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Brauchen Kommunalpolitiker im Landkreis Bautzen mehr Schutz?

Der Freistaat Sachsen will Kommunalpolitiker besser vor Angriffen und Bedrohungen schützen. Stadträte und Bürgermeister im Landkreis Bautzen sagen, ob das nötig ist.

Von David Berndt
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Brauchen Kommunalpolitiker mehr Schutz? Dazu äußern sich die Stadträte Jonas Löschau, Katja Gerhardi, Alex Theile, Radebergs OB Frank Höhme, Landrat Udo Witschas und der Kamenzer OB Roland Dantz (von links oben im Uhrzeigersinn).
Brauchen Kommunalpolitiker mehr Schutz? Dazu äußern sich die Stadträte Jonas Löschau, Katja Gerhardi, Alex Theile, Radebergs OB Frank Höhme, Landrat Udo Witschas und der Kamenzer OB Roland Dantz (von links oben im Uhrzeigersinn). © Archivfotos: Steffen Unger (2), SZ/Uwe Soeder (3), Christian Juppe

Bautzen. „Du Linkssau!“ So sei er Ende 2023 in Pulsnitz von einer Person angebrüllt worden. Danach habe dieser Mensch versucht, ihn zu bespucken, erzählt Alex Theile, der sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagiert. Theile ist im Kamenzer Stadtrat Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke.

Der Freistaat Sachsen hat jetzt angekündigt, härter gegen Beleidigungen, Bedrohungen oder Attacken gegen gewählte politische Vertreter vorzugehen. Das erklärten Justizministerin Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen), Innenminister Armin Schuster (CDU) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bei der Konferenz anlässlich des fünfjährigen Bestehens der „Allianz Sichere Sächsische Kommunen“. So sollen massive Einschüchterungen von kommunalen Amts- und Mandatsträgern unter Strafe gestellt werden.

Kamenzer Linken-Politiker: Unbedingt Anzeige erstatten

Alex Theile spricht sich ebenfalls für mehr Strafverfolgung aus. Als Kandidat zur Landratswahl sei er 2022 im Wahlkampf beleidigt worden und habe Anfeindungen per E-Mail erhalten. „Seitdem hat das noch zugenommen.“ Seine persönliche Empfehlung sei es, „sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern massiv in die Öffentlichkeit zu gehen“. Taten und Täter müssten benannt und Anzeigen erstattet werden. „Die Landesregierung sollte für solche Fälle eine Taskforce bilden, vielleicht beim Justiz- oder dem Innenministerium, an die sich betroffene Kommunalpolitiker wenden können.“

Laut Katja Gerhardi, CDU-Fraktionsvorsitzende im Bautzener Stadtrat, werde es durch das aktuell angespannte allgemeine Klima immer schwieriger, Kandidaten für Kommunalwahlen zu finden. „Viele Menschen, die Lust hätten, sich zu engagieren, haben Angst davor, was ihnen oder ihren Familien alles passieren könnte.“ Gerade in Bautzen sei das ein Thema, da bei den Protesten der Mahnwache Politiker öffentlich verbal attackiert würden. Daher halte sie die Initiative des Freistaates für unabdingbar.

Bautzener Grünen-Politiker: Taten konsequent verfolgen

Ihm sei bislang noch relativ wenig passiert, sagt der Bautzener Stadt- und Kreisrat Jonas Löschau (Bündnis 90/Die Grünen). Beleidigungen gebe es am ehesten in den Kommentarspalten der Social-Media-Kanäle. „Twitter ist das beste Beispiel. Dort kommen Bedrohungen und Beleidigungen von anonymen Profilen.“

Löschau befürwortet, dass der Freistaat sich stärker mit dem Thema beschäftigt. Dabei sollten die Verantwortlichen aber nicht nur über das Strafmaß nachdenken. „Es muss konsequenter geahndet werden, wenn Betroffene Strafanzeigen stellen oder die Behörden ermitteln. Studien zeigen, dass nicht das Strafmaß abschreckt, sondern die Aufklärung der Taten.“

Bautzens Landrat: Wandel in der Gesellschaft nötig

Bautzens Landrat Udo Witschas (CDU) begrüßt die Pläne des Freistaates ebenfalls. Auch er sorge sich darum, dass es künftig nicht mehr genug Kommunalpolitiker geben könnte. Das Landratsamt stehe in engem Austausch mit den Sicherheitsbehörden. Zudem gebe es Beratungsangebote des Sächsischen Städte- und Gemeindetages. „Aber es braucht einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft“, so Udo Witschas.

Aktuell gebe es keine konkreten Angriffe gegen ihn. Aber vor der Landratswahl sei einer seiner beiden Hunde vergiftet, seine Frau und seine Kinder seien mehrfach beleidigt und sein privates Auto beschädigt worden. Der Ton in der politischen Auseinandersetzung sei rauer geworden, vor allem in den sozialen Netzwerken.

Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) vermutet hinter der Initiative des Freistaates eher eine Positionierung im Landtagswahlkampf. In der Region Kamenz seien ihm keine Bedrohungen von Kommunalpolitikern in der jüngsten Zeit bekannt.

Er selbst habe in der Vergangenheit zum Beispiel während der Einrichtung des Asylbewerberheims an der Macherstraße „Drohungen und Beschimpfungen in der übelsten Form“ erlebt. Bedrohungen gegen Mitarbeiter der Verwaltung bringe die Stadt zur Anzeige. Diese seien aber selten.

Radeberg ist Asskomm-Mitglied, Bautzen nicht

Er erlebe hin und wieder verbale Attacken zu verschiedenen Themen, teilt Radebergs Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) mit. Häufig ließen sich die betreffenden Personen der Reichsbürger-Szene zuordnen. Die Attacken würden immer bei der Polizei gemeldet. Abgesehen davon bräuchten Kommunalpolitiker ein dickes Fell und Verständnis, wenn einzelne Bürger verbal über das Ziel hinausschießen.

Höhme begrüßt die Initiative des Freistaates. „Wenn die Zahl der Kommunalpolitiker, die sich aufgrund von Bedrohung etc. zurückziehen, ein gewisses Maß überschreitet und sich viele aus Angst gar nicht erst kommunalpolitisch betätigen wollen, höhlt dies die Demokratie aus.“ Radeberg ist seit 2023 Mitglied in der „Allianz Sichere Sächsische Kommunen“.

Auch in Bautzen wurde über einen Beitritt diskutiert. Die Mitglieder im Hauptausschuss des Stadtrates haben sich aber einvernehmlich dagegen entschieden, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit.

Die seit August 2022 bestehende Sicherheitsrunde des Bautzener OBs Karsten Vogt (CDU) mit Vertretern des Landkreises, der Stadtverwaltung, der Polizei und Sozialarbeitern reiche momentan aus. Seit Vogts Amtsantritt im August 2022 seien keine Einschüchterungen oder Bedrohungen gegen städtische Amts- und Mandatsträger bekannt geworden.