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Zweite Chance für die Zeitarbeit

Die Arbeitnehmerüberlassung hat nicht grundlos ein schlechtes Image. Dabei bietet sie heute gerade auch Akademikern viele Möglichkeiten zum Berufseinstieg. Doch erst müssen Unternehmen ihre Hausaufgaben machen.

Von Annett Kschieschan
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Jung, akademisch gebildet – und in Zeitarbeit? Das trifft auf rund elf Prozent der Deutschen zu, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt sind.
Jung, akademisch gebildet – und in Zeitarbeit? Das trifft auf rund elf Prozent der Deutschen zu, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt sind. © AdobeStock

Ein schlechter Ruf hält sich. Das gilt in vielen Lebensbereichen und es gilt auch für die Zeitarbeit. Lange war sie die Notlösung für Menschen, die in ihrem Beruf einfach keine Festanstellung bekamen. Das war vor allem in strukturschwachen Regionen der Fall. Und hier nutzten manche Unternehmen die Notlage der Zeitarbeiter auch aus, zahlten geringe Löhne und lockten mit Übernahmeversprechen, die nie eingelöst wurden.

Das ist Geschichte. Zum einen, weil die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes inzwischen festlegt, dass Zeitarbeiter die gleichen Rechte haben wie die Stammbelegschaft. Ihr Verdienst richtet sich ebenfalls nach Tarifverträgen. Zum anderen sorgt der Fachkräftemangel dafür, dass Betriebe – sofern sie Leiharbeit nutzen – ein ureigenes Interesse daran haben, dass die Mitarbeiter auf Zeit zufrieden sind. Das gilt übrigens längst nicht nur für Arbeiten in der Produktion oder auf Baustellen. Auch Akademiker können als Zeitarbeiter zum Einsatz kommen. Ihr Anteil an der Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland lag im vergangenen Jahr bei elf Prozent. Dass er nicht höher ist, hat nach Ansicht von Arbeitsmarktexperten mit dem immer noch eher schlechten Image der Zeitüberlassung zu tun.

60 Prozent bleiben skeptisch

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens YouGov im Auftrag des Personaldienstleisters Avantgarde Experts ist das Thema Zeitarbeit für über die Hälfte der deutschen Akademiker eher negativ behaftet. 60 Prozent würden aus diesem Grund keinen Zeitarbeitsjob annehmen. Gerade einmal 20 Prozent stehen der Arbeitnehmerüberlassung positiv gegenüber. „Die Ergebnisse bestätigen so auch die chronische Imagekrise der Zeitarbeit – und den sich daraus ergebenden enormen Informationsbedarf, vor allem in Hinblick auf Akademiker und Akademikerinnen. Unternehmen und Führungskräfte auf beiden Seiten müssen daher mehr aufklären, aber vor allem auch besser integrieren“, so Philipp Riedel, CEO von Avantgarde Experts. Auf Unternehmerseite sind mehr als 80 Prozent der befragten Firmen gern bereit, auch Zeitarbeiter zu beschäftigen.

Der große Vorteil dabei: Betrieb und Mitarbeiter können die Zeitarbeit als Probelauf für ein festes Arbeitsverhältnis nutzen. Vor allem Berufseinsteiger bekommen dadurch die Möglichkeit, verschiedene Unternehmensstrukturen kennenzulernen. Passt alles, wird aus dem Job auf Zeit schnell eine Anstellung mit langfristiger Perspektive. Sofern das gewollt ist. Gerade jüngere Arbeitnehmer planen heute oft bewusst eher kurzfristig und sehen häufigere Jobwechsel eher als Chance, möglichst viele Erfahrungen zu sammeln, bevor sie sich für einen konkreten Arbeitsbereich und ein Unternehmen entscheiden. Die Avantgarde-Studie nennt Ärzte, IT-Spezialisten, Ingenieure und Fachleute im Automobilbau, der Elektrotechnik oder bei Erneuerbaren Energien als Berufsgruppen, in denen Zeitarbeit längst nicht mehr verpönt ist. Der Hauptgrund dafür dürfte sein, dass sich Unternehmen die Fachkräfte einiges kosten lassen. Bisweilen werden sie sogar mit höheren Gehältern gelockt, als sie die Stammbelegschaft bekommt.

Transparenz im Unternehmen

Doch das spricht sich offenbar nur langsam herum, wie die aktuelle Studie zeigt. Vor allem Unternehmen seien nun gefragt, wenn es darum geht, Vorurteile gegenüber der Zeitarbeit abzubauen. Das zielt vor allem auf die Unternehmenskultur ab. So raten Experten dazu, die Mitarbeiter auf Zeit ganz bewusst mit einzubeziehen. Gerade im akademischen Bereich legten zwar viele Menschen heute Wert auf flexibles Arbeiten und die Möglichkeit zum Homeoffice, dennoch könne ein angebotener Arbeitsplatz im Unternehmen das Vertrauensverhältnis stärken.

Gleiches gilt für regelmäßige Feedbackgespräche und den Abbau administrativer Hürden etwa beim Zugang zu firmeninternen Arbeitssystemen.„Damit die Zeitarbeit ihre Stärken ausspielen kann, sind noch mehr Kommunikation, Motivation und Integration nötig – eine Kernaufgabe für Führungskräfte. Schließlich ist Arbeitnehmerüberlassung ein zeitgemäßes Beschäftigungsmodell, das die Flexibilitätsbedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gleichermaßen bedienen kann“, so Philipp Riedel.