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Gesund durchs Arbeitsleben

Betrieblicher Gesundheitsschutz steht nicht erst seit Corona auf der Agenda vieler Unternehmen. Doch die Pandemie hat dem Thema Auftrieb gegeben. Vor allem dort, wo sich auch Betriebsräte für die Umsetzung starkmachen.

Von Annett Kschieschan
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Yoga im Büro – das funktioniert wohl am besten im Homeoffice, doch generell sind Bewegungs- und Entspannungsangebote ein wichtiger Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Yoga im Büro – das funktioniert wohl am besten im Homeoffice, doch generell sind Bewegungs- und Entspannungsangebote ein wichtiger Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements. © AdobeStock

Der eine Kollege joggt jeden Morgen zehn Kilometer, bevor er sich an den Schreibtisch setzt. Der andere schwingt sich nach dem Dienst noch aufs Rad, die Dritte im Bunde stellt sich täglich den Timer, um im Homeoffice zwischendurch die Yogamatte für ein paar Übungen auszurollen. Fitness und Gesundheit sind zuallererst höchstpersönliche Anliegen. Wer gesund bleiben will, ist angehalten, auch gesund zu leben. Bewegung, viel Protein und nicht so viele Kohlenhydrate auf dem Teller, möglichst nicht Rauchen und auch den Alkohol maximal in Maßen genießen - so in etwa kann der Plan aussehen.

Was das mit dem Job zu tun hat? Mehr als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn wer Vollzeit arbeitet, muss gut planen, wenn er auch noch aktiv etwas für seine Gesundheit tun will. Deswegen ist Letzteres heute auch Sache der Arbeitgeber. Unter dem Stichwort „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ investieren Unternehmen in Sportkurse, Ernährungsberatung, Entspannungsseminare und die gute alte Rückenschule. Das haben viele von ihnen schon vor der Pandemie getan. Doch seit Corona die Krankenstände nach oben getrieben hat und die Langzeitfolgen der Infektion für weitere Ausfälle sorgen, hat das Thema Gesundheitsvorsorge im Job weiter an Bedeutung gewonnen.

Größere Betriebe liegen vorn

„Instrumente des betrieblichen Gesundheitsmanagements wie beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen“ würden zunehmend genutzt, haben die Wissenschaftlerinnen Elke Ahlers und Valeria Quispe Villalobos auf Basis von Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021 festgestellt. Bei der konkreten Umsetzung von avisierten Verbesserungen und der Beteiligung von Beschäftigten gebe es indes noch Luft nach oben. Arbeitsschutz sei eigentlich ein „klassisches Thema der betrieblichen Interessenvertretung“. Die Corona-Pandemie habe den Fokus sehr stark auf Fragen des Gesundheitsschutzes gelegt. Auch bei den Betriebsräten. Standen bei ihnen vorher eher Überstundenregelungen, Personalmangel und Leistungsdruck auf der Agenda, ging es nun plötzlich um Luftfilter, Abstandsregelungen und Desinfektion.

Fast drei Viertel der für das WSI befragten Betriebe boten im Jahr 2021 eine oder mehrere Formen der betrieblichen Gesundheitsförderung an. Vor allem größere Unternehmen haben hier investiert. Lag der Anteil bei Firmen mit bis zu 50 Beschäftigten bei reichlich 56 Prozent, stieg er bei Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern auf deutliche 87 Prozent. Im Branchenvergleich hatten die Bereiche Finanzen, Versicherungen sowie die öffentliche Verwaltung die Nase vorn. „Damit zeigt sich zwar keine flächendeckende, aber trotzdem eine breite Akzeptanz in den Unternehmen“, so die Forscherinnen. Noch 2015 habe es nur bei der Hälfte der Betriebe mit Personalvertretungen Angebote zur Gesundheitsvorsorge gegeben. Heute gehört diese zum guten Ton. Der Verweis auf Personalvertretungen beziehungsweise Betriebsräte kommt allerdings nicht von ungefähr. Studien zeigen, dass das Gesundheitsthema vor allem in jenen Unternehmen umgesetzt wird, in denen es Formen der betrieblichen Mitbestimmung gibt. Ohne Betriebsräte müssen Mitarbeiter oft ganz auf entsprechende Angebote verzichten. Dabei sind die heute durchaus relevant, wenn es darum geht, Stellen neu zu besetzen.

Wer nun denkt, der Gesundheitsschutz falle lediglich unter die weichen Faktoren in Sachen Arbeitsalltag und Rekrutierung, liegt falsch. So sind regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen eine Pflicht, an die sich über 90 Prozent der untersuchten Unternehmen auch halten. Auch hier wird ein deutlicher Anstieg verzeichnet.

Seltener krank im Homeoffice

Allerdings vor allem mit Blick auf physische Gefährdungslagen. Psychische Belastungen wurden 2021 nur in reichlich 63 Prozent der befragten Betriebe vollständig berücksichtigt. Dabei sind gerade die zunehmend für - oft auch längere - Krankenstände verantwortlich. Dazu kommt: Nur jeder zweite Betriebs- oder Personalrat gab an, dass Beschäftigte in diesem Zusammenhang aktiv eingebunden werden. In nicht einmal jedem dritten Betrieb sind infolge von Gefährdungsbeurteilungen auch wirklich Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Wer Worten keine Taten folgen lässt, tut dem Arbeitsklima freilich nichts Gutes. Umso mehr, als viele Betriebe schon jetzt unter dem Personalmangel ächzen.

Vor diesem Hintergrund stimmen die jüngsten Zahlen des IGES Instituts für die DAK-Gesundheit wenig optimistisch. Danach war ein im ersten Halbjahr 2023 durchgängig versichertes Mitglied im Durchschnitt zehn Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 7,9 Tage. Präsenz-Mitarbeiter sind dabei häufiger krank als Beschäftigte im Homeoffice. Letzteres dort, wo es technisch möglich ist, anzubieten, fällt heute durchaus im weiteren Sinne unter den Gesundheitsschutz.