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Kreis Bautzen: Schuljahr startet mit Unterrichtsausfall

Gekürzter Stundenplan, Vertretung durch schulartfremde Lehrer: An vielen Schulen im Landkreis Bautzen ist die Lehrersituation besorgniserregend.

Von Lucy Krille
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Die neue Schulleiterin Ulrike Olbort kann zufrieden sein, denn an ihrer Oberschule in Bischofswerda ist der Unterricht weitestgehend abgesichert. Doch an vielen anderen Schulen fallen reihenweise Stunden aus, weil Lehrer fehlen.
Die neue Schulleiterin Ulrike Olbort kann zufrieden sein, denn an ihrer Oberschule in Bischofswerda ist der Unterricht weitestgehend abgesichert. Doch an vielen anderen Schulen fallen reihenweise Stunden aus, weil Lehrer fehlen. © Steffen Unger

Bautzen/Bischofswerda/Kamenz. Am Anfang von Ulrike Olborts Schullaufbahn war der Lehrermangel kaum ein Thema. Die neue Direktorin der Oberschule Bischofswerda konnte damals nach ihrem Referendariat nicht einmal als Lehrerin in Bischofswerda anfangen. "Denn Lehrer für Physik und Mathe gab es wie Sand am Meer", erzählt Olbort. Nach Stationen in Görlitz, Pirna und Bretnig-Hauswalde ist sie nun wieder zurück, und die Herausforderungen sind andere als damals.

Der Lehrermangel treibt viele Schulen in Sachsen um, Stellen können nicht besetzt werden, Unterricht fällt dauerhaft aus. An Bischofswerdas Oberschule sieht es noch vergleichsweise gut aus, denn außer einzelnen Ausfällen in Chemie und Biologie ist das Schuljahr gut angelaufen, berichtet Olbort, die in diesem Sommer die vorherige Direktorin Sabine Grünke abgelöst hat. Auch einige junge Kollegen aus der Region seien mit im Lehrerteam.

Am Kamenzer Gymnasium fehlen drei Vollzeitkräfte

Auf langfristige Sicht werden aber alle Schulen den Lehrermangel zu spüren bekommen, manche mehr, manche weniger. Rektor Wolfgang Rafelt spricht am Kamenzer Lessing-Gymnasium von einer erschütternden Situation, die im Vergleich zum vorigen Winter noch schlechter geworden sei. Ihm fehlen mindestens drei Vollzeitkräfte. Davon seien neben einzelnen Stunden in Physik, Sport und Französisch vor allem die Hauptfächer Deutsch, Englisch und Mathematik betroffen.

Für Mathematik habe es diesen Sommer nicht einen einzigen Bewerber gegeben, während andere Lehrkräfte in den Ruhestand gegangen sind. "Wenn eine Lehrkraft ausfällt, gibt es mittlerweile keine Vertretung mehr", macht Rafelt den Ernst der Lage klar. Wohl oder übel musste er den Eltern vieler Schüler in der Sekundarstufe 1 mitteilen, dass ihre Kinder jeden Tag eine Stunde eher als geplant zu Hause sein werden.

Die Situation ist nicht neu, sie wird nur immer akuter, vor allem in Ostsachsen. Für den Bereich Bautzen, zu dem die Landkreise Görlitz und Bautzen zählen, meldeten sich vor Beginn des neuen Schuljahres 70 Bewerber - bei über 200 offenen Stellen. Am Ende konnte das Landesamt für Schule und Bildung 114 neue Lehrer und Lehrerinnen einstellen, sodass immer noch fast jede zweite freie Stelle nicht besetzt ist. Das Einstellungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, doch die Hoffnung bei den Schulen ist eher gering, dass noch neue Lehrkräfte dazustoßen.

Unterrichtsausfall in fast allen Fächern

Damit jede Klasse zum Schuljahresbeginn einen Klassenlehrer hat, musste das Landesamt während der Sommerferien Abordnungen organisieren. Um das vor allem in den Grundschulen zu gewährleisten, wurden teilweise sogar Lehrer von anderen Schularten abgeordnet. So unterstützt etwa das Berufliche Schulzentrum Bautzen eine Grundschule im Kreis mit einer Vollzeitstelle.

In den weiterführenden Schulen fehlen nach Angaben vom Landesamt vor allem Lehrkräfte in den Naturwissenschaften und Mathe, aber auch in einzelnen Sprachen sowie in Kunst, Musik und Sport. Dass inzwischen fast unabhängig vom Fachbereich Lehrer fehlen, bestätigt auch eine Umfrage von Sächsische.de an den Oberschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulzentren im Landkreis Bautzen. Überall fallen bereits jetzt Stunden aus. Das betrifft - je nach Schule - Hauptfächer, Sprachen, Naturwissenschaften oder auch Inklusionsstunden.

"Es wird immer schwieriger", sagt Bodo Lehnig, Schulleiter des Gymnasiums in Bischofswerda. An seiner Schule seien aber nicht nur altersbedingt Kollegen gegangen, sondern auch viele junge Mütter, die eine Elternzeit-Pause einlegen. Das sei nun eine Folge der vielen Neueinstellungen am Gymnasium. "Das ist eine Phase, da müssen wir durch", zeigt sich Lehnig noch relativ zuversichtlich, dass es langfristig wieder besser werden könnte.

Langfristige Lösungen müssen her

Er ist sich mit seinem Kollegen vom Kamenzer Gymnasium einig, dass der Fokus auf den Abitur-Vorbereitungen der Abschlussklassen liegen müsse. Um aber auch die unteren Klassen nicht zu sehr zu belasten, werde der Ausfall gleichmäßig auf die Klassenstufen fünf bis zehn verteilt.

Am Sorbischen Gymnasium in Bautzen konnte die Personalsituation zumindest ein klein wenig durch Lehrkräfte entspannt werden, die weiter einige Stunden unterrichten, obwohl sie bereits im Rentenalter sind. Doch langfristig gesehen wird das nicht reichen. In ganz Sachsen bewarben sich knapp 900 Lehrer auf 1.500 zu besetzende Stellen. Fast 70 Prozent wollten nach Dresden oder Leipzig.

Mario Metzner, Vorsitzender des Bautzener Kreiselternrates, fordert deshalb, die Lehrerausbildung auch im ländlichen Raum zu etablieren, damit der Nachwuchs nicht an die großen Städte verloren geht. "Denn wenn die jungen Leute sich einmal in Dresden oder Leipzig eingelebt haben, ist die Chance geringer, dass sie wieder zurückkommen", ist er sich sicher.

Zudem regt Metzner an, dass die Schulen mit den Absolventen in Kontakt bleiben. Das könnte dazu führen, dass Lehramtsstudierende nach dem Studium wieder an ihre alte Schule kommen. Auch Ulrike Olbort merkt, dass sie sich nach über 20 Jahren immer noch am wohlsten an "ihrer" Schule fühlt: "Man identifiziert sich ganz anders mit der Schule", sagt sie.