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Oberlausitzer Politiker machen Druck wegen Bahn-Elektrifizierung

Politiker und Wirtschaftsvertreter aus der Oberlausitz fordern vom Bund, die Strecke Dresden - Görlitz schneller zu elektrifizieren - und haben dafür einen konkreten Vorschlag.

Von Tim Ruben Weimer
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Dutzende Kommunalpolitiker haben sich in Bischofswerda versammelt - um vom Bund die zügige Elektrifizierung der Oberlausitzer Bahnstrecken einzufordern.
Dutzende Kommunalpolitiker haben sich in Bischofswerda versammelt - um vom Bund die zügige Elektrifizierung der Oberlausitzer Bahnstrecken einzufordern. © Steffen Unger

Bischofswerda. Der Stromversorger Sachsen-Energie könnte die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Dresden über Bischofswerda nach Görlitz deutlich beschleunigen. Das betont der Bischofswerdaer Oberbürgermeister Holm Große (parteilos) in einem Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), den 42 Politiker und Wirtschaftsvertreter aus der Oberlausitz unterschrieben haben. Zu den Unterzeichnern gehören etwa Bautzens Landrat Udo Witschas (CDU), der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) und der Bautzener Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU).

In dem Brief fordern sie die Bundesregierung auf, das Angebot von Sachsen-Energie durch die Deutsche Bahn „ohne Vorbehalte prüfen“ zu lassen. Mittels eines Stromwandlerwerkes bei Kubschütz könnte die Elektrifizierung der Bahnstrecke für nur 100 bis 150 Millionen Euro vollzogen werden, erklärt Sachsen-Energie-Vorstandschef Frank Brinkmann, zuzüglich baulicher Änderungen. Die Deutsche Bahn veranschlagt derzeit 420 Millionen Euro für das Projekt.

Deutsche Bahn plant Bau neuer Stromleitung

Möglich sei die deutlich geringere Investition, weil die Bahnstrecke zwischen zwei bereits vorhandenen, parallelen Hochspannungsleitungen der Sachsen-Energie verläuft. Die Frequenzen müssten demnach nur umgewandelt werden. "Die Deutsche Bahn verweigert sich aber dieser deutlich günstigeren Lösung", heißt es in dem Brief. Stattdessen plane die Bahn, eine 60 Kilometer lange Bahnstromleitung zwischen Arnsdorf und Pommritz zu installieren.

Steffen Heine, Geschäftsführer der Sachsen-Netze, einer Tochter der Sachsen-Energie, erklärte, der Anschluss an die Hochspannungsleitung, die am Netzknoten Kubschütz nur 500 Meter von der Bahnstrecke entfernt liege, könne in nur zwei Jahren vollzogen werden. Den Vorschlag habe der Stromversorger der Deutschen Bahn bereits 2018 unterbreitet. Der von der Bahn geplante Bau einer neuen Stromleitung könnte mit Planfeststellungsverfahren dagegen nach seiner Einschätzung bis zu zehn Jahre dauern. „Wir haben in der Oberlausitz jede Menge erneuerbare Energien, die Bahn würde damit helfen, den hier produzierten Strom auch hier zu verbrauchen“, sagte Heine zum Sachsen-Energie-Angebot.

Steffen Heine, Geschäftsführer von Sachsen-Netze, betont, auch kurzfristig für eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn zur Verfügung zu stehen.
Steffen Heine, Geschäftsführer von Sachsen-Netze, betont, auch kurzfristig für eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn zur Verfügung zu stehen. © Steffen Unger

Bislang ist noch unklar, ob und wann das Bundesverkehrsministerium den Ausbau der Strecke umsetzen will. Die Bundesregierung hatte Ende März in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD im Bundestag mitgeteilt, die Elektrifizierung der Strecke frühestens 2024 prüfen zu wollen. Bislang gilt die Strecke nur als "Vorhaben potenziellen Bedarfs". Vorrang hatte der Freistaat Sachsen 2022 dem Ausbau der ICE-Strecke von Berlin über Görlitz nach Breslau gegeben.

Elf Minuten weniger von Dresden nach Görlitz

Doch die Elektrifizierung der Strecke Dresden - Görlitz sei "im Sinne des Strukturwandels für die Oberlausitz überlebenswichtig", sagt Bischofswerdas OB Große. Zudem spiele die Strecke im Rahmen des Transitverkehrs von Deutschland nach Polen eine wichtige Rolle für den Klimaschutz. Ihr müsse im Bundesverkehrswegeplan ein "vordringlicher Bedarf" zugeschrieben werden, fordern die Oberlausitzer Entscheidungsträger.

Die Fahrzeit zwischen Dresden und Görlitz würde sich laut Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) mit elektrischen Triebwagen von 71 Minuten auf 60 Minuten verkürzen, die Fahrzeit von Dresden nach Zittau von 90 auf 81 Minuten. Zwischen Dresden und Görlitz könnten die Züge mit bis zu 160 Kilometer pro Stunde unterwegs sein, derzeit sind es in den meisten Abschnitten höchstens 120 km/h.

In Polen fahren die Züge schon elektrisch

2003 hatten Deutschland und Polen einen Staatsvertrag zur Elektrifizierung der Bahnstrecke von Dresden über Görlitz nach Breslau abgeschlossen. „Schon damals hat man also erkannt, dass der Ausbau notwendig ist – und da hat noch niemand über Strukturwandel gesprochen“, sagt Bautzens Oberbürgermeister Vogt. 20 Jahre später würden die modernsten Schienenfahrzeuge von Alstom weiterhin mit Diesel-Triebwagen aus dem Bautzener Werk geschleppt. „Wir nehmen diesen Zustand nicht weiter hin.“

Auf polnischer Seite ist die Strecke zwischen Breslau und Zgorzelec bereits seit 2019 elektrifiziert. Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer betont, dass auch Tschechien den Ausbau seiner Netze vorantreibe. Die Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Linke) nennt es "peinlich", dass in Deutschland nicht einmal die Planung abgeschlossen sei.

Bereits am 3. März hatten rund 50 Bürgermeister und Vertreter von Handwerk und Unternehmen aus der Oberlausitz gefordert, den sechsspurigen Ausbau des A4-Abschnitts zwischen Dresden und Görlitz in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen. Auch damals hatten sie sich mit einem offenen Brief an Bundesminister Volker Wissing gewandt - erfolgreich, wie OB Holm Große sagt. Ein Gesprächstermin mit dem Ministerium sei für den 8. Mai vereinbart.