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Messie-Hof in Kohlwesa zwangsgeräumt

Müll, Ratten, Gestank: Jahrelang kämpften Einwohner von Kohlwesa gegen die Zustände auf einem Gehöft. Jetzt ist der Bewohner weg - doch Probleme bleiben.

Von Franziska Springer
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Reichlich vier Jahre lang ließ ein Bewohner ein Gehöft in Kohlwesa - hier eine Aufnahme von Februar 2020 - verkommen, hielt Tiere unter schlechten Bedingungen und hortete Unrat. Jetzt musste er ausziehen.
Reichlich vier Jahre lang ließ ein Bewohner ein Gehöft in Kohlwesa - hier eine Aufnahme von Februar 2020 - verkommen, hielt Tiere unter schlechten Bedingungen und hortete Unrat. Jetzt musste er ausziehen. © SZ/Uwe Soeder (Archiv)

Hochkirch. Seit anderthalb Wochen herrscht in Kohlwesa sonnige Stimmung. Der Grund: Der Bewohner des als Messi-Hof bekannt gewordenen Anwesens in der kleinen Hochkircher Ortschaft musste den Hof verlassen. "Wenn es nicht verboten wäre, würden wir jetzt ein Dorffest feiern", sagt Nachbarin Simone Dohlich strahlend.

Matthias Nerger, der ebenfalls vis-á-vis des vermüllten Hofes wohnt, erinnert sich noch gut an jenen Tag vor vier Jahren und sieben Monaten, als der neue Mieter Ingo-Matthias F., einzog: "Abends halb zehn sind damals 20 Schweine frei durch's Dorf gelaufen. Das war sein Einstand."

Seither haben die Anwohner einiges erlebt: Nur rund ein halbes Jahr habe es gedauert, erzählen sie, bis sich auf dem Hof der Müll stapelte, dreimal habe es gebrannt. Immer wieder habe F., dem später wahnhafte Paranoia und verminderte Schuldfähigkeit attestiert wurden, Schweinemist aus dem Stall gekippt - vor die Küche von Sonja und Johannes Elz. "Man konnte dann vor Gestank kein Fenster mehr öffnen", berichtet die Hausherrin.

Gerichtliche Auflagen hielt der Bewohner ein

Bei einem Polizeieinsatz wurden im Mai 2018 Schweine, Federvieh und Hunde aus erbärmlicher Haltung befreit. Was folgte, war eine Gerichtsverhandlung gegen Ingo-Matthias F.. Das Urteil, das im Februar vergangenen Jahres fiel, war eindeutig: Nie wieder soll es dem EU-Rentner F. erlaubt werden, Tiere zu halten. Daran habe er sich gehalten, habe auch auf den Hund verzichtet, dessen Haltung ihm das Gericht zugebilligt hatte. Lediglich ein paar Katzen hätten noch auf dem Hof gelebt. "Als die Tiere weg waren, war es wenigstens nicht mehr so laut", sagt Simone Dohlich.

Bei seinem Gerichtstermin im Februar 2020 hatte Ingo-Matthias F., hier mit seiner Anwältin, sich uneinsichtig gezeigt und die Ämter für den erbärmlichen Zustand der Tiere auf seinem Hof verantwortlich gemacht. Im selben Verfahren attestierte ihm ein Gutac
Bei seinem Gerichtstermin im Februar 2020 hatte Ingo-Matthias F., hier mit seiner Anwältin, sich uneinsichtig gezeigt und die Ämter für den erbärmlichen Zustand der Tiere auf seinem Hof verantwortlich gemacht. Im selben Verfahren attestierte ihm ein Gutac © Archivfoto: Lausitznews/Jens Kaczmarek

Am Morgen des 21. Januars dieses Jahres, berichtet die vierköpfige Gruppe, sei die Polizei erneut vorgefahren. Im Gepäck hatten sie jenen Beschluss zur Zwangsräumung, um den der Eigentümer des Gehöfts lange gekämpft hatte. Ingo-Matthias F. war da schon ausgezogen. "Am Dienstagabend, zwei Tage vor der Zwangsräumung, kam ein Freund von F. mit einem Lkw. Wahrscheinlich haben sie da schon die Habseligkeiten aufgeladen und sind weggefahren", vermutet Matthias Nerger.

Das bestätigt Hochkirchs Bürgermeister Norbert Wolf (parteilos). Dafür, dass die Räumung so lange auf sich warten ließ, hat er kein Verständnis: "Es war fast schon lächerlich, was da seitens der Gerichte passiert ist. Da war nicht einmal jemand vor Ort."

