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Wird Zittau-Ost ein Industriegebiet?

Eigentlich sollte das Wohngebiet abgerissen und eine Flussaue werden. Nun überlegt die Stadt, ob sich die Fläche für Firmen eignet. Wovon das abhängt.

Von Thomas Mielke
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Die Flächen im Süden des Viadukts inklusive des Wohngebiets und nördlich bis zur Chopinstraße inklusive Klärwerk und Schlachthof könnten Gewerbe- oder Industriegebiet werden.
Die Flächen im Süden des Viadukts inklusive des Wohngebiets und nördlich bis zur Chopinstraße inklusive Klärwerk und Schlachthof könnten Gewerbe- oder Industriegebiet werden. © Matthias Weber/photoweber.de

Bis 2035 soll das Wohnquartier Zittau-Ost abgerissen und renaturiert sein. Zurück zur Flussaue heißt es seit vielen Jahren sinngemäß im Stadtentwicklungskonzept. Doch nun könnte alles anders kommen. Zittau will prüfen, ob sich die Flächen im Süden des Viadukts inklusive des Wohngebiets und nördlich bis zur Chopinstraße inklusive Klärwerk und Schlachthof als Gewerbe- oder Industriegebiet eignen. Der Stadtrat ist am Donnerstagabend darüber informiert worden.

Der Grund für den Strategiewechsel: Zittau hat - wie fast alle Städte und Gemeinden im Landkreis - zu wenige Plätze für Neuansiedlungen von großen Firmen. "Wir haben im Monat so ein bis zwei Anfragen nach größeren Flächen", sagt Zittaus Wirtschaftsförderin Gloria Heymann. Die insgesamt sieben Gewerbe- und Industriegebiete sind aber bereits zu 83 Prozent ausgelastet. Auch wenn es zum Beispiel in der Weinau noch so aussieht als wäre eine Menge Platz: Die meiste grüne Wiese ist bereits - meist als mögliche Erweiterungsfläche - an Firmen verkauft.

Ursprünglich wollte Zittau das ehemalige Kraftwerksgelände in Hirschfelde als weiteres Industrie- und Gewerbegebiet ausbauen. Doch nach mehreren Jahren Untersuchungen war spätestens 2017 klar, dass daraus nichts wird. Der Hochwasserschutz, Altlastenflächen, die fehlende Kooperation von Grundstückseigentümern und weitere Gründe brachten die Idee zum Platzen. Gloria Heymann ist froh, dass wenigstens fit und die anderen ansässigen Firmen die Möglichkeit bekommen haben, sich zu erweitern. Bevor das Kraftwerksgelände 2012 in den Blick rückte, hat die Stadtverwaltung auch andere Flächen geprüft. Gegen das ehemalige Armeegebiet im Süden der Stadt zum Beispiel spricht unter anderem, dass das Industriegebiet in der Nähe des Schutzgebietes Eichgrabener Teiche und zwischen Wohnbebauung und dem Erholungsgebiet Zittauer Gebirge entstehen würde. Die Erweiterung des Industrie- und Gewerbegebietes Weinau scheitert laut der damaligen Aussagen von Ex-Bürgermeister Michael Hiltscher (CDU) am Altbergbau. Das Gebiet in Zittau-Ost an der Neiße ist dagegen die größte zusammenhängende Fläche, die sich möglicherweise eignet.

58 Hektar ist das Gebiet groß, das nun unter die Lupe genommen wird. Sollte sich das ganze Gelände eignen, würde die Stadt ihre Fläche für Gewerbe und Industrie um ein Drittel vergrößern. Gloria Heymann geht aber nicht davon aus, dass es so kommt. Vermutlich eignen sich nicht alle Flächen. Und es steht die Frage im Raum, ob die Stadt wirklich das ganze Gelände nutzen will. Wohin sollen zum Beispiel Rummel und Zirkus vom Festplatz an der Brückenstraße umziehen? Auch ist unklar, ob die Gartensparte langfristig Bestand hat. Außerdem gehören der Stadt nur etwa 50 Prozent der Flächen. Die anderen Großeigentümer wie Wohnungsgenossenschaft und Wohnbaugesellschaft sitzen laut der Wirtschaftsförderin bereits mit im Boot. Besitzer kleiner Flächen aber noch nicht. Trotzdem hat die Stadt die Planungshoheit. "Wir haben den Auftrag, die Stadt zu entwickeln", sagt Gloria Heymann.

Die Studie soll nicht nur zeigen, ob sich das Gelände prinzipiell eignet. Überflutungen werden zum Beispiel eine Rolle spielen. "Die Hydrologie wird natürlich ein Schwerpunkt sein", sagt Gloria Heymann. Schließlich war das Wasser beim Jahrtausendhochwasser 2010 über die Deiche nach Zittau-Ost geschwappt. Aktuell ist das Gebiet nicht als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen. Selbst wenn Zittau-Ost verschwunden ist, können die Deiche nicht einfach abgetragen werden, um Überschwemmungsflächen zu schaffen. Infrastruktur wie zum Beispiel das Klärwerk an der Chopinstraße muss weiterhin geschützt werden. Darüber hinaus stehen unter anderem der Baugrund, möglicher Lärm oder der Ausstoß von Schadstoff im Fokus der Untersuchung.

Die Wirtschaftsförderin betont, dass das Gebiet vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Maßnahmen dagegen ein nachhaltiges werden würde. Nicht nur aus den offensichtlichen Gründen. Viele Kunden würden inzwischen von Herstellerfirmen Standorte in solchen Gebieten fordern, sagt Gloria Heymann. "Das könnte ein echter Standortvorteil sein."

Trotzdem haben Matthias Böhm (Grüne) und Winfried Bruns (Linke) im Stadtrat Bedenken angemeldet. "Ich sehe das als Marsch in die völlig falsche Richtung an", so Böhm. Ihm wäre der Umwelt wegen lieber, wenn es bei der skizzierten Entwicklung hin zur Flussaue bleibt.

Etwa ein Jahr wird es dauern, bis das wahrscheinlich um die 100.000 Euro teure Papier vorliegt. Dann steht fest, ob sich das Areal als Gewerbe oder gar als Industriegebiet - in dem höhere Emissionen erlaubt sind - eignet. Dann ist der Stadtrat am Zug. Will er diese Entwicklung, muss er einen Bebauungsplan aufstellen, an dem dann auch offiziell die bereits jetzt informierten Nachbarn in Polen und Tschechien eingebunden werden. Frühestens 2024 könnte die Erschließung des Gebietes starten. Sehr wahrscheinlich beginnend von der Chopinstraße und Schritt für Schritt - denn Zittau-Ost ist bis dahin noch nicht verschwunden.