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Waschbär-Alarm im Landkreis Görlitz

Waschbären durchwühlen Mülltonnen und dringen in Häuser ein. Über 9.000 sind seit 2015 geschossen worden. Wie man sie los wird.

Von Jan Lange & Miriam Schönbach
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Waschbären im Zittauer Tierpark.
Waschbären im Zittauer Tierpark. © Matthias Weber/photoweber.de

Sie durchwühlen Mülltonnen und Komposthaufen, verschaffen sich über die kleinsten Löcher Zutritt zu Häusern, räubern Kirschbäume ab - vor Waschbären ist nichts sicher. Und der nachtaktive Allesfresser hinterlässt dabei erhebliche Schäden. Auch in Oelsa bei Löbau. Hier hatte das Pelz-Tier vor einiger Zeit die Anwohner der Seltenrein geärgert.

Sie hätten es als Plage empfunden, sagt eine Anwohnerin. In der Folge musste alles, was attraktiv für die Waschbären war, gesichert werden: Auf der Biotonne lag eine Gehwegplatte, Essensreste wanderten nur in den Biomüll, nicht auf den Komposthaufen. Auch Wildkameras hatten Anwohner angebracht.

Und mancher kam gar auf die Idee, den "Problembär" zu fangen und wegzuschaffen. Aber nicht in den Tierpark - so wie in Bischofswerda, wo wiederholt Leute mit gefangenen Waschbären am Eingang des Tierparks stehen. Sie glauben, dass ihre Findlinge bei den Artgenossen im Gehege ein neues Zuhause finden könnten.

Im Tierpark Zittau ist das zum Glück noch nicht vorgekommen. "Die Leute haben immer angerufen", berichtet Direktor Andreas Stegemann. Er muss dann energisch ablehnen: Der Tierpark darf keine wilden Waschbären aufnehmen. Die EU hat schon 2014 die Haltung und Zucht von Waschbären, die zu den invasiven Tierarten gehören, verboten.

Bestand ist ausreichend

Dennoch leben im Tierpark Zittau drei Waschbär-Männchen und ein Weibchen. "Sie sind eine attraktive Tierart", findet Stegemann. Die Besucher bleiben am Gehege stehen, weil immer was los ist. Fast hätte der Zittauer Tierpark diese Attraktion verloren - vor einigen Jahren war der letzte damals im Gehege lebende Waschbär gestorben. Da das Gehege vorhanden war, wollte man weiter Waschbären halten. Einige Monate später bot ein anderer Zoo welche an. Zittaus Tierpark erhielt eine Ausnahmegenehmigung für die Haltung - unter der Bedingung, dass sich die Waschbären nicht fortpflanzen können.

Mit den derzeit vier Waschbären sei das Gehege gut belegt, meint der Tierpark-Direktor. Eine Erweiterung des Bestandes hält Andreas Stegemann für nicht notwendig. Schon gar nicht um ein wildes Tier. Der Tierpark fange auch keine frei lebenden Waschbären ein, wenn diese gesichtet werden. Dafür ist der Landkreis der erste Ansprechpartner. Neben Geräuschen auf dem Dachboden und umgestürzten Mülltonnen werden auch Schäden an Hausfassaden regelmäßig bei der Unteren Jagdbehörde gemeldet.

Dem Amt wurden in den Jagdjahren 2015/16 bis 2021/22 für den Kreis Görlitz 9.071 getötete Waschbären gemeldet. Im Kreis Bautzen waren es in dem Zeitraum mit 17.664 erlegten Waschbären fast doppelt so viele. Diese Zahlen bedeuten aber nicht, dass es deutlich weniger Waschbären im Kreis Görlitz gibt. Laut den Daten der Jagdbehörde kommen Waschbären zwischen Oybin und Bad Muskau flächendeckend vor.

