsachsen ansässige Industrie im Auge. "Gebraucht werden nun einmal hauptsächlich Automatisierungstechniker und Maschinenbauer", weiß der Rektor.

Dabei unterliege das Interesse an den einzelnen Studiengängen Zyklen. "Die Erfahrung lehrt, dass sich nach etwa 25 Jahren alles wiederholt." So habe es im Bereich Mechatronik/Automatisierung früher nur begrenzt Interessenten gegeben. "Inzwischen ist das eine unserer stärksten Richtungen. Aber es wird sicherlich auch wieder Flauten geben." Noch immer hadert Kratzsch mit der 2012 getroffenen Entscheidung, im Dreiländereck keine Bauingenieure mehr auszubilden. Aus heutiger Sicht sei das ein Fehler gewesen, der möglichst korrigiert werden soll.

Mit einer breiten Palette von Aktionen will die Hochschule Zittau/Görlitz wieder mehr Studenten in die beiden Grenzstädte locken. Ein erster Schritt sei getan, betont Kratzsch. "In diesem Jahr hatten wir 18 Prozent mehr Immatrikulationen als 2022." Ziel sei es, dass sich die Anzahl perspektivisch bei 3.000 Studenten einpegelt. Dieses Ziel ist schon seit vielen Jahren mit dem Freistaat vereinbart.

Der größte Pool, aus dem die Hochschule verstärkt schöpfen will, sind die Jugendlichen im Einzugsgebiet. "Es muss in die Köpfe der jungen Menschen rein: Niemand muss mehr weggehen, wenn er etwas werden will. Die Region bietet alle Chancen. Und unsere Einrichtung gehört an vorderster Stelle mit dazu", erklärt Kratzsch. Mit Unterstützung von fünf Millionen Euro aus Mitteln der Parteien und Massenorganisationen der früheren DDR läuft seit 2020 das Projekt "Zukunftslernort Oberlausitz" - auf mehreren Ebenen.

Rektor Prof. Alexander Kratzsch ist optimistisch, dass die gestarteten Aktionen den erhofften Zuspruch für die Hochschule bringen.
Rektor Prof. Alexander Kratzsch ist optimistisch, dass die gestarteten Aktionen den erhofften Zuspruch für die Hochschule bringen. © Hochschule Zittau/Görlitz

So sollen zum Beispiel die Campi an Mandau und Neiße erweitert werden: in Zittau mit einem grünen Klassenzimmer, in Görlitz mit einem Makerspace zu Robotik in Kooperation mit den Sozialwissenschaften. In Zittau entsteht in den Mandauhöfen zudem eine Junior-Akademie. 2025 sollen dort Labore eröffnet werden, die sich an den speziellen Bedürfnissen von Schülern und Lehrern orientieren.

Spektakulär dürfte auch das schon bestellte "HSZG-Mobil" werden. "Das ist ein Zugfahrzeug mit einem riesigen Wohnanhänger, wie man es aus amerikanischen Filmen kennt", erklärt Kratzsch. Alles vollgestopft mit Experimenten. "Damit fahren wir zu den jungen Leuten hin und können sie von der Wissenschaft begeistern", ist er überzeugt, dass sich die Investition rentiert. Überdies sei in Görlitz ein Experimentierhaus mit dem Casus-Institut und dem neuen Großforschungszentrum geplant. "All diese Aktionen sollen 2025 richtig ins Laufen kommen."

Mehr Studenten verspricht sich der Rektor auch durch einen neuen Lehramtsstudiengang, der in Kooperation mit der Universität Leipzig 2025 in Zittau und Görlitz starten soll. Ausgebildet werden dann Lehrkräfte für Oberschulen mit einem sonderpädagogischen Anteil. Zudem sei man verstärkt im Ausland aktiv, so Kratzsch. In Polen habe die Hochschule schon seit rund eineinhalb Jahren ihre Werbung an deutschsprachigen Schulen intensiviert, in Tschechien soll dieser Schritt in Kürze folgen.

Übrigens ändern die rückläufigen Studentenzahlen der vergangenen Jahre nichts an den zu erwartenden Bauvorhaben. "Für bestimmte Häuser - vor allem im Zittauer Armeegelände - müssen in Innenstadtnähe ganz einfach Ersatzneubauten her. Sie werden einer Kapazität von 3.000 Studenten angepasst", blickt Kratzsch voraus. Mit der Verwirklichung rechnet er in den nächsten fünf bis acht Jahren. Aktuell seien die Bedarfsanmeldungen durch, danach beginne die Detailplanung.