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300 Jahre Barock: Warum das Jahr 1723 für Neschwitz so wichtig war

Vor genau 300 Jahren wurden das Schloss und die Barockanlage Neschwitz vollendet. Das Heimatmuseum zeigt jetzt viele Fakten und Details dazu; auch überraschende.

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Die Schlossanlage und das Barockschloss Neschwitz wurden vor 300 Jahren fertiggestellt. Deshalb gibt es jetzt im Heimatmuseum eine Sonderausstellung
Die Schlossanlage und das Barockschloss Neschwitz wurden vor 300 Jahren fertiggestellt. Deshalb gibt es jetzt im Heimatmuseum eine Sonderausstellung © Archivfoto: Steffen Unger

Neschwitz. In der Geschichte von Neschwitz gab es zwei Jahre, die als besonders bedeutsam in die Ortschronik eingingen. Dazu zählt zum einen das Jahr 1945 – es war von Zerstörung und vom Verlust von großen Teilen des Ortsbildes geprägt. Ganz anders dagegen das Jahr 1723: In ihm entstand vieles von dem, was heute den Charakter von Neschwitz prägt und das etwa zwölf Kilometer nördlich von Bautzen gelegene Dorf zu einem beliebten Ausflugsziel macht.

Und da dies nunmehr genau 300 Jahre zurückliegt, bildet es ein bestens geeignetes Thema für die neueste Ausstellung im Neschwitzer Heimatmuseum. „Nicht nur das Neschwitzer Schloss, sondern die gesamte Barockanlage im Herzen unserer Gemeinde wurde im Jahre 1723 vollendet“, erklärt Arnd Lehmann. Er ist Mitglied im Verein der Kultur- und Heimatfreunde Neschwitz und kümmert sich federführend um die Gestaltung der Sonderausstellungen im Heimatmuseum.

Arnd Lehmann von den Kultur- und Heimatfreunden hat eine interessante und unterhaltsame Ausstellung über die Neschwitzer Barockanlage gestaltet.
Arnd Lehmann von den Kultur- und Heimatfreunden hat eine interessante und unterhaltsame Ausstellung über die Neschwitzer Barockanlage gestaltet. © Uwe Menschner

Deren jüngste und insgesamt 50. trägt die Bezeichnung „300 Jahre Barockanlage Neschwitz“ und wurde am 16. Juli 2023 eröffnet. Mehr noch als sonst stellte die Vorbereitung für Arnd Lehmann und seine Mitstreiter eine große Fleißaufgabe dar. „Bei anderen Ausstellungen, wie zuletzt zu den Dampfmaschinen, sorgen die Sammler, die hier ihr Hobby präsentieren, für den Großteil der Ausstattung“, erklärt er.

Es gab ein Strafgefangenenlager in Neschwitz

Für die Jubiläumsausstellung zum Schloss und seinen Nebenanlagen hingegen galt es, Informationen, Bilder und Gegenstände aus vielen verschiedenen Quellen zusammenzutragen und zu einem stimmigen Ganzen zu verbinden.

Dass dies Arnd Lehmann, wie schon so oft, auch diesmal überzeugend gelungen ist, zeigten die Reaktionen der Besucher. Dass es zum Beispiel in ihrem Dorf einst ein Strafgefangenenlager gab, wissen auch viele alteingesessene Neschwitzer nicht mehr, oder zumindest ist die Erinnerung daran verblasst. „Das Gefangenenlager bildet einen Teil der wechselvollen Geschichte des Areals um den Jagdpavillon, auf dem sich heute die Jugendherberge befindet“, so Arnd Lehmann.

Zuvor hatte es dort bereits ein Lager des Reichsarbeitsdienstes gegeben, von dem auch die Baracken stammten, die lange Zeit noch das Bild der Herberge prägen sollten. „Die Strafgefangenen arbeiteten größtenteils beim Braunkohleabbau in Puschwitz mit. Einige von ihnen halfen aber auch beim Wiederaufbau der vielen in den letzten Kriegstagen zerstörten Häuser in Neschwitz“, hat der Museums-Verantwortliche in den Reihen der Heimat- und Kulturfreunde herausgefunden.

Altes Schloss diente Herzog als Sommerresidenz

Solche Geschichten gibt es über jeden Bestandteil der Neschwitzer Barockanlage zu erzählen: ob über das Rittergut, das sich einst im heutigen Parkgelände befand und später an die Kamenzer Straße verlegt wurde, über den teils im englischen, teils im französischen Stil gestalteten Landschaftspark, den Herrenpavillon mit der Vogelschutzwarte oder den Archivpavillon mit der Naturschutzstation des Landkreises Bautzen.

Das Herzstück der Neschwitzer Barockanlage und somit auch der 50. Sonderausstellung im Heimatmuseum bildet jedoch das Barockschloss, auch als altes Schloss bezeichnet, das seinen Erbauern Herzog Friedrich Ludwig von Württemberg-Teck und Ursula Katharina Reichsfürstin von Teschen ab 1723 als Sommerresidenz diente. Doch bereits 1775 wurde es nicht mehr benötigt, da sich die neue Besitzerfamilie von Riesch das neue Schloss gebaut hatte und dort eingezogen war.

Erst 1806 besann sich Issak Wolfgang Graf von Riesch auf den barocken Prachtbau und nutzte ihn als Museum für seine Kunstschätze. „Man kann die Bedeutung dieser Sammlung aus heutiger Sicht gar nicht hoch genug schätzen“, betont Arnd Lehmann. „Zu ihr gehörten Mineralien und Münzen, Kupferstiche und der Antike nachempfundene Plastiken, wertvolle Gemälde und etwa 6.000 historische Buchbände.“

Schloss in Neschwitz ist beliebter Ort für Hochzeiten

Von dieser Sammlung ist allerdings kaum noch etwas übrig: „Nach dem Kriegsende im Mai 1945 bargen sowjetische oder polnische Truppen – wer genau, wissen wir nicht – diese Schätze. Seitdem gelten sie als verschollen“, umschreibt Arnd Lehmann die damaligen Vorgänge sehr diplomatisch. Andere Quellen nutzen das Verb „plünderten.“ Nur einige Kleinplastiken, die von Riesch dem Bautzener Museum übergeben hatte, können in der Ausstellung als Leihgabe gezeigt werden.

Ironie des Schicksals: Während das neue Schloss 1945 abbrannte, überstand das alte Schloss die Kriegswirren und befindet sich heute im Eigentum der Gemeinde Neschwitz. Diese nutzte und nutzt es in vielfältiger Form: nach 1945 als Kindergarten und Schule, heute unter anderem für kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen und Vereinsräume. Und noch eine wichtige Funktion nennt der Neschwitzer Bürgermeister Gerd Schuster, der als Gast an der Ausstellungseröffnung teilnahm: „Unser Schloss ist der beliebteste Ort für Hochzeiten im nördlichen Kreisgebiet.“

Das Neschwitzer Heimatmuseum befindet sich auf der Kamenzer Straße 2a. Es ist sonntags von 13.30 bis 17 Uhr geöffnet. Außerhalb dieser Zeiten sind Führungen nach Absprache mit Arnd Lehmann, Telefon 035933 30179, möglich.