F.s Spur führt ins Erzgebirge

F.s Spur führt indes ins Erzgebirge. Steffi Schädlich (Freie Wähler), Bürgermeisterin der Gemeinde Lichtenberg, bestätigt auf Anfrage von Sächsische.de, dass F. in der kleinen Ortschaft Müdisdorf ein Grundstück besitze. Gesehen habe sie ihn dort zwar bislang noch nicht, vermutet aber, dass er zurückkehren wird. Froh stimmt sie das nicht.

"Ich arbeite schon lange in der Gemeindeverwaltung und kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als er noch in Müdisdorf gewohnt hat." Nach seinem Wegzug, erzählt sie weiter, habe sie immer aus dem Augenwinkel beobachtet, wo er sich aufhielt, habe Zeitungsartikel gelesen und steht inzwischen in engem Kontakt mit seinem gerichtlich eingesetzten Betreuer.

Dass sich die Geschichten, die sich erst im Malschwitzer Ortsteil Kleinbautzen und anschließend in Kohlwesa ereignet haben, in Müdisdorf wiederholen, hält sie für "nicht unwahrscheinlich" und macht sich Sorgen. Denn auf seinem privaten Besitz kann F. im Grunde genommen machen, was er will. "Ein Richter hat mir gesagt, es gebe ein Recht auf Verwahrlosung. Selbst wenn sich dort die Ratten breitmachen, kann man nicht unmittelbar eingreifen", so Schädlich.

Simone Dohlich, Matthias Nerger und das Ehepaar Johannes und Sonja Elz (v. l.) sind froh, dass ihr Nachbar, der einen Hof in Kohlwesa völlig vermüllen ließ, nun endlich ausgezogen ist.
Simone Dohlich, Matthias Nerger und das Ehepaar Johannes und Sonja Elz (v. l.) sind froh, dass ihr Nachbar, der einen Hof in Kohlwesa völlig vermüllen ließ, nun endlich ausgezogen ist. © Steffen Unger

Eine Nagerplage ist es auch, die die Anwohner aus Kohlwesa jetzt fürchten. Denn den ganzen Unrat hat F. bei seinem Weggang dagelassen. Bis zu dreimal am Tag, erzählt Johannes Elz, sei F. losgefahren, um Müll zu klauen - vermutlich aus Supermarkt-Containern. Was er nicht verbrauchen konnte, blieb liegen. Und liegt da bis heute.

Neben einer Kiste vergammelnder Kohlköpfe türmen sich Netze mit Orangen und Rosenkohl. Die Kühlschränke vor der Eingangstür sind vollgestopft mit Suppenfleisch, Nackensteaks und Hasenkeulen. Selbst bei frostigen vier Grad minus stinkt es am Montagmorgen bestialisch. Drinnen sehe es nicht besser aus, berichten die Anwohner. "Seit hier die Tiere weggeholt wurden, ist dort nicht gereinigt worden", erzählt Sonja Elz.

Die Nachbarn hoffen nun, dass der Hof beräumt wird, bevor es wieder Frühling wird und die Temperaturen steigen. Dass das Grundstück von Ratten heimgesucht wird - es wäre nicht das erste Mal, so Matthias Nerger: "Die haben auf den Fensterbrettern Samba getanzt."

Die Kosten für die aufwendige Säuberung des weitläufigen Anwesens werden wohl auf dessen Eigentümer zurückfallen. Der reagierte am Montag nicht auf eine Anfrage von Sächsische.de, hatte aber bereits vor einem Jahr angekündigt, den Hof verkaufen zu wollen, sobald er seinen unliebsamen Mieter losgeworden sei.

Trotz frostiger Temperaturen schlägt einem beim Öffnen des Kühlschranks vor dem Haus der Geruch von gammeligem Fleisch entgegen.
Trotz frostiger Temperaturen schlägt einem beim Öffnen des Kühlschranks vor dem Haus der Geruch von gammeligem Fleisch entgegen. © SZ/Franziska Springer
Bergeweise stapeln sich vor dem Dreiseitenhof Obst und Gemüse zwischen anderem Unrat.
Bergeweise stapeln sich vor dem Dreiseitenhof Obst und Gemüse zwischen anderem Unrat. © SZ/Franziska Springer
Auch technische Geräte lagern auf dem Gelände.
Auch technische Geräte lagern auf dem Gelände. © Steffen Unger

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