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Warum es die Handwerker aus dem Kreis Bautzen jetzt auf die Straße treibt

Steigende Energiekosten, höhere Löhne, weniger Kunden: Bautzens Handwerker sehen sich vor einer Existenzkrise. Was die Lage so schwierig macht.

Von Tim Ruben Weimer
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Beim Bautzener Bäcker Lutz Neumann stapeln sich die Gasrechnungen. Wie er noch weiter Energie sparen soll, weiß er nicht.
Beim Bautzener Bäcker Lutz Neumann stapeln sich die Gasrechnungen. Wie er noch weiter Energie sparen soll, weiß er nicht. © Steffen Unger

Bautzen. Mehr als 5.000 Handwerker kamen nach Angaben der Bautzener Dachdecker-Innung vor zwei Wochen auf dem Dresdner Neumarkt zusammen, um gegen die steigenden Rohstoff- und Energiepreise zu protestieren. "Das Handwerk demonstriert nicht oft - aber wenn, dann ist es nötig", hatte der Präsident der Dresdner Handwerkskammer, Jörg Dietrich, erklärt. Wie akut sind die Probleme der Handwerksbetriebe im Landkreis Bautzen? Sächsische.de hat mit einigen gesprochen.

Die Bäcker: Energiesparen ist schwierig

Die Gaspreise seien genauso wie die Strompreise bereits über das Doppelte gestiegen, erklärt Lutz Neumann, Bäckermeister aus Bautzen. Energiefresser ist bei ihm vor allem der Backofen - trotz der rund 20 Prozent Energieeinsparung durch den neuen Ofen, in den Neumann erst in diesem Jahr investiert hat.

"Ich frage mich, wie ich noch Energie sparen soll. Ich muss mein Brot bei 290 Grad backen, und auch in der Backstube brauche ich eine Temperatur von 25 Grad, damit der Teig aufgeht", sagt Neumann, der Obermeister der Bautzener Bäcker-Innung ist. Viele ältere Bäcker würden sich wohl auch angesichts des fehlenden Nachwuchses in den nächsten Jahren Gedanken machen, ob sich weitere Investitionen in den Betrieb noch lohnen.

Die steigenden Energiekosten bekommt auch der Kunde zu spüren. Der Preis für den Stollen wird sich in diesem Jahr bei Lutz Neumann voraussichtlich um drei auf 20 Euro pro Kilo verteuern. Der Preis für ein Vollkornbrot könnte sich künftig von derzeit 5,50 auf acht Euro erhöhen, schätzt Neumann. Um Personalkosten zu senken, müsse er auch eine Kürzung der Öffnungszeiten oder die Einführung der Vier-Tage-Woche erwägen. "Die Situation haben wir nicht selbst verschuldet."

Die Elektriker: Volle Auftragsbücher, leere Lager

Bei Torsten Schölzel, Elektrotechnik-Meister aus Demitz-Thumitz, sind die Auftragsbücher voll. "Wir haben für gut sechs Monate Arbeit", sagt er. Allerdings stehe der Bau von neun noch in diesem Jahr geplanten Photovoltaik-Anlagen derzeit still - wegen Materialmangel. "Ich habe noch nie so viele Anfragen nach Photovoltaikanlagen wegen fehlendem Material abgelehnt wie in diesem Jahr", sagt Schölzel. Dazu kommt: Jeden Monat sei die Rechnung für Treibstoff gestiegen, deshalb müsse er seinen Kunden jetzt höhere Anfahrtskosten in Rechnung stellen.

Torsten Schölzel, Obermeister der Bautzener Elektriker-Innung, hat zwar volle Auftragsbücher, aber Probleme mit Materialmangel.
Torsten Schölzel, Obermeister der Bautzener Elektriker-Innung, hat zwar volle Auftragsbücher, aber Probleme mit Materialmangel. © Steffen Unger

Die Friseure: Ungleicher Wettbewerb

Neben den gestiegenen Energiekosten sei es auch der auf zwölf Euro erhöhte Mindestlohn, der den Betrieben zu schaffen mache, sagt Friseurunternehmer Heiko Schneider aus Hoyerswerda. Denn in der Folge hätten die Löhne aller Mitarbeiter erhöht werden müssen. Gleichzeitig kämen die Betriebe aus einer umsatzschwächeren Zeit, da aufgrund der Corona-Einschränkungen viele Kunden ausgefallen waren.

