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Gewaltausbrüche rund um rechtsextremen Aufmarsch

Der rechtsextreme "III. Weg" demonstriert in Zwickau. Gegendemonstranten wurden schon auf dem Weg dorthin attackiert. Bei der Abreise gab es Schwerverletzte.

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Anhänger des rechtsextremen "III. Wegs" am Sonntag auf ihrem Marsch durch Zwickau. Bei An- und Abreise zu der Demonstration kam es zu gewalttätigen Vorfällen.
Anhänger des rechtsextremen "III. Wegs" am Sonntag auf ihrem Marsch durch Zwickau. Bei An- und Abreise zu der Demonstration kam es zu gewalttätigen Vorfällen. © dpa/Sebastian Willnow

Zwickau/Chemnitz. Nach Gewalt rund um einen rechtsextremen Aufmarsch in Zwickau am 1. Mai gehen die Ermittlungen der Polizei am Montag weiter. Die Landes- und Bundespolizei stellten ihre akuten Fahndungen am Sonntag zunächst erfolglos ein.

Die Einsatzkräfte hatten am Abend nach sechs bis zehn Personen aus dem mutmaßlich linken Spektrum gesucht, die vier Menschen aus dem rechten Lager am Bahnhof in Crimmitschau angegriffen und teils schwer verletzt haben sollen. Die Verletzten waren demnach auf der Rückreise von der Kundgebung der rechtsextremen Splitterpartei "Der III. Weg" in Zwickau.

Nach aktuellem Stand der Untersuchungen seien die vier Personen aus dem rechten Lager mit der Bahn aus Zwickau in Crimmitschau angekommen und dort beim Verlassen des Bahnsteigs durch eine Unterführung gegangen. Dort sollen sie laut Zeugen-Aussagen mit Schlagwerkzeugen attackiert worden sein. Am Bahnhof waren am Abend noch Blutflecken zu sehen. Die angegriffenen Personen seien ansprechbar gewesen, hätten jedoch Hand- und Kopfverletzungen erlitten, sagte der Sprecher. Alle vier seien in Krankenhäuser gebracht worden.

Es war nicht der erste Vorfall an diesem 1. Mai: Auf dem Hinweg hatten Anhänger des "III. Wegs" am Bahnhof in Glauchau Steine auf einen Zug geworfen, in dem Demonstranten aus dem linken Lager saßen. Diese waren auf dem Weg zu Gegenprotesten in Zwickau. 37 Personen aus dem rechten Lager seien in polizeilichen Gewahrsam genommen worden. Zwei Personen erlitten demnach leichte und eine Person schwere Verletzungen. Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Körperverletzung.

Ein Angreifer in Glauchau hatte den Hitlergruß gezeigt, ein weiterer trug einen Gürtel mit einem Hakenkreuz, wie ein Sprecher am späten Nachmittag sagte. Der Bahnhof war nach Angaben der Bundespolizei für gut 40 Minuten gesperrt.

Dass die rechtsextreme Szene in Sachsen mit ihren Demonstrationen immer wieder die gleichen teils gewaltbereiten Teilnehmer anlockt, ist längst kein Geheimnis mehr. Und so dürfte es auch wenig verwundern, dass sich unter den Angreifern auf den Zug auch mindestens ein polizeibekannter NPD-Kader befindet, der sich mittlerweile auch bei den ebenfalls rechtsextremen "Freien Sachsen" engagiert. Auch bei der Demonstration in Zwickau tauchten später einige nicht unbekannte Gesichter aus den diversen rechtsextremen Gruppen in Sachsen auf.

Laut Angaben der Bundespolizei in Pirna hatte es auch am Hauptbahnhof in Chemnitz Flaschenwürfe gegeben. Demonstranten, die unterwegs zu der Kundgebung des "III. Weges" gewesen seien, hätten in einen Zug einsteigen wollen. Die Polizei habe sie aber zurückgehalten, weil der Zug bereits mit Gegendemonstranten besetzt gewesen sei.

Auf Twitter gab es Kritik am Einsatz der Polizei, die aus Sicht mancher Nutzer nicht genug Präsenz an den Bahnhöfen zeigte. Der frühere Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek kommentierte ironisch, dass es ein gelungener Einstand für Sachsens neuen Innenminister Armin Schuster (CDU) gewesen sei.

