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„Corona beschäftigt uns in allen Bereichen des Gerichts“

Gesine Tews ist neue Direktorin des Bautzener Amtsgerichts. Welche Prozesse sie spannend findet – und was jetzt auf sie wartet.

Von Theresa Hellwig
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Gesine Tews war bisher am Oberlandesgericht in Dresden als Zivilrichterin und Pressesprecherin tätig. Mit ihr hat das Amtsgericht in Bautzen nach einem Jahr wieder eine Direktorin.
Gesine Tews war bisher am Oberlandesgericht in Dresden als Zivilrichterin und Pressesprecherin tätig. Mit ihr hat das Amtsgericht in Bautzen nach einem Jahr wieder eine Direktorin. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Seit Bautzens ehemaliger Amtsgerichtsdirektor Markus Kadenbach vor rund einem Jahr einen neuen Posten angenommen hatte, war das Gericht Direktor-los. Jetzt hat es mit der Zivilrichterin vom Oberlandesgericht (OLG) Gesine Tews eine neue Direktorin. Worauf sich die 51-Jährige in Bautzen freut – und was das Gericht in diesem Jahr erwartet, sagt sie im Interview mit Sächsische.de.

Frau Tews, was verschlägt Sie nach Bautzen?

Ich war jetzt über 13 Jahre und sehr gerne am Oberlandesgericht in Dresden tätig. Nach dieser Zeit hatte ich aber den Eindruck, dass es Zeit ist für eine Veränderung. Und ich freue mich auf die neuen Herausforderungen. Am OLG haben mir sowohl meine Arbeit als Zivilrichterin als auch meine Aufgaben in der Justizverwaltung Freude bereitet. Als Pressesprecherin war es mir ein Anliegen, die Justiz für Bürgerinnen und Bürger zugänglich zu machen. Das ist mir auch in Bautzen wichtig.

Was waren am OLG Ihre Aufgaben als Zivilrichterin?

Ich hatte mit Fällen aus dem Staatshaftungsrecht, dem Verkehrsunfallrecht und dem Baurecht zu tun. Beim Staatshaftungsrecht geht es um Schadensersatzansprüche gegenüber den Städten, Landkreisen, dem Land oder der Bundesrepublik, die entstehen können, wenn Amtsträger ihre Pflichten gegenüber Bürgern verletzen. Das kann zum Beispiel eine fehlerhafte Baugenehmigung sein, aber auch Probleme im Rahmen eines Polizeieinsatzes. Auch Streitigkeiten, in denen es um die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geht, zählen dazu. So zum Beispiel Schlagloch- oder Glatteisfälle.

Sind Ihnen bestimmte Fälle besonders in Erinnerung geblieben?

Als Richterin haben mich solche Verfahren nachhaltig beeindruckt, in denen es um schwere Personenschäden mit gravierenden Dauerfolgen ging.

Rechtlich spannend waren Grundsatzfragen. So hatte der Senat, dem ich angehört habe, über Schadenersatz für den Verdienstausfall von Eltern, deren Kind kein Kitaplatz zur Verfügung gestellt worden war, zu entscheiden. Die Neuregelung vor ein paar Jahren, dass mit Vollendung des ersten Lebensjahres ein Kitaplatz zur Verfügung gestellt werden muss, hat etliche Kommunen vor große Herausforderungen gestellt. Letztlich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass - wenn die Stadt schuldhaft keinen Kitaplatz zur Verfügung stellt - Schadenersatz zu zahlen ist.

Als Pressesprecherin ist mir vor allem das erste Staatsschutzverfahren des Oberlandesgerichts gegen die sogenannte Gruppe Freital mit einem enormen bundesweiten und internationalen Interesse in Erinnerung geblieben. Hierfür musste im Prozessgebäude eine besondere Infrastruktur geschaffen werden.

Warten in Bautzen ähnliche Prozesse auf Sie?

Im Zivilrecht ist man am Amtsgericht deutlich weniger spezialisiert. Da wartet ein bunter Strauß von allen möglichen Zivilverfahren auf mich, zum Beispiel Streitigkeiten um Mietzahlungen, Mieterhöhungen und Verkehrsunfälle. Und es stehen Fälle an, in denen es um Schadenersatz wegen der Diesel-Abgasmanipulationen geht. Zudem werde ich auch als Nachlassrichterin tätig sein. Staatshaftung jedenfalls fällt jetzt nicht mehr in meinen Aufgabenbereich, da dort das Landgericht die erste Instanz ist. Konkrete Fälle habe ich noch nicht auf dem Tisch, weil ich erst ab Juni ganz in Bautzen tätig sein werde.

Worauf freuen Sie sich in Bautzen?

Ich freue mich auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und auf die Bürger und Bürgerinnen. Was mich an Bautzen reizt, ist, dass man hier näher mit den Menschen in Kontakt ist als am OLG.

Wie meinen Sie das?

Am Oberlandesgericht besteht Anwaltszwang. Am Amtsgericht können die Parteien auch ohne ihren Anwalt kommen. Außerdem ist das Oberlandesgericht als Berufungsgericht nur bedingt Tatsachen-Instanz. Daher streitet man sich am Oberlandesgericht schwerpunktmäßig über Rechtsfragen. Am Amtsgericht steht man deutlich direkter mit den Parteien, die den Rechtsstreit führen, in Kontakt. Auch der regionale Bezug macht einen Unterschied. Am Oberlandesgericht werden Rechtsstreitigkeiten aus ganz Sachsen verhandelt, am Amtsgericht Bautzen dagegen Verfahren aus dem unmittelbaren Umfeld.

Welche Herausforderungen warten als Amtsgerichtsdirektorin auf Sie?

Zu allernächst: mich detailliert mit allen Abläufen des Gerichts vertraut zu machen. Dann: die Einführung der elektronischen Verfahrensakte. Darüber hinaus beschäftigt mich der Altersdurchschnitt der Richter und Richterinnen. Dieser liegt bei 53 Jahren.

Fünf der Richter werden in den nächsten Jahren nahezu zeitgleich das Ruhestandsalter erreichen. Das ist ein Problem, das das Amtsgericht Bautzen mit den anderen Amts- und Landgerichten in Sachsen teilt. Die Nachwuchsgewinnung muss sachsenweit ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist die Wiederaufnahme der Referendar-Ausbildung an den Außenkammern Bautzen des Landgerichts Görlitz, sodass sich vielleicht auch auswärtige junge Juristinnen und Juristen für die Region begeistern können. Von den Referendaren werden sicher auch einige am Amtsgericht Station machen, darauf freue ich mich.

Das Amtsgericht Bautzen ist neben dem Amtsgericht Zwickau auch eines der beiden Ausbildungsgerichte für den Nachwuchs der Justizsekretäre und Justizsekretärinnen sowie der Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen. Die Nachwuchsgewinnung hat für die Justiz also nicht nur im richterlichen Bereich große Bedeutung.

Welche größeren Prozesse stehen dieses Jahr an?

Sicher ist: Die Pandemie beschäftigt uns in allen Bereichen des Gerichts. Da geht es im Zivilbereich um Pauschalen für die Sonder-Reinigung von Mietwagen in der Pandemie. Am Familiengericht streiten Erziehungsberechtigte, die unterschiedliche Positionen zum Thema Impfen vertreten. Wegen der Übersterblichkeit in der Pandemie hat auch das Nachlassgericht gerade viel zu tun. Nicht zu vergessen die vielen Straf- und Bußgeldverfahren, die derzeit laufen.