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Mit der Bahn und unter falschem Namen: Kraftklub spielen Geheimkonzert in Bautzen

Bevor es auf die großen Festivalbühnen geht, spielte die Chemnitzer Band Kraftklub am Donnerstag ein Klubkonzert in Bautzen – mit klarer Botschaft.

Von Ulli Schönbach
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Kraftklub-Sänger Felix Kummer beim Geheimkonzert der Band im Steinhaus Bautzen.
Kraftklub-Sänger Felix Kummer beim Geheimkonzert der Band im Steinhaus Bautzen. © Steffen Unger

Donnerstagabend, die Bühne ist in blaues Licht getaucht, Jubel im Publikum, fünf Musiker im Halbdunkel. Dann der erste Ton – und es ist kein Geheimnis mehr. Kraftklub spielen in Bautzen. Noch vor den großen Festivals in diesem Sommer – noch vor Southside, Hurricane und dem Doppelkonzert in der Wuhlheide – steht die Chemnitzer Band auf der kleinen Steinhausbühne. Ein Konzert wie in Anfangstagen, 500 Leute dicht gedrängt im Saal, Jugendhaus-Atmosphäre.

„Von 17 Uhr Festival-Opener/ Zu 17.000er Open Air/ Von zweite Bühne und davor ist leer/ zum eigenen Wuhlheide-Solokonzert“. Diesen Weg haben Kraftklub seit 2010 gemacht. Sänger Felix Kummer beschreibt ihn an diesem Abend im Song „Teil dieser Band“.

Leer bleibt es vor der Bautzener Bühne keinen einzigen Augenblick. Es ist ein lauter, heißer, magischer Abend. Auch wenn der Sound im Steinhaus-Saal manchmal mit der Energie von Band und Publikum nicht mithalten kann. Kraftklub spielen mal auf der Bühne, mal mitten im Saal, die Fans sind euphorisch und textsicher vom ersten Song bis zur letzten Zeile. Nach zweieinhalb Stunden steht die Luft, der Schweiß tropft von der Decke, und in vielen Gesichtern steht ein breites Strahlen.

Binnen Stunden waren die Tickets weg, als das Steinhaus vor einer Woche den Auftritt einer Band mit dem Namen „Die Kosmonauten“ ankündigte. Rasch kursierte das Gerücht vom Kraftklub-Geheimkonzert in der Stadt. Die einen ahnten es, die anderen wussten es: Der Bandname bezieht sich auf das Kosmonaut -Musikfestival, das die Musiker bis vor wenigen Jahren am Stausee Oberrabenstein in Chemnitz organisierten.

Immer wieder tauchen Kosmonauten-Anspielungen seither im Kraftklub-Universum auf. Zum Beispiel 2020, als die Musiker gemeinsam mit der Band Blond den Titel „Superspreader“ aufnahmen, ebenfalls unter dem Namen „Die Kosmonauten“. Die Blond-Sängerinnen sind in Bautzen als Support beim Titel „So schön“ dabei.

Auf der Setlist stehen am Donnerstagabend fast alle Songs des aktuellen Kraftklub-Albums „Kargo“: Mitsing-Hymnen in der typischen Mischung von Indierock und Sprechgesang. Texte über Liebe, Trennung und das Bewahren der eigenen Ideale, über das Verzweifeln an der (ostdeutschen) Provinz und das trotzige Ausharren ebenda, wo viele andere lieber wegziehen oder gar nicht erst hinwollen.

500 Fans feierten die Band Kraftklub beim Geheimkonzert im Steinhaus Bautzen.
500 Fans feierten die Band Kraftklub beim Geheimkonzert im Steinhaus Bautzen. © Steffen Unger

„Und all der dunkle Dreck/ erst erleuchtet durch den Brandsatz/ es ist nicht alles schlecht/ aber viel mehr als woanders“, singt Felix Kummer in „Wittenberg ist nicht Paris“. Statt Wittenberg könnte da auch Bautzen stehen. Und so träumt die Band im Song „Fahr mit mir“ davon, all das hinter sich zu lassen und einfach davonzufahren in einem Lada Niva 4x4, in eine Gegend, wo keine Fahnen in den Kleingartenanlagen wehen.

Auch der Geheimauftritt im Steinhaus ist deshalb mehr als ein Spiel mit der eigenen Bekanntheit: Zwar lieben die fünf Musiker diese Form der Spontan- und Straßenkonzerte, inklusive Anreise mit der Regionalbahn wie am Donnerstag in Bautzen. Mal spielen sie dabei unangekündigt, mal unter falschem Namen oder nach einem Aufruf in den sozialen Netzwerken nur wenige Stunden zuvor, wie im September 2022 in Dresden.

Kraftklub mit klarer Botschaft gegen die AfD

Doch zum Ende des Abends formuliert Sänger Felix Kummer eine deutliche Botschaft: In Regionen, in denen die AfD bis zu 30 Prozent der Wählerstimmen erhält, seien Plätze wie das Steinhaus Bautzen wichtig und schützenswert – „als Rückzugsort für viele, denen ihre Umgebung sonst nicht sehr freundlich gesinnt ist“. Die AfD dürfe deshalb nicht die Macht erhalten, auf diese Orte zuzugreifen.

Auch für diese Ansage feiert das Publikum die Band und natürlich für all die Hits der früheren Alben: "Songs für Liam", "Randale", "Schüsse in die Luft" und die Anti-Hipster-Hymne „Ich will nicht nach Berlin“, die Kraftklub 2011 schlagartig bekannt machte. Allein in diesem Sommer spielen die Chemnitzer ein Dutzend große Open-Air-Shows, viele davon bereits ausverkauft. Für den Abschluss der Tour Anfang September in Dresden gibt es aber noch Tickets.

Die Musiker – so wirkt es an diesem Abend in Bautzen – genießen das eine ebenso so sehr wie das andere. „Und irgendwann müssen wir vom Nightliner fahren über Nacht/ Zurück zum Sprinter, sitzen zu acht“, heißt es im Song „Teil dieser Band“. Und als die letzten Zeilen erklingen, da wird es kurz ganz ruhig vor der Bühne, die Scheinwerfer leuchten in den Saal. „Alles wieder klein, könnte schlimmer sein“, singt Felix Kummer –blickt ins Publikum und nickt. Wer würde in diesem Augenblick daran zweifeln.