"Wir wollen die gestiegenen Kosten aber nicht an die Kunden weitergeben", sagt Schneider. "Auch wir sehen es so, dass die Preise für den Friseurbesuch bereits an der Decke sind." Eine Lösung könne die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent sein.

Allerdings herrsche unter den Friseuren ein ungleicher Wettbewerb, da Kleinstunternehmen von der Umsatzsteuer befreit sind und damit die Preise um bis zu 20 Prozent drücken könnten, so Schneider. Immer mehr Betriebe würden sich deshalb verkleinern. Dabei böten aber meist nur die größeren Betriebe Ausbildungsplätze an. Unter den Friseuren sei die "Great Resignation" deutlich spürbar, sagt Schneider. Der Gedanke, ob es noch richtig sei, als Friseur zu arbeiten.

Die Dachdecker: "Der Kunde denkt, wir wollen mehr Geld"

Explodierende Kosten für Holz und Dachziegel, weil Firmen die Produktion aufgrund der Energiekrise heruntergefahren hätten, haben auch bei den Dachdeckern für mehrere Preiserhöhungen in diesem Jahr gesorgt, sagt Uwe Angermann, Dachdecker aus Lauta. Um Kunden zu halten, würden Kosten dann teils selbst übernommen.

Alle paar Wochen müssten Angebote neu geschrieben werden, da sich die Preise wieder erhöht hätten. "Der Kunde denkt, wir wollen einfach nur mehr Geld von ihm", sagt Angermann. Und: "Wenn man die Preise an die Kunden weitergibt, setzt man seinen Namen aufs Spiel." Über den Winter hinaus brauche es eine Preisstabilität, um Angebote wieder verlässlich kalkulieren zu können.

Das Baugewerbe: Wer will jetzt noch ein Haus bauen?

"Der Eigenheimbau ist zum Erliegen gekommen", erklärt Matthias Pursche, Inhaber einer Baufirma in Malschwitz. Beim öffentlichen Bau werde gespart, auf Ausschreibungen würden sich deutlich mehr Firmen bewerben als früher, der Konkurrenzdruck sei groß.

Der Preis für den Hausbau sei im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 30 Prozent gestiegen, so Pursche. Die Banken würden nur noch jedem Dritten einen Kredit gewähren, für nächstes Jahr sehe die Auftragslage bei ihm bereits mau aus. Zumindest die Lieferengpässe seien inzwischen aber nicht mehr so gravierend.

Bauunternehmer Matthias Pursche (l.) und Maurer Jens Leimbach haben derzeit noch Aufträge. Mit dem Saison-Kurzarbeitergeld werde er wohl auch noch über den Winter kommen, so Pursche. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht absehbar.
Bauunternehmer Matthias Pursche (l.) und Maurer Jens Leimbach haben derzeit noch Aufträge. Mit dem Saison-Kurzarbeitergeld werde er wohl auch noch über den Winter kommen, so Pursche. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht absehbar. © Steffen Unger

Die Maler: Kunden malern jetzt lieber selbst

Momentan sei es wichtiger, einen gefüllten Kühlschrank zu haben, als einen Handwerker ins Haus zu bestellen, sagt Hendrik Hermann, Malermeister aus Pulsnitz. Gerade Malerarbeiten würden viele nun lieber selber machen, auch der Schwarzmarkt blühe wieder. "Bei uns ist gerade nicht die beste Stimmung."

Der Metallbau: Keine Zukunftsplanungen möglich

Die allgemeine Unsicherheit unter den Handwerkern angesichts des Ukraine-Krieges ist sehr demotivierend, sagt Ehregott Freund, Metallbauer aus Kubschütz. "Es mindert die Zukunftsplanungen." Die Menge der angesammelten Probleme habe er so schlimm noch nie erfahren. Die Politik in Berlin habe nur sehr langsam begriffen, dass es weiterhin Atom- und Kohlekraftwerke brauche, um günstigen Strom zu produzieren. "Für uns gibt es bloß die Möglichkeit, zuzumachen oder durchzustehen."