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Nein zum Ja-Wort: Stadtrat erteilt Bautzens OB Abfuhr

Eigentlich wollte Alexander Ahrens Standesbeamter werden und Paare trauen. Doch der Stadtrat stoppte ihn – vor allem aus einem Grund.

Von Theresa Hellwig
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Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) wollte als Standesbeamter Brautpaare trauen - aber darf es nicht.
Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) wollte als Standesbeamter Brautpaare trauen - aber darf es nicht. © Archivfoto: Steffen Unger

Bautzen. „Sie dürfen die Braut jetzt küssen“ – wie viele Male wird sich der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) wohl vorgestellt haben, wie es ist, diesen Satz zu sagen? Wie viele Male wird er sich ausgemalt haben, wie ein glückliches Paar das Standesamt verlässt – getraut vom Bautzener Oberbürgermeister höchstpersönlich? Nun steht fest: Daraus wird nichts. Aus der Traum vom Oberbürgermeister als Standesbeamten. Zerplatzt wie eine Seifenblase, die zur Feier der frisch Vermählten in die Lüfte steigt.

Der Seifenblase den entscheidenden Piks verpasst haben die Bautzener Stadträte in der vergangenen Stadtratssitzung. Nur vier der anwesenden Räte stimmten dafür, dass Alexander Ahrens zum Eheschließungsstandesbeamten ernannt wird. Zehn Räte enthielten sich, mit 13 Stimmen votierte eine Mehrheit gar gegen den Antrag.

Vorangegangen war eine Debatte, in deren Verlauf der Oberbürgermeister immer aufgebrachter wurde. Zunächst hatte er noch mit ruhiger Stimme vorgetragen, worum es ihm geht. Er wolle das Standesamt entlasten.

Tatsächlich hat die Zahl der Eheschließungen in den vergangenen Jahren in Bautzen allerdings abgenommen. So gab es 2015 insgesamt 236 Trauungen, 2018 waren es nur noch 181 und 2020 dann nur noch 176. Die Stadt habe aber die Rückmeldung erhalten, „dass es begrüßt werden würde, wenn der Oberbürgermeister selbst die Trauung vollzieht“, so Stadtsprecherin Josephine Brinkel. Und: Es komme immer wieder zu personellen Engpässen im Standesamt.

CDU-Stadträtin: "Aufgaben des OB liegen woanders"

Alexander Ahrens hat deshalb bereits eine dreitägige Schulung mit dem Titel „Eheschließungsrecht für Bürgermeister“ besucht, um als Standesbeamter tätig sein zu können. So geht es auch aus dem Antrag der Verwaltung hervor. Nun hätte ihn der Stadtrat nur noch zum Standesbeamten ernennen müssen. Ihm quasi das Ja-Wort geben.

Doch statt verliebter Blicke von Brautpaaren erntete Ahrens aus den Reihen der Stadträte vielmehr kritische Fragen. Wie viele Trauungen er denn so durchführen wolle, wollte der fraktionslose Stadtrat Dirk Lübke wissen. Ob der Umfang der Aufgaben absehbar sei, fragte Jonas Löschau von den Grünen. Monika Vetter von der CDU erklärte, dass sie die Aufgaben des Oberbürgermeisters eigentlich woanders sehe, stehe die Stadt doch gerade vor recht großen Herausforderungen. So sei der OB aus ihrer Sicht eigentlich woanders gefragt, nämlich in Dresden – um sich dafür einzusetzen, dass Bautzen ein Stück vom Kuchen aus dem Strukturwandel-Fördermitteltopf abbekommt.

OB: "Hätte es nicht gemacht, wenn ich es für Unsinn hielte"

Alexander Ahrens zeigte sich irritiert. „Eine dreitägige Fortbildung führt nicht dazu, dass ich anderes schleifen lasse“, erklärte er. Als Oberbürgermeister habe er eine Generalistenfunktion – und die Fortbildung habe er schließlich bereits abgeschlossen. Was die anstehenden Trauungen an Arbeit abverlangen würden, beantwortete er nicht. Kurz darauf wurde er jedoch laut. „Ich hätte das nicht gemacht, wenn ich das für Unsinn halten würde“, sagte er. Vor allem am Wochenende könne das Standesamt wirklich Hilfe gebrauchen.

CDU-Stadtrat Tobias Schilling kommentierte das mit den Worten: „Man kann nicht auf allen Festen tanzen!“ Er sorge sich, dass es vielleicht sogar das Gegenteil von Hilfe für das Standesamt sein könne, wenn der OB höchstpersönlich künftig Trauungen vornehme. „Am Ende gibt es noch einen Ansturm – und alle wollen vom Oberbürgermeister getraut werden“, so Schilling. Er sehe da eine Mehrbelastung kommen.

Kein Ja-Wort für den OB als Standesbeamten

Mit angesäuerter Stimme entgegnete Ahrens, dass er die Debatte doch sehr „interessant“ finde. „Sind mehr Eheschließungen nicht eigentlich das Ziel der CDU?“, fragte er. Umstimmen ließen sich die Fraktionsangehörigen aber offensichtlich nicht.

Für den OB in die Bresche sprang sein Parteikollege Roland Fleischer. „Mich wundert die kritische Diskussion“, sagte der SPD-Fraktionschef. „Der Oberbürgermeister tut hier etwas für die Stadt und die Menschen in der Region“, sagte er. „Er rechnet die Stunden nicht ab!“ Doch der Versuch, den Streit zu schlichten, fruchtete nicht. „Es sind jetzt alle Fragen beantwortet“, entschied Alexander Ahrens kurz darauf – und beendete die Debatte. Er wundere sich, warum es nicht vorab mehr kritische Fragen gegeben habe.

Diese Ehe geht in die Brüche, bevor sie beginnt – das Ja-Wort vom Stadtrat gab es nicht. „Vielen Dank dafür“, kommentierte der quasi am Altar Stehengelassene das Abstimmungsergebnis trocken. Er sei verärgert, erklärte er – und wendete sich dann wieder trockeneren Themen zu. Der nächste Punkt auf der Tagesordnung: die mögliche Gründung einer Tochtergesellschaft der Bautzener Wohnungsbaugesellschaft – und was das steuerrechtlich bedeutet. Nach Rosenduft, Sektperlen und Seifenblasen klingt das nicht.