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Kommt der Kirchen-Brandstifter doch noch mit einer geringeren Strafe davon?

Das Urteil ist gefallen, dennoch bleibt ungewiss, wie lange der Kirchenbrandstifter von Großröhrsdorf in Haft muss. Denn sein Verteidiger will vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Von Tim Ruben Weimer
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Wegen Brandstiftung an der Stadtkirche Großröhrsdorf wurde Maik H. vom Landgericht in Bautzen zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.
Wegen Brandstiftung an der Stadtkirche Großröhrsdorf wurde Maik H. vom Landgericht in Bautzen zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. © Archivfoto: Matthias Schumann, Foto: Lausitznews

Bautzen. Der Mann, der dafür verantwortlich ist, dass die Großröhrsdorfer Stadtkirche im August 2023 niederbrannte, sitzt in Haft - für neun Jahre. So hat es das Landgericht in Bautzen am 27. Februar 2024 entschieden. Allerdings: Das Urteil wird nicht so schnell rechtskräftig werden. Denn Maik H.s Verteidiger Florian Berthold hat gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Die Revision ist das einzige mögliche Rechtsmittel gegen ein Landgerichts-Urteil, eine Berufung ist nicht möglich. Wie stehen die Chancen, dass Maik H. doch noch eine mildere Strafe erhält?

Inwiefern kann der Bundesgerichtshof das Urteil noch ändern?

Im Gegensatz zur Berufung wird bei einer Revision der Fall nicht erneut bewertet. Die Beweisaufnahme wird nicht erneut eröffnet, es werden keine Zeugen gehört. Stattdessen prüft der Bundesgerichtshof (BGH), ob das Urteil des Landgerichts ordnungsgemäß zustande gekommen ist, er geht auf Fehlersuche. Genau darauf will der Verteidiger des Beschuldigten jedoch hinaus: Nach seiner Ansicht hätte das Geständnis seines Mandanten bei der Polizei nicht verwertet werden dürfen, weil es mit unerlaubten Mitteln zustande gekommen sei.

Maik H. und sein Verteidiger Florian Berthold verloren den Prozess vor dem Bautzener Landgericht und wollen nun vor den Bundesgerichtshof ziehen.
Maik H. und sein Verteidiger Florian Berthold verloren den Prozess vor dem Bautzener Landgericht und wollen nun vor den Bundesgerichtshof ziehen. © lausitznews.de

"Es ist eine Gratwanderung, weil die verbotenen Vernehmungsmethoden im deutschen Recht im internationalen Vergleich nicht so streng geregelt sind", erklärt der Bautzener Landgerichts-Sprecher Reinhard Schade. Nicht jeder Verstoß führe gleich zu einer Urteilsanpassung. Das Gericht hatte in der polizeilichen Vernehmung des Täters keine Fehler der Polizei erkennen können.

Wie stehen die Chancen, dass der BGH die Revision zulässt?

Dass der Großröhrsdorfer Kirchenbrand erneut vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wird, erscheint als sehr unwahrscheinlich. Nur bei etwa fünf Prozent der Revisionen in Strafprozessen wird tatsächlich eine Hauptverhandlung eröffnet. Allerdings kann der BGH das gefällte Urteil auch ohne Verhandlung per Beschluss aufheben. Es liegt in der Hand des Verteidigers Florian Berthold, dem BGH schlüssig die Gründe für die Revision darzulegen. "Er muss nicht nur den angeblichen Verstoß darstellen, sondern auch begründen, dass dieser Verstoß Auswirkungen auf das Urteil haben würde", erklärt Landgerichts-Sprecher Reinhard Schade. "Man muss wirklich gut darin sein, diese Zusammenhänge schlüssig darzustellen."

Was passiert, wenn der BGH der Revision recht gibt?

Hebt der Bundesgerichtshof tatsächlich das gefällte Urteil auf, wird der Prozess zurück ans Landgericht verwiesen. Dann würde der Fall an einem anderen Standort erneut verhandelt werden, also nicht in Bautzen, sondern in Görlitz.

Bis zu dieser Entscheidung wird jedoch einiges an Zeit ins Land ziehen. Zunächst muss das Landgericht nun das schriftliche Urteil verfassen, dafür hat es bis zum 16. April 2024 Zeit. Danach wird es an die Beteiligten zugestellt. Verteidiger Florian Berthold hat nach der Zustellung einen weiteren Monat Zeit, um die Revisionsbegründung an den BGH zu verfassen. Laut Statistik des BGH vergingen zwischen gefälltem Urteil und Entscheidung des BGH im Jahr 2023 nur in Ausnahmefällen weniger als drei Monate, selten aber länger als ein Jahr.

Welche Urteile gab es in anderen Fällen von Kirchenbrandstiftung?

Die Brandstiftung an einer Kirche wird - im Gegensatz zu Brandstiftung an anderen öffentlichen Gebäuden wie etwa Museen - immer als "schwere" Tat eingestuft. Der Strafrahmen für Maik H. hatte deshalb zwischen einem Jahr und 15 Jahren Gefängnis gelegen. Viele Großröhrsdorfer sind der Meinung: Neun Jahre Haft sind zu wenig. Wie haben Gerichte in anderen Fällen entschieden?

Am 7. August 2023 wurde ein Mann zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt, weil er einen Brandanschlag auf die katholische Pfarrkirche in Wissen (Rheinland-Pfalz) verübt hatte, der Schaden betrug zwei Millionen Euro und damit deutlich weniger als in Großröhrsdorf (35 Millionen Euro). Der Angeklagte hatte in der Tatnacht zudem viel Alkohol getrunken und sich nachher vor Gericht für die Tat entschuldigt. Beim Großröhrsdorfer Täter war keine Einsicht zu erkennen.

Am 5. März 2015 wurde ein Mann zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, er hatte die katholische St.-Antonius-Kirche in Wickede an der Ruhr in Brand gesetzt. Das Feuer hatte hier 50.000 Euro Schaden angerichtet, auch hier zeigte der Täter Einsicht und Reue, obwohl es nicht seine erste Brandstiftung war und er sich mit der Tat bei der Kirche rächen wollte, weil er einen Job als Küster nicht erhalten hatte.

Mit Großröhrsdorf am ehesten vergleichbar ist die Brandstiftung an der katholischen Jodok-Kirche in Ravensburg. Der Täter erhielt am 25. September 2018 eine Haftstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten. Auch hier hatte der Täter aus Frust über seine Lebenssituation entschlossen, "dass es jetzt knallen soll". Mit dem Foto einer Geliebten hatte er eine Couch in der Kirche angezündet und war danach eine Portion Schupfnudeln essen gegangen. Der Täter war allerdings bereits vielfach vorbestraft.

Dem Bautzener Gericht waren für die vergleichsweise harte Verurteilung des Brandstifters der Großröhrsdorfer Kirche vor allem der immens hohe entstandene Schaden und die Uneinsichtigkeit des Täters entscheidend.