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Resilient durch alle Krisen?

Hier eine Betriebsschließung, dort droht Stellenabbau – die wirtschaftliche Situation machen vielen Beschäftigten zunehmend Angst. Psychologische Strategien können dagegen helfen – ebenso wie der Blick auf eigene Stärken.

Von Annett Kschieschan
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Die Wirtschaft schwächelt – das kann durchaus persönliche Ängste wecken, zum Beispiel die, den eigenen Job zu verlieren.
Die Wirtschaft schwächelt – das kann durchaus persönliche Ängste wecken, zum Beispiel die, den eigenen Job zu verlieren. © AdobeStock

"Bad news are good news" - "schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ – dieser Satz ist fast so alt wie die Medienbranche selbst. Er zielt darauf ab, dass dramatische Ereignisse naturgemäß viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und entsprechende Schlagzeilen für einen hohen Absatz der Zeitungen – heute eher für hohe Klickzahlen im Internet – sorgen. Aber schlechte Nachrichten tun noch mehr. Sie verunsichern, verstärken einen pessimistischen Blick auf die Welt und schüren Ängste. Das gilt auch für die Arbeitswelt.

Sie steht einerseits bereits mitten in einer riesigen Transformation, die durch die Digitalisierung angetrieben wird, und muss andererseits multiplen Krisen von den Nachwirkungen der Pandemie bis zur Rezessionsgefahr standhalten. Wissenschaftler haben bereits in der Vergangenheit festgestellt, dass jede Rezession nicht nur messbare Veränderungen in der Unternehmenslandschaft hinterlässt. Sie hat auch Einfluss auf die menschliche Psyche – und zwar längst nicht nur bei den Menschen, die etwa durch Betriebsschließungen ihren Job verloren haben oder nach dem Arbeitsplatzverlust ihren Kredit nicht mehr bedienen konnten. Man könnte sagen, wirtschaftliche Krisen graben sich ins gesellschaftliche Gedächtnis ein. Das legt zum Beispiel ein Gutachten nahe, das die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits 2027 veröffentlicht hat. Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hatten untersucht, welche Arbeitsbelastungen nachweislich die Gesundheit von Beschäftigten beeinflussen. Demnach besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Angst um den eigenen Arbeitsplatz und gesundheitlichen Problemen. Die Folge können Depressionen, aber auch kardiovaskuläre Erkrankungen sein. Dazu kommt das Risiko, ein chronisches Leiden zu entwickeln.

Die Vermutung, dass die zurückliegenden vier Krisenjahre bereits jetzt deutliche Auswirkungen zeigen, bestätigen nicht zuletzt die gestiegenen Krankheitstage quer durch alle Altersgruppen. Was also kann man tun, um in Krisenzeiten einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren? Diese Frage ist mit Blick auf die schwächelnde deutsche Wirtschaft hochaktuell. Eine nur auf den ersten Blick abwegige Antwort hat die Arbeitspsychologie parat: Nicht nur an die Arbeit denken! Das ist oft leichter gesagt als getan, denn Negatives beschäftigt das menschliche Gehirn oft sehr viel nachhaltiger als Positives.

Ein Hobby macht den Kopf frei

Fürchtet also jemand, Opfer der nächsten Kündigungswelle im Unternehmen zu werden, bestimmt das oft sein ganzes Denken. Wer nicht mehr abschalten kann, schläft oft schlecht, was wiederum zu Unkonzentriertheit und Fehlern im Job führen kann. Die erhöhen den Druck und können im schlimmsten Fall in einer lähmenden Spirale aus Angst und Überforderung münden. Umso wichtiger ist es, einen möglichst realistischen Blick zu behalten. Wie gefährdet ist der eigene Job wirklich? Wo gibt es im Fall des Falles Alternativen, die vielleicht sogar zu einer beruflichen Verbesserung führen können? Lohnt nicht gerade jetzt noch eine Weiterbildung? Fragen wie diese können helfen, den Ängsten den Raum zu nehmen. Denn auch wenn aktuell mehr Unternehmen kriseln als noch vor einem Jahr, ist der Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern immer noch hoch. Das gilt explizit auch für Sachsen, wo zuletzt die Ansiedlungen der Großforschungszentren oder des Chip-Herstellers TSMC jede Menge neue Jobs ins Spiel gebracht haben.

Der Spruch mit den Krisen, die auch Chancen sein können, ist überstrapaziert. Falsch ist er trotzdem nicht. Gerade weil sich die Wirtschaft gerade rasant wandelt, entstehen auch viele neue Möglichkeiten. Und wo Mitarbeiter im großen Stil fehlen, geben Unternehmen auch Quereinsteigern eine Chance und kümmern sich selbst um die Qualifizierung der neuen Mitarbeiter. Dafür gibt es überdies Geld vom Land beziehungsweise den Arbeitsagenturen. Kurzum: Wer heute seinen Job verliert, landet mit hoher Wahrscheinlichkeit maximal kurz in der Arbeitslosigkeit. Gerade in Ostdeutschland, so die Erfahrung, ist die Erinnerung an die Nachwendejahre, in denen eine Kündigung vielfach tatsächlich einen tiefen Fall zur Folge hatte, oft noch stark verwurzelt.

Doch die Lage heute ist eine andere. Psychologen raten, sich das vor Augen zu führen und den Blick auf die eigenen beruflichen Stärken zu lenken. Wer es außerdem schafft, sich ein Hobby zu bewahren, das wenig mit dem Job zu tun hat, hat demnach gute Chancen, sich von der Krisenstimmung nicht anstecken zu lassen. Ob sich der Buchhalter beim Fußball auspowert, die Ingenieurin in ihrer Freizeit gärtnert oder der Tischler nach Feierabend Musik macht – je weniger Berufsalltag und Freizeit thematisch verbunden sind, desto besser gelingt die Erholung. Und die bringt hoffentlich genügend Gelassenheit, um die bad news, die es zweifellos auch weiterhin geben wird, passabel auszuhalten.