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Mobile Arbeit bleibt attraktiv

Das Homeoffice ist längst nicht mehr nur Menschen in klassischen Bürojobs vorbehalten. Das zeigt eine Untersuchung in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Doch Hürden gibt es auch hier noch.

Von Annett Kschieschan
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Arbeiten im Homeoffice: Das ist inzwischen nicht nur Menschen mit klassischen Bürojobs vorbehalten.
Arbeiten im Homeoffice: Das ist inzwischen nicht nur Menschen mit klassischen Bürojobs vorbehalten. © AdobeStock

Vor Beginn der Corona-Pandemie war es in deutschen Unternehmen die Ausnahme – das mobile und damit ortsunabhängige Arbeiten. Es blieb lange der hippen Start-up-Kultur und der IT-Branche vorbehalten. Der Lockdown zwang schließlich auch die anderen Betriebe dazu, fast über Nacht die Möglichkeit dazu zu schaffen. Und plötzlich funktionierte oft erstaunlich reibungslos, was zuvor nur in Ausnahmefällen möglich war. Und heute? Sind viele Beschäftigte wieder am angestammten Firmen-Schreibtisch, viele aber auch nicht.

Denn die Arbeit von zu Hause – oder anderen Orten aus – bietet auch pandemie-unabhängig viele Vorteile. Flexibilität ist nirgendwo besser umsetzbar. Dazu spart man durch den Wegfall des Arbeitsweges richtig Zeit, Geld und tut dabei automatisch noch etwas für den Umweltschutz. Aber schlägt der räumliche Abstand nicht Gräben in die Kommunikation? Bleiben Austausch und Kreativität auf der Strecke? Mit Fragen wie diesen haben sich das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und der Bundesarbeitgeberverband Chemie beschäftigt und die Ergebnisse in der Studie „Mobile Arbeit“ zusammengefasst. Das wichtigste Fazit voran: „Mobiles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben und fester Bestandteil der Arbeitswelt“. Das gilt in diesem Fall ganz konkret für die chemisch-pharmazeutische Industrie, die bis 2022 zu den großen Wachstumsmärkten gehörte, danach wie viele Branchen durch die weltweiten Krisen geschüttelt wurde. Doch auch unabhängig davon sind chemisch-pharmazeutische Unternehmen gerade in Ostdeutschland und speziell in Sachsen bedeutsam. Rund ein Fünftel der in der Branche Beschäftigten in den neuen Bundesländern arbeitet zwischen Neiße und Vogtland. Der Bau des in Delitzsch geplanten Centers for the Transformation of Chemistry, wird seinen Teil dazu beitragen, die entsprechenden Berufszweige im Land weiter zu stärken. Aber wie passen die Vorstellungen einer Arbeit im Labor oder in einer Fabrik zur Homeoffice-Welt? Besser als man denkt. Vor allem, weil die Arbeit in der chemisch-pharmazeutischen Industrie weitaus vielfältiger ist. Mobil Beschäftigte sind hier an durchschnittlich zwei bis drei Tagen pro Woche im Homeoffice. In der Studie, für die deutschlandweit rund 20.000 Menschen befragt wurden, äußerten viele den Wunsch, die Anzahl der Tage weiter zu erhöhen. Gleichzeitig nutzen aber nicht alle Befragten, die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten.

Das Vorbild der Führungskräfte

Das liegt zum einen natürlich an persönlichen Präferenzen, zu einem beachtlichen Teil aber auch an der jeweiligen Führungskraft. Rund 30 Prozent der Beschäftigten, die dann doch lieber in Präsenz arbeiten, tun das, weil ihr unmittelbarer Vorgesetzter das ebenso tut und sie vermuten – oder wissen – dass er gleiches von ihnen erwartet. Wer dennoch lieber mobil arbeiten möchte, hat bessere Chancen, wenn er höher qualifiziert ist. Damit bestätigt die Fraunhofer-Studie Erkenntnisse aus vergleichbaren Untersuchungen: „Je mehr Wissensarbeit, desto digitaler und damit mobiler die Arbeit“. Gleichzeitig kommt eine neue Generation auf den Arbeitsmarkt, für die digitale, flexible Arbeit selbstverständlich ist. Die Möglichkeit dazu erhöht damit auch die Chancen von Unternehmen, guten Nachwuchs zu finden.

Dabei zeigt die aktuelle Studie auch: Mobiles Arbeiten bedeutet meistens tatsächlich Arbeiten im Heimbüro und nur selten in Co-Working-Räumen oder im Café. Das Plus bleiben Ruhe und Konzentration, die so oft in Unternehmen nicht gegeben sind. „Mobile Arbeit wirkt sich etwa positiv auf die Produktivität im Sinne von konzentriertem und störungsfreiem Arbeiten aus. Zu beachten sind aber auch Herausforderungen wie das Thema Führung auf Distanz“, so Dr. Josephine Hofmann, Leiterin des Teams Zusammenarbeit und Führung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.

Die Studie zeige aber auch, dass Führungskräfte durch den kommunikativen Mehraufwand belastet werden. So müsse „die geringere Präsenz der Mitarbeitenden teilweise durch ein Mehr an Kommunikation kompensiert werden. Manche Aspekte wie Konflikte und Unterstützungsbedarf können nicht ‘einfach so‚ über den Schreibtisch hinweg wahrgenommen werden, wenn man nicht gemeinsam im Büro ist.“ „Dennoch stehen die Führungskräfte, die bereits Erfahrungen mit mobiler Arbeit in ihrem Team gemacht haben, dem Thema zumeist sehr positiv gegenüber: So haben etwa rund 77 Prozent den Eindruck, dass ihre Mitarbeitenden an der gestiegenen Eigenverantwortung wachsen“, so Hofmann weiter. Und Oliver Heinrich, Tarifvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, geht noch weiter: „Dafür, wieder dauerhaft auf fünf Tage Anwesenheit im Büro zu drängen, gibt es keine Argumente. Was wir aber brauchen, sind klare Regeln für alle Aspekte der mobilen Arbeit, um die Beschäftigten zu schützen“. Denn das mobile Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben.