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Historiker fragt bei den Bautzener Reden: Ist unser Boot schon voll?

Im Dom St. Petri widmete sich Klaus Neumann der aktuellen Flüchtlingsdebatte - und übte Kritik an Sachsen Ministerpräsidenten.

Von Victor Herrmann
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Bei den Bautzener Reden sprach am 23. Juni 2023 Prof. Dr. Klaus Neumann im Dom St. Petri über den Asylkompromiss von 1993 und die aktuelle Flüchtlingsdebatte.
Bei den Bautzener Reden sprach am 23. Juni 2023 Prof. Dr. Klaus Neumann im Dom St. Petri über den Asylkompromiss von 1993 und die aktuelle Flüchtlingsdebatte. © Steffen Unger

Bautzen. Bei den Bautzener Reden sprach am 23. Juni 2023 Prof. Dr. Klaus Neumann im Dom St. Petri. Anlass waren der Weltflüchtlingstag am 20. Juni und das damit einhergehende Jubiläum der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der 30. Jahrestag des Asylkompromisses vom 1. Juli 1993. Unter der Überschrift „Boot voll, Grenzen dicht!?" widmete sich der Historiker, der für die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur arbeitet, dem Asylkompromiss von 1993, der aktuellen Flüchtlingsdebatte und den gesamtgesellschaftlichen Problemen dahinter.

Vor 30 Jahren wurde der 16. Artikel des Grundgesetzes, welcher sich mit dem Asylrecht befasst, im sogenannten Asylkompromiss neu gefasst. Diese Änderungen sind noch heute aktuell und in der momentanen Flüchtlingsdebatte relevant.

"Dezentrale Unterbringung löst Probleme"

Seinen Fokus legt Neumann bei seiner Rede auf die Frage, wo unsere Kapazitätsgrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen denn liegt. Dabei unterschied er zwischen objektiven Problemen, die eine tatsächliche Kapazitätsgrenze bildeten, beispielsweise Wohnungsmangel, und einer subjektiven Kapazität, die von unserer Bereitschaft zur Aufnahme abhänge.

Weiter erläuterte Klaus Neumann, wie beide Kapazitätsgrenzen beweglich seien. Probleme bei der Unterbringung könnte man seiner Meinung nach mit Leichtigkeit durch eine dezentrale Unterbringung lösen. Durch das Bekämpfen von Falschinformationen ließe sich auch die Bereitschaft zur Aufnahme erhöhen.

Neumann: Kretschmers Forderungen sind Wahlkampf

Die Lösungsvorschläge von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisiert Klaus Neumann dabei besonders. So sei ein Kürzen von Sozialleistungen für Flüchtlinge nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, Obergrenzen bei der Aufnahme verstießen gegen europäisches Recht und seien nicht realistisch umsetzbar. Die von Kretschmer geforderte Änderung des Artikels 16 im Grundgesetz kritisierte der Historiker ebenfalls. Artikel 16 sei nur für etwa ein Prozent der Asylanträge relevant, eine viel größere Rolle spielten das europäische Recht und Artikel eins des Grundgesetzes.

Die Forderungen von Kretschmer seien reiner Wahlkampf und würden nur polarisieren. "Was mir große Sorge bereitet, ist die Aussicht, dass hier lebende Menschen, wie schon in den frühen 1990er-Jahren, das Gefühl bekommen, sie gehörten nicht dazu."

Am Ende seiner Rede beantwortete der Wissenschaftler Fragen aus den Reihen der rund 65 Zuhörer. Unter anderem sprach er mit der Botschafterin für Demokratie und Toleranz, Hamida Taamiri, über Integration als beidseitiges Konzept und gegenseitige Akzeptanz als Grundlage für erfolgreiche Integration.