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Die stillen Helden vom Altenberger Eiskanal

Alle reden über Rekordweltmeister Francesco Friedrich. Ohne diese drei wären seine Erfolge bei der WM in Altenberg unmöglich.

Von Tino Meyer
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Drei Männer, ohne deren Arbeit eine erfolgreiche WM nicht möglich ist: Hygienebeauftragter Marc Bodis, Bobbauer Enrico Zinn und Eismeister Ralf Mende (von links).
Drei Männer, ohne deren Arbeit eine erfolgreiche WM nicht möglich ist: Hygienebeauftragter Marc Bodis, Bobbauer Enrico Zinn und Eismeister Ralf Mende (von links). © Egbert Kamprath (2), FP/Michael

Altenberg. Er macht auch diesmal nicht viele Worte. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Francesco Friedrich. Das muss reichen nach seiner Siegesfahrt mit dem Viererbob in Altenberg, die ihm den elften WM-Titel beschert. Der 30-Jährige genießt kurz und still. Ein Satz über das, was war, ist alles. Und dann schaut der unermüdliche Rekordweltmeister gleich selbstverständlich voraus auf das, was kommt: die nächste Saison mit Olympia in Peking.

Dabei ist das, was in den vergangenen zwei Wochen in Altenberg passierte, alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Weder die zwei Siege des Ausnahmepiloten aus Pirna, der Geschichte und Geschichten im Bobsport schreiben will und nun ein weiteres Kapitel hinzugefügt hat, noch die WM in Altenberg überhaupt angesichts der corona-bedingten Ausnahmesituation.

Der Hygienebeauftragte: Marc Bodis

Maßgeblich verantwortlich dafür unter anderem: die noch stilleren Helden vom Eiskanal wie Marc Bodis. Er ist der Hygienebeauftragte der Bobbahn. Ein Titel, den es vor Corona nicht gegeben hat verbunden mit einer Tätigkeitsfülle, deren Ausmaße auch Bodis überrascht haben. „Das Thema ist irgendwie immer größer geworden“, stellt er rückblickend fest.

Eigentlich arbeitet Bodis als Betriebsleiter einer Dresdner Firma, die auf die Nachrüstung von Fahrzeugelektronik spezialisiert ist. An der Bobbahn hilft er ehrenamtlich seit 2016 mit, kümmert sich bei Wettkämpfen um das Thema Sicherheit und diesmal auch um die Umsetzung der Corona-Regeln.

Angefangen hat das mit den behördlichen Abstimmungen für die Genehmigung des Hygienekonzeptes, niedergeschrieben auf zehn Din-A4-Seiten. Die größte logistische Herausforderung war das speziell für WM-Teilnehmer, Trainer und Betreuer sowie die 280 Helfer eingerichtete Corona-Testzentrum in der Feuerwache Oberbärenburg. „Es sollte sich während der Corona-Tests ja niemand begegnen. Das muss alles passen“, erklärt Bodis im WM-Podcast Dreierbob. Zuerst haben er und sein Team also die Raumplanung in Skizzen aufgezeichnet, dann folgten der Aufbau der Anlage und die Einarbeitung von Personal. Dazu gehören DRK, Ärzte und freiwillige Helfer.

Insgesamt rund 2.500 Schnelltests gab es während der 14 WM-Tage – alle negativ. „Die Blase hat funktioniert, und das ist das Wichtigste“, betont auch Organisations- und Bahnchef Jens Morgenstern.

Der Bobbauer: Enrico Zinn

Getestet wurde natürlich auch er: Enrico Zinn. Der gebürtige Großwaltersdorfer (Landkreis Mittelsachsen) ist für die deutschen Piloten mindestens genauso wichtig wie ihre Trainer, denn Zinn (und seine Kollegen in Berlin-Oberschöneweide) baut die Bobs. Der 41-Jährige arbeitet als Projektleiter im Institut für Forschung und Entwicklung für Sportgeräte, besser bekannt als FES und deutsche Medaillenschmiede. Während der Saison ist keiner so nah dran an den Schlitten wie Zinn, der die Mannschaft auch in Trainingslagern und bei Weltcups begleitet.

