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Der Anfang vom guten Ende

Altersteilzeit oder nicht? Das ist nur eine von vielen Fragen, vor denen ältere Beschäftigte stehen. Der Fachkräftemangel stärkt ihre Position auf dem Arbeitsmarkt und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen.

Von Annett Kschieschan
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Natürlich geht es beim Thema Ruhestand auch ums Geld. Die Altersteilzeit ist nicht für jeden die beste Lösung.
Natürlich geht es beim Thema Ruhestand auch ums Geld. Die Altersteilzeit ist nicht für jeden die beste Lösung. © AdobeStock

Zum Abschied gibt es Blumen, Sekt und Schnittchen, dazu das Versprechen, in Kontakt zu bleiben. Oft bleibt es bei den nett gemeinten Worten, denn wer das Arbeitsleben hinter sich lässt, verliert oft auch die Kontakte zu den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen. Manchem ist das ganz recht so, schließlich beginnt ein neuer Lebensabschnitt mit anderen Prioritäten. Andere empfinden den Verlust des beruflichen Netzwerkes als tatsächliche Einbuße, die auch ins Privatleben ausstrahlt.

Wer 55 Jahre oder älter ist, sollte sich – so der Rat von Arbeitspsychologen – ehrlich mit der Frage auseinandersetzen, wie der Ausstieg aus dem Berufsleben aussehen könnte. Denn der in jüngeren Jahren oft leichtfertig geäußerte Wunsch, irgendwann endlich die Füße hochlegen zu können, verliert für so manchen Beschäftigten schnell seinen Reiz. Gerade, wer jahrzehntelang einen klar strukturierten Arbeitsalltag hatte, kann die plötzliche allumfassende Freiheit oft nicht wirklich positiv für sich nutzen. Mit viel Pech drohen gar Depressionen. Eine Gefahr vor allem für jene Männer und Frauen, die ihre Arbeit als sinnstiftend und erfüllend erlebt haben. Was im Arbeitsleben selbst ein großes Plus ist, kann in der Zeit danach problematisch werden. Auch deshalb sollte der Übergang in die nächste Lebensphase gut durchdacht sein.

Das ist gerade in der aktuellen, von verschiedenen Krisen geprägten Zeit wichtig. Die Arbeitswelt steht zudem allein durch die Digitalisierung, durch Automatisierung und KI-gesteuerte Prozesse vor einer gewaltigen Transformation.Einer Transformation, die die Älteren zurücklässt? Nicht unbedingt, schätzen Wirtschaftsexperten ein. Weil der Fachkräftemangel nahezu allen Branchen zusetzt, gehen sie von einer größeren Diversität in der Mitarbeiterschaft der Zukunft aus. Das bedeutet auch, dass mehr Ältere gebraucht und eingesetzt werden. Dazu kommt, dass man sich einen frühen Ruhestand leisten können muss. Angesichts der Rentenperspektive ist klar, dass viele Menschen auch jenseits der 60 weiterarbeiten werden. Das erfordert freilich die Bereitschaft, sich auch im höheren Alter auf neue Themen, Prozesse und Arbeitsweisen einzulassen. Nicht jeder traut sich das zu. Deshalb seien zunehmend die Unternehmen gefordert, so die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua). „Die Notwendigkeit, Arbeit menschengerecht und damit alternsgerecht zu gestalten, ist angesichts des demografischen Wandels gestiegen“, konstatieren die Experten. Es gelte daher, „qualifiziertes Personal möglichst lange und leistungsfähig im Unternehmen zu halten und den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, gesund in die Rente zu gehen.“

Die Zeit nach dem Job gut planen

In den Betrieben selbst geht man aktuell noch recht unterschiedlich mit dem Thema um. Während manche Firmen bereits gezielt ältere Bewerber ansprechen, hält sich in anderen Chefetagen die Meinung, Mitarbeiter nahe der 60 seien zu unflexibel, weniger belastbar und auch dadurch teuer. Das Modell der Altersteilzeit gilt dann oft als Instrument der Wahl, um Ältere in absehbarer Zeit in die Rente zu verabschieden. Das kann durchaus im Sinne der Betroffenen sein, sollte aber nach Rat der Experten im Vorfeld gut überlegt sein. Denn die Altersteilzeit birgt nicht nur Vorteile. In dieser Phase verdient der Beschäftigte weniger. Zwar werden Entgelt und Beiträge zur Rentenversicherung vom Arbeitgeber aufgestockt, allerdings nicht auf hundert Prozent. Neben dem geringeren Verdienst wartet am Ende auch eine geringere Rente. Dementsprechend ist das Modell vor allem für die Mitarbeiter interessant, die gut verdienen und die Einbußen entsprechend wegstecken können.

Einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit gibt es nicht, allerdings können entsprechende Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen hinterlegt sein. Werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig, gibt es zwei Varianten. Der Beschäftigte halbiert über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit seine Arbeitszeit oder er arbeitet die Hälfte der Zeit voll und wird danach von seinem Job freigestellt.Welches Modell das passende ist, lässt sich nur individuell entscheiden. Wer klare Pläne für die Zeit nach dem Berufsleben hat und sich gleichzeitig noch fit genug für den vollen Arbeitseinsatz fühlt, ist mit der Freistellung in der zweiten Phase der Altersteilzeit oft gut beraten. Wer lieber langsam „abtrainieren“ möchte, seine Arbeit schätzt, sich in Vollzeit aber langsam überfordert sieht, findet sich meistens eher in der ersten Variante wieder.

Wie auch immer die Entscheidung zum Ende der Arbeitsphase ausfällt – Angst, als „altes Eisen“ ausgemustert zu werden, müssen Arbeitnehmer heute nur noch selten haben. Die Demografie spielt ihnen in die Hände. Waren 2010 in Deutschland noch 45 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, werden es bis 2030 voraussichtlich nur 39 Millionen und bis 2050 knapp 33 Millionen sein. Wo weniger junge Leute nachrücken, steigt der Anteil der Älteren. Ihre Arbeitsleistung wird dadurch einmal mehr zum Wirtschaftsfaktor. Wer diesen Umstand klug für sich nutzt, seine Fähigkeiten und seine persönlichen Wünsche gut einschätzt, kann seinem Arbeitsleben auch in der letzten aktiven Phase noch jede Menge abgewinnen – und den Abschied später selbstbestimmt gestalten, vielleicht auch mit Sekt und Schnittchen.