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Keine Angst vor der KI im Job

Die Arbeit der Zukunft wird auch mithilfe Künstlicher Intelligenz gestaltet. Daran führt kein Weg vorbei. Ohne den Menschen sind ChatGPT und Co. aber nicht einsatzfähig. Das erschließt auch neue Zugänge zur Arbeit.

Von Annett Kschieschan
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Mensch und Maschine – das ist kein Gegensatz, Menschen und Roboter arbeiten schon lange gemeinsam. Und die Bedeutung der KI im Job wird weiter steigen.
Mensch und Maschine – das ist kein Gegensatz, Menschen und Roboter arbeiten schon lange gemeinsam. Und die Bedeutung der KI im Job wird weiter steigen. © AdobeStock

Echt oder ein Produkt der Künstlichen Intelligenz? Diese Frage hört man derzeit öfter, zum Beispiel wenn es um Fotoaufnahmen, Texte oder Videosequenzen geht. Dabei steckt schon in der Fragestellung selbst oft ein Fehler, denn „echt“ ist das geschaffene Produkt, auch wenn es ausschließlich digital vorhanden ist, auf jeden Fall. Ob der Schöpfer ein Mensch oder eine KI war, ist ein anderer Punkt. Einer, über den gerade durchaus heftig debattiert wird, denn der zunehmende Einsatz von KI-basierten Werkzeugen ist bereits dabei, die Arbeitswelt zu verändern. Wie viel kreative Leistung steckt in einem Produkt? Werden die bisherigen Macher bald nicht mehr gebraucht? Unter anderem das steht im Fokus der Diskussionen, die Global Player ebenso betreffen wie Hidden Champions.

Angst vor Veränderungen – sie ist in einer krisengeplagten Zeit nur menschlich, aber nach derzeitigem Erkenntnisstand vielfach unbegründet. Das sagt zum Beispiel der Kultur- und Medienwissenschaftler Michael Seemann. Er hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht, wie die Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt tatsächlich verändern könnte. Ganz besonders im Fokus stehen dabei die sogenannten Large Language Models (LLMs). Dahinter verbergen sich Werkzeuge, die mit Sprache arbeiten, um etwa Texte zu generieren oder Fragen zu beantworten. Das wohl bekannteste Beispiel ist ChatGPT. Das 2022 als Prototyp eines ChatBots, der auf Künstlicher Intelligenz beruht, veröffentlichte Werkzeug hat bereits erstaunlich fundierte Texte ausgespuckt, Fragen korrekt beantwortet und sogar funktionierende Codes geschrieben.

Überwachen und vergleichen?

Michael Seemann ist sicher: Der Einsatz von ChatGPT und ähnlichen Anwendungen wird über kurz oder lang jeden Arbeitsbereich betreffen. Doch, anstatt die Entwicklung zu fürchten, gelte es, sie zu gestalten. An KI-gestützte Einparkhilfen habe man sich längst gewöhnt. „Mit ChatGPT gelang etwas Neues: Es kann uns in unserer Sprache antworten“, so Seemann. Das berührt uns offenbar besonders stark – und schürt bisweilen die Angst vor zu viel Einfluss Künstlicher Intelligenz. Dabei bieten gerade die Large Language Models zunächst einmal nur die Chance, riesige Datenmengen auszuwerten, Muster und Anomalien zu erkennen. Im sprachlichen Kontext ermöglicht das das Verfassen von Texten und die korrekte Beantwortung von Fragen.

Noch geschieht das freilich nicht ohne Fehler. Es existiere noch kein Modell, bei dem nicht gravierende Wissenslücken, Interpretationsfehler, Logikfehler oder „Halluzinationen“ in den Antworten auftauchen, betont Michael Seemann. Dieses „Halluzinieren“ bezeichnet die Gefahr, Fakten oder Quellen zu erfinden. Auch deshalb kann KI menschliche Recherche bestenfalls ergänzen, nicht aber ersetzen. Aber wie schon in Produktionsbetrieben, in denen Roboter einfache und ständig wiederkehrende Arbeitsschritte ausführen, werden auch die Text-Helfer zunehmend im Berufsleben zum Einsatz kommen. Automatisierte Antworten auf häufig gestellte Kundenfragen oder das Schreiben einfacherer Programmcodes dürfte bald ganz selbstverständlich über KI-Werkzeuge laufen. Freilich: mit menschlicher Kontrolle. Die ist ein entscheidender Faktor, wenn es um den Einsatz von KI in Arbeitsprozessen geht. Und das in mehrerlei Hinsicht. Zum einen ist es laut Seemann zu erwarten, dass Beschäftigte die KI selbst – und womöglich auch ohne Absprache – einsetzen, um sich Arbeit zu ersparen. Zum anderen bietet die KI natürlich auch den Vorgesetzten neue Möglichkeiten, zu überwachen und zu vergleichen, was ihre Mitarbeiter leisten und was die KI vielleicht ebenso gut kann. Eine Untersuchung der Bank Goldmann Sachs geht davon aus, dass etwa ein Viertel der Arbeitsplätze in Europa und den USA durch die Automatisierung wegfallen oder sich zumindest stark verändern könnte. Gleichzeitig zeichnet sie ein Bild von der KI als Motor für neues Wachstum, andere Berufsbilder und damit auch neue Chancen.

Insgesamt sei die Studienlage zu den Auswirkungen der KI noch recht dünn, räumt auch Seemann ein. „Im öffentlichen Diskurs gilt es, den Apokalyptikern der KI-Revolution selbstbewusst entgegenzutreten. Menschliche Arbeit wird auch in Zukunft ihren Platz und ihren Wert behalten und Arbeitende haben ein Recht, die kommenden Strukturveränderungen mitgestalten zu dürfen“, ist er überzeugt und sieht bei der Umsetzung von KI-Anwendungen in Unternehmen auch die Gewerkschaften in der Pflicht. Vor allem, wenn es um die potenziellen „Überwachungsmöglichkeiten“ durch die KI geht, seien sie gefragt. – Die Transformation der Arbeitswelt wird schnell vorangehen, darin sind sich Experten sicher. Sie wird – so wie jede große wirtschaftliche und technische Veränderung – langfristig auch alte Berufsbilder durch neue ersetzen. Das darf man bei aller Vorsicht durchaus als Chance begreifen.

Michael Seemann: Künstliche Intelligenz, Large Language Models, ChatGPT und die Arbeitswelt der Zukunft, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 304, September 2023