"Die Auswertung der Streckendaten des Sächsischen Wildmonitorings zeigt, dass sich Waschbären in der Nähe von Wasserflächen besonders wohlfühlen. Die höchsten Streckendaten werden regelmäßig im Bereich des Biosphärenreservates, aber auch in den Teichgebieten um Petershain und Quolsdorf/Niederspree sowie Daubitz und Rietschen gemeldet", teilt Kreissprecherin Julia Bjar mit. Zum Problem werden Waschbären laut Bjar zunehmend rund um Görlitz, Löbau und Zittau.

Möchte man den unliebsamen Untermieter loswerden, darf man in bebauten und bewohnten Gebiete sowie Kleingärten, Sportplätze und Friedhöfen Waschbären mit einer Lebendfalle fangen. Die Fallensteller sind verpflichtet, zweimal täglich nach dem Rechten zu schauen, denn auch für andere Tiere, wie Katzen, kann der Hinterhalt zum Problem werden. Die gefangenen Tiere in der freien Natur aussetzen ist verboten. Sie müssen getötet werden - und das nur von ausgewiesenen Jägern.

Die Jäger bejagen ihn ganzjährig mit einer Einschränkung: Elterntiere dürfen zwischen 1. März und 15. Juni nicht geschossen werden. Das wäre eine Straftat.

Aus Nordamerika eingeschifft

Um sie gar nicht erst anzulocken, sollte man potenzielle Nahrungsquellen und Unterschlupfmöglichkeiten reduzieren beziehungsweise verschließen. "Dazu gehört, in regelmäßigen Abständen Hausdächer auf Schwachstellen zu kontrollieren und Äste von Bäumen in Hausnähe einzukürzen", heißt es vonseiten des Landratsamtes.

Die Waschbären sind nachtaktive Tiere, die Einwanderer haben neben dem Menschen kaum Feinde oder Konkurrenten in Deutschland.
Die Waschbären sind nachtaktive Tiere, die Einwanderer haben neben dem Menschen kaum Feinde oder Konkurrenten in Deutschland. © Tino Plunert

Sicher machen Waschbären viel Schaden - dennoch will Andreas Stegemann eine Lanze für sie brechen. Waschbären kamen nicht aus freien Stücken in heimische Gegenden. Die mit ihnen aufkommenden Probleme seien menschengemacht, findet der Tierpark-Chef.

Die ersten zwei Waschbär-Paare, eingeschifft aus Nordamerika, sollen 1934 in der Nähe Kassels zur Bereicherung der heimischen Fauna ausgesetzt worden sein. Zehn Jahre später schlug eine Bombe in eine Pelztierfarm bei Berlin ein, etwa 50 Tiere entkamen.

Nach Schätzungen fühlen sich rund eine halbe Million hierzulande heimisch. Der Deutsche Jagdschutz-Verband sieht eine explosionsartige Vermehrung der Population.

Dass sie sich auch im Kreis stark vermehren, merkt Stegemann an den zunehmenden Meldungen von Waschbär-Sichtungen. In Oelsa gab es dagegen zuletzt keine Probleme mehr. Die Gründe dafür sind nur Vermutungen. So führt die Seltenrein aufgrund der wiederholten Trockenjahre nur noch wenig Wasser. Wenn die Lebensbedingungen nicht mehr so optimal sind, suchen sich Waschbären auch andere Orte.

Auch ein natürlicher Feind könnte dafür gesorgt haben, dass die Waschbären ihr Revier wechselten: der Wolf. Oelsa ist nur zehn Kilometer vom Wolfsrevier in Cunewalde entfernt. Unabhängig davon sind die Oelsaer wachsamer geworden - und bieten Waschbären keinen Grund mehr, sich hier wohlzufühlen. Auch wenn der Waschbär-Ärger abgenommen hat, die Oelsaer bleiben vorsichtig.

Kontakt zur Unteren Jagdbehörde unter 03581 663-5111 (Außenstelle Zittau) oder 03581 663-5118 (Außenstelle Niesky)