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Views und Klicks für den Traumjob

Jeder fünfte Deutsche kauft über Soziale Netzwerke ein. Tendenz steigend. Das gilt auch für die Zahl der Influencer. Die Social Economy ist ein Wirtschaftsfaktor, der auch Jobs schafft – und dennoch mit Vorsicht zu genießen ist.

Von Annett Kschieschan
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Ob Schuhe, Kosmetik oder Müsli – Influencer bewerben auf den Sozialen Netzwerken verschiedenste Produkte.
Ob Schuhe, Kosmetik oder Müsli – Influencer bewerben auf den Sozialen Netzwerken verschiedenste Produkte. © AdobeStock

"Das ist doch keine Arbeit!“ So oder ähnlich reagieren die meisten Menschen, wenn man sie zu Influencern befragt. Jenen – meist eher jungen – Männern und Frauen, die große Teile ihres Lebens in den Sozialen Netzwerken zeigen und dabei fleißig Produkte vom Lipgloss bis zum Backofenreiniger anpreisen. Influencer brauchen kein Büro. Sie sind sozusagen der Inbegriff der maximal flexiblen Arbeitswelt.

Denn Arbeit ist das, was sie da tun, durchaus. Content Creators, so die offizielle Berufsbezeichnung, müssen – sofern sie über ihre Kanäle Einnahmen generieren - ein Gewerbe anmelden und Steuern zahlen. Und ihr Geschäft boomt. Allein 2022 hat sie sogenannte Creator Community weltweit rund 104 Milliarden US-Dollar an Wert geschaffen – mehr als doppelt so viel wie noch 2019. Die Zahl der professionellen Content Creators in Deutschland wird auf 19 Millionen geschätzt. Laut dem Unternehmen Adobe sind 14 Prozent der Creators Influencer. Das ist längst ein Wirtschaftsfaktor. Denn wenn ihr Geschäft gut läuft, werden Influencer auch zu Arbeitgebern. Assistenten, die sich um eingehende Kooperationsanfragen kümmern, Orte für Fotoshootings und Videodrehs buchen oder sich um die Kommunikation mit den Followern kümmern, werden immer öfter gesucht. Und auch gefunden, denn die Welt der Influencer ist vor allem für junge Leute überaus attraktiv.

Im Rahmen einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaft gab im vergangenen Jahr ein Fünftel der befragten Jugendlichen an, gern selbst als Influencer arbeiten zu wollen. Auch wenn die Umfrage aufgrund der überschaubaren Zahl der befragten Schülerinnen und Schüler nicht als repräsentativ gilt, zeigt sie die Faszination, die die „Creator-Welt“ auf junge Leute hat. Laut einer Erhebung des Branchenverbands Bitkom folgen immer mehr junge Menschen Influencern auf deren Online-Kanälen. Und: Die Beliebtheit des sogenannten „Social Shoppings“, also des Einkaufens über soziale Netzwerke, steigt. Jeder fünfte Deutsche hat schon einmal etwas über soziale Netzwerke gekauft, ebenso viele können sich vorstellen, das zu tun. Das Prinzip ist schnell erklärt: Influencer verlinken die vorgestellten Produkte in ihren Videos. Mit einem Klick und oft motiviert durch Rabattcodes gelangt der Zuschauer dann auf die Seite des jeweiligen Unternehmens.

Viel Geld verdienen, in dem man einfach nur seinen Alltag filmt und Produkte, die Firmen kostenlos zur Verfügung stellen, nett präsentiert? Das klingt gerade für Jugendliche, die in den Sozialen Netzwerken zu Hause sind und oft keine Scheu haben, ihr Leben online zu teilen, nach einem perfekten Job. Doch der hat auch Schattenseiten. So verweist etwa Barbara Engels, Senior Economist für nachhaltige Digitalisierung, in der Studie „Traumjob Influencer: Likes, Views und das große Geld – Wie Jugendliche in Deutschland die Creator Economy wahrnehmen“ darauf, dass der Markt ebenso „dynamisch wie wettbewerbsintensiv“ sei.

Wachsender Konkurrenzdruck

Wer heute noch erfolgreich ist, kann morgen schon vom Algorithmus der Sozialen Netzwerke abgestraft werden. Werden die Videos eines Influencers plötzlich deutlich weniger Personen angezeigt, fallen auch die Interaktionen schnell ins Bodenlose. Lohnt sich die Geschäftsbeziehung zu einem Content Creator nicht mehr, ziehen sich auch die Firmen schnell zurück und setzen auf ein neues Pferd. Denn gerade weil so viele junge Leute auf den Markt drängen, ist die Konkurrenz enorm. Und: Nur ein Bruchteil der Menschen, die als Influencer im Netz unterwegs sind, kann allein damit seinen Lebensunterhalt gut bestreiten. Oft, so die Erfahrung, sehen Jugendliche nur die großen Namen der Branche, die um die Welt jetten, schnell noch eine eigene Modelinie entwerfen, ein Parfüm unter dem eigenen Namen herausbringen oder eigene Songs veröffentlichen. Und die den daraus resultierenden Lebensstandard gern zeigen.

Die Regel ist das jedoch nicht. Experten warnen daher davor, die berufliche Lebensplanung einzig und allein auf den Erfolg in den Sozialen Netzwerken aufzubauen. Zumal gerade sehr junge Leute oft die Folgen einer dauerhaften Online-Präsenz unterschätzen. Schnell bestimmt die Suche nach Views und Klicks das komplette Leben. Einen Feierabend gibt es oft nicht, und wer Pech hat, sieht sich plötzlich einer Schmäh- oder Hasskampagne im Netz gegenüber. Das kann schnell an die Substanz gehen und den Traumjob „Influencer“ zum Alptraum machen. Dazu kommt: Experten schätzen, dass der Markt in Deutschland bereits gesättigt ist, denn Menschen können nur einer begrenzten Anzahl von Accounts bewusst folgen – also Inhalte anschauen und interagieren. Laut der sogenannten Social Brain Hypothese liegt die Grenze bei 150. „Geht man davon aus, dass Internetnutzende nur jeweils 150 Influencern ihre Aufmerksamkeit schenken können, diese aber eine gewisse Followerzahl brauchen, um mit ihren Einnahmen aus Werbepartnerschaften und Ähnlichem ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, lassen sich die Grenzen des Influencer-Marktes in Deutschland abschätzen“, so Barbara Engels. Wenn jeder Influencer 20.000 Follower braucht, könnten deutsche Internetnutzer demnach insgesamt rund 500.000 Influencer am Markt halten. Der Konkurrenzkampf wird also im Zweifel härter werden, denn kaum etwas ist schnelllebiger als das Geschäft im und mit dem Internet.

Als Wirtschaftsfaktor wird es freilich weiter wachsen. Denn zur sogenannten Creator Economy gehören nicht nur Influencer, sondern selbst auch Unternehmen wie Bezahldienstleister, Newsletterdistributoren sowie Audio- und Videosoftwareanbieter. Ein Teil der Jobs der Zukunft wird auch hier entstehen.