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Waschbär-Alarm: Was hilft gegen den nachtaktiven Räuber?

Waschbären durchwühlen Mülltonnen und dringen in Häuser ein. Immer öfter werden deshalb Fallen aufgestellt. Was dabei zu beachten ist.

Von Miriam Schönbach
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Im Tierpark in Bischofswerda beobachten Besucher gern die Waschbären. Im Freien sind die nachtaktiven Tiere oft nicht gern gesehen.
Im Tierpark in Bischofswerda beobachten Besucher gern die Waschbären. Im Freien sind die nachtaktiven Tiere oft nicht gern gesehen. © SZ/Uwe Soeder

Bischofswerda/Kamenz. Tierparkleiterin Silvia Berger schüttelt energisch den Kopf. „Wildtiere gehören nicht in den Zoo. Wir können sie nicht aufnehmen“, sagt sie – und zwar mit gutem Grund. Immer wieder stehen am Eingang des Bischofswerdaer Tierparks in diesen Tagen Leute mit gefangenen Waschbären - in dem Glauben, dass ihre Findlinge bei den Artgenossen im Gehege ein neues Zuhause finden könnten.

Doch nicht nur im Schiebocker Tierpark häufen sich Anfragen zu den Pelz-Tieren, auch beim Kreisordnungsamt klingelt fast täglich das Telefon mit der Frage: Was tun mit einem gefangenen Waschbären?

Im Dienstzimmer von Ordnungsamtschef René Burk liegen die jüngsten Zahlen zur Entwicklung der Waschbär-Population auf dem Tisch. Die Kurve der erlegten Tiere führt in den vergangenen fünf Jahren fast stetig nach oben. „Im Jahr 2015/16 haben wir 1.916 Tiere in der Statistik, 2021/22 sind es 2.912“, sagt René Burk. 2019/20 wurden sogar 3.096 Tiere zur Strecke gebracht.

© SZ Grafik

Der Ursprung ihrer Ausbreitung liegt höchstwahrscheinlich 90 Jahre zurück. Die ersten zwei Waschbär-Paare, eingeschifft aus Nordamerika, sollen 1934 in der Nähe Kassels zur Bereicherung der heimischen Fauna ausgesetzt worden sein. Zehn Jahre später schlug eine Bombe in eine Pelztierfarm bei Berlin ein, etwa 50 Tiere entkamen.

Jagdschutzverband sieht explosionsartige Vermehrung

Das sind nur zwei Geschichten über die Ankunft des Waschbärs in Deutschland, inzwischen sind besonders viele Fälle aus dem Osten Deutschlands und aus Hessen bekannt. So gilt Kassel als eine Hochburg. „Wir kennen Bilder, da schaut ein Waschbär aus einem Kamin heraus“, sagt René Burk.

Nach Schätzungen fühlt sich rund eine halbe Million der Einwanderer in Deutschland heimisch. Gesicherte Zahlen aber gibt es laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nicht. Der Deutsche Jagdschutz-Verband sieht dagegen eine explosionsartige Vermehrung der Population.

Kasseler Verhältnisse sind im Landkreis Bautzen noch fern. Doch auch Burk und sein Mitarbeiter Thomas Sonntag, Sachbearbeiter bei der Unteren Jagdbehörde im Ordnungsamt, sehen eine Ausbreitung der invasiven Art. Es gibt flächendeckend Meldungen aus allen Gemeinden im Landkreis. Seit Mitte der 2000er-Jahre sei eine immer stärkere Nachfrage zum Umgang mit den gefräßigen Eindringlingen spürbar. Mit gefangenen Tiere stand allerdings noch niemand in der Behörde in Kamenz.

Waschbären werden ganzjährig bejagt - mit einer Ausnahme

Im Tierpark in Bischofswerda dösen dagegen die vier hauseigenen Waschbären mit der Ganovenmaske – zwei Mädels und zwei kastrierte Jungs – in der Nachmittagssonne. Die Anlage ist mit Strom gesichert, ein Ausbruch unmöglich – und Futter gibt es nach Tagesplan. In die Jahre gekommen, ist das Quartett kaum noch zu Schabernack bereit.

