Merken

Wo weniger oft mehr ist

Experten kritisieren die Kommunikationskultur in vielen Unternehmen. Zu viele Meetings sorgen demnach eher für Frust als für Klarheit. Den Austausch auf E-Mails zu verlegen, ist nur manchmal eine Lösung.

Von Annett Kschieschan
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Schon wieder am Konferenztisch: Je mehr Menschen an Meetings teilnehmen, desto höher die Gefahr, dass sich ein Teil davon langweilt und Frust aufbaut, weil die eigentliche Arbeit liegenbleibt, ihr Erkenntnisgewinn aber gering ist.
Schon wieder am Konferenztisch: Je mehr Menschen an Meetings teilnehmen, desto höher die Gefahr, dass sich ein Teil davon langweilt und Frust aufbaut, weil die eigentliche Arbeit liegenbleibt, ihr Erkenntnisgewinn aber gering ist. © AdobeStock

Es gibt ihn auf Tassen gedruckt und natürlich tausendfach als lustigen Spruch auf Social-Media-Kanälen: „I survived another meeting that should have been an E-Mail“ („Ich habe ein weiteres Meeting überlebt, das besser eine E-Mail gewesen wäre“). Und offenbar spricht er tatsächlich vielen Beschäftigten aus dem Herzen. Eine internationale Studie des Chatanbieters Slack ergab in diesem Jahr, dass mehr als 36 Prozent aller Befragten Meetings als "meistens unnötig“ bewerteten.

Slack hatte mehr als 18.000 Menschen, die meisten davon in Bürojobs tätig, zum Thema Produktivität und Arbeitsbelastung befragt und dabei unter anderem die Aussage „Ich fühle mich bei der Arbeit an den meisten Tagen produktiv“ zur Bewertung gestellt. 29 Prozent bejahten den Satz klar, 47 Prozent stimmten „einigermaßen“ zu, 36 Prozent benannten zu viele unproduktive Treffen als Problem. Die Studienteilnehmer aus Deutschland, gaben an, dass sie etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit oft nicht sinnvoll einsetzten.

Oft fehlen Ziel und Struktur

Das hat offenbar viel mit ineffektiven Kommunikationsstrukturen zu tun, die oft über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind. So gibt es in vielen Unternehmen festgelegte Runden – etwa zum Wochenauftakt, zu bestimmten, wiederkehrenden Themen oder Events. Das Problem dabei: Oft gibt es kaum inhaltlich Neues zu besprechen. Die Meetings finden statt, weil sie eben als Dauertermin im Kalender stehen. Das ist schon online schnell eher unproduktiv, in Präsenz ist es oft schlicht Ressourcenverschwendung, weil Mitarbeiter sich für die Treffen auch noch ins Auto oder die Bahn setzen müssen. Dementsprechend gaben 69 Prozent der deutschen Befragten an, dass die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, ihre Produktivität „ein wenig“ bis „deutlich“ steigern würde. Doch auch bei der Arbeit im Heimbüro gilt: Zu viele Meetings – in diesem Fall meist per Teams oder Zoom – hemmen den Arbeitsfluss, was am Ende für Frust sorgt, weil Mitarbeiter so zwar den ganzen Tag „indirekt“ mit ihrem Job beschäftigt sind, effektiv aber wenig schaffen.

Der Fehler sei, dass man sich im Vorfeld keine Gedanken über das Ziel des Meetings mache, so der Managementberater Dirk Schmachtenberg in einem Gespräch mit der Zeitschrift „Capital“. „Viele werden standardmäßig in relativ großen Kreisen durchgeführt. Da ist nicht klar, wer überhaupt welchen Beitrag leisten soll. Das führt weder zu Produktivität noch zu Zufriedenheit bei den Teilnehmenden“, so der Experte. Meetings dürften kein Selbstzweck sein, sind es aber in hiesigen Unternehmen oft. Experten raten vor allem Führungskräften in der unteren und mittleren Ebene, die interne Meetingkultur zu hinterfragen und im Idealfall zu verschlanken. Auch, indem man den Kreis der Beteiligten eher klein hält. Nicht jeder Mitarbeiter, der vielleicht nur an einer Stelle eines Projektes gebraucht wird, hat Interesse daran, jedes Detail des Gesamtvorhabens mitzuverfolgen. Wird Letzteres erzwungen, führt das oft zu Frust, weil in der Besprechungszeit dringendere Arbeit liegenbleibt.

Weniger ist auch bei Mails mehr

Vieles, so die Erfahrung, lasse sich schneller im Eins-zu-Eins-Gespräch mit dem tatsächlich zuständigen Kollegen besprechen, als in großer Runde. Informationen, die für viele Mitarbeiter relevant sein könnten, sollten in sicheren Clouds gespeichert werden. Das erspart Nachfragen, die im Zweifel schon wieder zu einem Meeting im größeren Stil führen.

Und die E-Mail? Die wird zwar oft als bessere, weil zeitsparendere Variante der Kommunikation empfunden, kann aber ebenso ins Unproduktive ausufern. Vor allem dann, wenn in einer Mail, die konkret nur zwei Mitarbeiter betrifft, acht weitere „sicherheitshalber“ in cc gesetzt werden. „Zu viele E-Mails" wurden in der Slack-Studie ebenfalls als Störfaktor im Arbeitsalltag genannt. Auch hier gilt: Weniger ist oft mehr.