Mehr denn je hat Zinn den direkten Draht zu den Piloten, allen voran zu Friedrich. „Wir haben da in der Zusammenarbeit einen Riesensprung gemacht. Das ist vor allem mit Blick auf Peking enorm wichtig“, sagt der Pirnaer, der im Zweier längst FES fährt und nun auch im Vierer vom österreichischen Anbieter Wallner auf den Schlitten aus der Baureihe 410 umgestiegen ist. André Lange, der Bob-Dominator vor Friedrich, fuhr 2010 im FES 407 zum vierten Olympiasieg. Ein Rekord, den im nächsten Jahr auch Friedrich haben will.

Äußeres Merkmal von Friedrichs FES-Vierer sind die roten Anschubbügel. Entscheidender: die Top-Geschwindigkeit in der Bahn.
Äußeres Merkmal von Friedrichs FES-Vierer sind die roten Anschubbügel. Entscheidender: die Top-Geschwindigkeit in der Bahn. ©  dpa/Sebastian Kahnert

„Der deutlich weiterentwickelte 410er ist die erste Ausbaustufe Richtung Peking“, sagt Zinn und nennt die Vorzüge: verbesserte Aerodynamik, optimierte Federsysteme, variable Lenkbarkeit. Zinn: „Das gibt den Athleten die Sicherheit, damit sie sich trauen, breitere Kufen zu fahren.“

Die Bobs haben dadurch eine höhere Geschwindigkeit und verzeihen auch kleinere Fehler in der Bahn, soweit die Theorie. Das Wetter und die Eistemperaturen müssen schließlich ebenfalls mitspielen.

Der Eismeister: Ralf Mende

Dass es in Altenberg so herausragend funktioniert hat – Friedrich erreichte mit über 130 km/h in jedem Lauf die höchste Geschwindigkeit aller Teilnehmer und gewann mit viermal Laufbestzeit –, ist wiederum auch der Verdienst von Ralf Mende.

Der Eismeister, den in Altenberg alle nur Hans nennen, arbeitet seit fast 40 Jahren an der Bahn. Er und sein Team haben schon viel erlebt, zum Beispiel zweistellige Plusgrade und pralle Sonne bei der WM 2008. Die vergangenen zwei Wochen mit reichlich Schneefall und eisiger Kälte aber sind extrem gewesen. Mendes Arbeitstag begann oft genug früh um vier und endete abends um acht, als die letzte Trainingsfahrt beendet war. Durch den neuen Wettbewerb Monobob gab es noch mehr zu tun als ohnehin bei einer Bob- und Skeleton-WM; an den 13 Trainings- und Renntagen insgesamt 1.400 Fahrten, zusammengerechnet 22 Stunden nonstop.

„Ohne den Hans“, sagt Friedrichs Teamkollege Johannes Lochner, „könnten wir nicht Vierer in Altenberg fahren. Das wäre dann schon fast Selbstmord, wenn die Bahn bei dem schnellen Eis nicht so gut stehen würde. Doch der Hans hat jeden Zentimeter im Griff.“ Mende lässt das so unkommentiert stehen, er sagt noch weniger als Friedrich. Am Ende aber stehen ihm vor Freude die Tränen in den Augen.

Alles über die WM erfahren Sie auf unserer Themenseite BOB-WM 2021.

Mit dem Podcast Dreierbob hat Sächsische.de die WM in Altenberg schon vor einem Jahr begleitet - hier alle Folgen. Weil wegen Corona die WM erneut im Osterzgebirge stattfindet, geht auch dieses Format bei uns wieder an den Start. Bis zum 15. Februar erscheint täglich eine Folge - hier einsteigen und reinhören.