„Sie krabbeln nur noch selten auf den Baum hier“, sagt Silvia Berger und schwärmt von der Intelligenz der geselligen, schlauen und pflegeleichten Tiere. Denn ihnen ist kein Dachboden zu hoch, den Mülltonnen-Deckel zu öffnen, ist ein Klacks – und auch bei den derzeit reifen Süßkirschen laden sie sich gern zum Besuch ein.

Die Waschbären sind nachtaktive Tiere, die Einwanderer haben neben dem Menschen kaum Feinde oder Konkurrenten in Deutschland.
Die Waschbären sind nachtaktive Tiere, die Einwanderer haben neben dem Menschen kaum Feinde oder Konkurrenten in Deutschland. © Tino Plunert

Aus Sicht seiner Gegner hinterlässt der Waschbär jedoch erhebliche Schäden. Der nachtaktive Allesfresser, der weder Ansprüche an Lebensraum noch an Nahrung hat, räumt gern Vogelnester leer und setzt so dem Niederwildbestand zu. René Burk bezeichnet ihn als „Liederjan“, weil er – im wahrsten Sinne des Wortes – mit Fingerspitzengefühl Komposthaufen und Mülltonnen durchwühlt und sich über die kleinsten Löcher Zutritt zu Häusern verschafft. Seine Ausbreitung ist auch möglich, weil er neben dem Menschen kaum Feinde oder Konkurrenten hat. Die derzeit vielen Sichtungen haben aber auch mit der Neugier des Waschbär-Nachwuchses zu tun.

René Burk und Silvia Berger sind sich einig. „Mit dem Waschbären müssen wir uns arrangieren.“ Anders als die Tierparkleiterin ist der Landkreis in Sachen „Problembär“ der erste Ansprechpartner. Denn der Eindringling mit teils ungebändigtem Hunger unterliegt dem Jagdrecht, das in der Zuständigkeit der Kreisverwaltung liegt. Die Jäger bejagen ihn ganzjährig, mit einer Einschränkung: Elterntiere dürfen zwischen 1. März und 15. Juni nicht geschossen werden. Das wäre eine Straftat.

René Burk ist Leiter des Kreisordnungsamtes. Das ist auch erster Ansprechpartner bei Problemen mit Waschbären.
René Burk ist Leiter des Kreisordnungsamtes. Das ist auch erster Ansprechpartner bei Problemen mit Waschbären. © Steffen Unger

Doch was lässt sich nun tun, damit der Waschbär gar nicht erst in Haus oder Garten einzieht? Thomas Sonntag rät, es den Tieren „so ungemütlich wie möglich“ zu machen. Essensreste sollten nicht auf den Kompost geworfen und Mülltonnen gut verschlossen werden. Möglich ist nach Jagdgesetz und nach Absprache mit einem Jäger auch das Aufstellen einer Lebendfalle – allerdings nur auf dem eigenen, mit Zaun oder Hecke befriedeten Grundstück und nicht irgendwo in der Landschaft.

Da Waschbären Naschkatzen sind, sollen sich zum Anlocken besonders gut Nussnougatcreme und Gummibärchen eignen. Die Fallensteller sind jedoch verpflichtet, zweimal täglich nach dem Rechten zu schauen, denn auch für andere Tiere, wie Katzen, kann der Hinterhalt zum Problem werden. Das hat jüngst ein Fall des Tierschutzvereins Bischofswerda aus Rammenau gezeigt, wo eine eingesperrte Katze völlig dehydriert in einer Falle gefunden wurde.

Einen gefangenen Waschbären darf ein Grundstücksbesitzer nur selbst töten, wenn er einen gültigen Jagdschein hat, sonst muss er einen Jäger um Hilfe bitten. Verboten ist, die Tiere anderenorts wieder auszusetzen oder gar in den Tierpark zu bringen. „Wir haben nicht die Möglichkeit der Aufnahme und wissen auch nicht, ob die Findlinge Krankheiten mitbringen“, sagt Silvia Berger.

Allerdings dämpft René Burk auch die Erwartungen an einen höheren Jagddruck. „Die verbliebenen Tiere gleichen das durch mehr Nachkommen aus“, sagt er. Heißt: Je mehr Waschbären getötet werden, desto mehr Jungtiere kommen nach.

Kontakt zur Unteren Jagdbehörde unter 03591 5251-32115 und [email protected]