Aus dem Innenministerium hieß es später, dass die Polizei in Zwickau die Lage "zu jeder Zeit" im Griff gehabt habe.

Mehr als 200 rechte Demoteilnehmer

Schon seit Monaten hatte "Der III. Weg" zu seinem Zwickauer Aufzug am Sonntag mobilisiert - mit mäßigem Zuspruch. Denn die Partei warb auch überregional für die Demonstration, am frühen Nachmittag schätzte eine Sprecherin der Polizei vor Ort die Teilnehmerzahl schließlich auf rund 220.

Zu Beginn wurden die Auflagen der Versammlungsbehörde verlesen. Zu diesen gehörte unter anderem, dass die Teilnehmer nicht im Gleichschritt marschieren dürfen. Damit sollte ein paramilitärisches Auftreten verhindert werden.

Polizisten begleiten Teilnehmer der rechtsextremen Demo.
Polizisten begleiten Teilnehmer der rechtsextremen Demo. © dpa/Sebastian Willnow

Unwidersprochen blieb der Aufmarsch der Rechtsextremen in Zwickau jedenfalls nicht, denn auch zahlreiche Gegendemonstranten waren in der Stadt. Diese störten die Route des der Neonazis mit Sitzblockaden. Der Demonstrationszug wurde daraufhin immer wieder von der Polizei umgeleitet. An einer Kundgebung unter dem Motto "Faschismus, Krieg und Krise: Schuld ist das System" nahmen laut Angaben der Veranstalter rund 750 Menschen teil. Sie hätten die Rechtsextremen zwar nicht aufhalten können, dennoch sei es eine "starke Demo mit guter Stimmung" gewesen, sagte Aaron Körnich aus dem Organisationsteam.

Menschen halten am Rand der Neonazi-Demo ein Protestbanner mit der Aufschrift "Wer die Vergangenheit liebt, hat keine Zukunft!"
Menschen halten am Rand der Neonazi-Demo ein Protestbanner mit der Aufschrift "Wer die Vergangenheit liebt, hat keine Zukunft!" © dpa/Sebastian Willnow

Auf dem Hauptmarkt lud am Nachmittag noch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu einem Familienfest. Mehrere Gewerkschaften stellten sich an Ständen vor. "Es ist gut, dass es hier eine bunte Ecke in Zwickau gibt", sagte Claudia Drescher von der Gewerkschaft IG Metall.

In einem ersten Fazit der Polizei blieb das Geschehen aus Sicht der Beamten weitgehend friedlich. Es seien keine größeren Straftaten registriert worden, sagte ein Polizeisprecher am Nachmittag.

Justizministerin verurteilt Angriff auf Zug

Sachsens Justizministerin Katja Meier hat indes den Angriff der Rechtsextremen auf die Gegendemonstranten verurteilt. Der 1. Mai stehe für Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt, schrieb die Grünen-Politikerin am Sonntagmittag beim Kurznachrichtendienst Twitter. Gerade aktuell, mit Corona, dem Ukraine-Krieg und der Klimakrise, seien diese Ziele umso wichtiger. Es sei nicht zu tolerieren, dass friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten gewalttätig angegriffen würden.

Zuvor hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Menschen zur Teilnahme an Kundgebungen für ein weltoffenes Sachsen aufgefordert. "Überlassen wir unsere Heimat nicht den Extremisten. Besuchen Sie zum 1. Mai die vielen Veranstaltungen, die für ein liebens- & lebenswertes Zwickau und Sachsen stehen", schrieb der Politiker am Sonntagmittag beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Tausende bei Mai-Kundgebungen

Nicht nur in Zwickau gab es am 1. Mai Veranstaltungen, anderenorts versammelten sich Tausende bei den traditionellen Kundgebungen. Der DGB zählte bei seinen sachsenweit 16 Veranstaltungen insgesamt 15.000 Teilnehmer. Die Gewerkschafter forderten mehr Zukunftsinvestitionen in Sachsen.

"Wer jetzt zögert und taktiert und zu guter Letzt auch noch wegen des dogmatischen Festhaltens an der schwarzen Null und der unflexiblen Schuldenbremse den Rotstift ansetzt, verspielt die Zukunft Sachsens", sagte der sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach bei einer Maikundgebung in Chemnitz. Auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine müssten die Auseinandersetzungen um bessere Arbeitsbedingungen, mehr Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit geführt werden. (SZ/mja, dpa)