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Bergsteiger hilft in Nepal

Reinhard Richter aus Cunnersdorf flog zum elften Mal ins Everest-Gebiet. Diesmal klopfte er an viele Türen.

Von Ina Förster
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Reinhard Richter übernachtete fast ausschließlich bei nepalesischen Familien. Diesen beiden Kindern brachte er obendrein das Schneemannbauen bei, das hier noch keiner kannte.
Reinhard Richter übernachtete fast ausschließlich bei nepalesischen Familien. Diesen beiden Kindern brachte er obendrein das Schneemannbauen bei, das hier noch keiner kannte. © Reinhard Richter

Kamenz. Temperaturen bis minus 25 Grad. Schnee, wohin das Auge reicht. Und kaum Touristen unterwegs – das sind Optimalbedingungen für Reinhard Richter. Der Cunnersdorfer war im Januar wieder vier lang Wochen in Nepal. Ganz bewusst. Ganz entspannt. „Diesmal ging es für mich nicht um die Besteigung eines Achttausenders oder riesige Gewaltmärsche. Ich wollte einfach in meine Herzenheimat. Wenn ich dort ankomme, relativiert sich alles“, schwärmt der 63-Jährige.

Das Everest-Gebiet bereiste er nun schon zum elften Mal. Auch für größere Gipfel-Expeditionen. „Aber ich wollte diesmal ganz nah dran sein, die Menschen kennenlernen. Ihre Lebensweise verinnerlichen“, sagte Richter. Jahrelang hatte er die Armut der Nepalesen gesehen. Und ihre Gastfreundschaft am eigenen Leib erlebt. Nun wollte der Cunnersdorfer auch etwas zurückgeben. „Ich habe beispielsweise von einer hiesigen Elektrofirma Geld- und Sachsspenden im Vorfeld bekommen. Auch die Kamenzer Strickfeen, die sich regelmäßig bei Handrack‘s treffen, haben mit sehr viele ihrer handgefertigten Waren mitgegeben“, freut er sich. So startete Reinhard Richter am 6. Januar mit einem schwer beladenen Rucksack Richtung Kathmandu. Von dort aus ging es mit dem Flugzeug bis Lukla mitten im Everest-Gebiet. Dort steht einer der gefährlichsten Flughäfen der Welt. „Die Landbahn geht steil nach oben. Beim Start geht es bergab. Das ist schon gewöhnungsbedürftig. Aber ich war nun schon so oft da – da vertraut man den Piloten einfach. Es sind übrigens die Besten“, lacht Richter.

Beim Helikopter-Flug von Lukla nach Kathmandu gab es noch einmal einen wundervollen Blick von oben.
Beim Helikopter-Flug von Lukla nach Kathmandu gab es noch einmal einen wundervollen Blick von oben. © Reinhard Richter

Mindestens 20 Kilogramm schleppte der Weltenbummler an den ersten Tagen mit sich herum. Unterwegs wurde dieser freilich leichter. „Die Menschen haben mich meistens erst einmal ungläubig angesehen, wenn ich an ihre Türe geklopft habe“, erzählt er. Doch seine herzliche Art und die kleinen Mitbringsel öffneten ihm alle Pforten. So nah wie er, kommen normale Touristen dem Alltag sonst nicht. Einfache Bergbauern leben hier. In den größeren Orten etwa 200 Menschen auf einem Fleck. Die Familien wohnen in einfachen Hütten. Im Januar – dem kältesten Monat im Jahr – gehen die Kinder aus den Bergdörfern auch für zwei Monate nicht in die Schule. 

Nachts, wenn die Sonne nicht mehr scheint, wird es dermaßen kalt, dass sich alle in ihren Behausungen nur noch aneinanderdrängen und gegenseitig wärmen. Tagsüber heizt man sich draußen an der Sonne auf. Verrichtet kleine Arbeiten, wäscht Wäsche im geschmolzenen Schnee oder kocht Essen. Yaks gibt es hier oben in der Schnee-Einsamkeit. Und ein paar Pferde. Die Kinder spielen gern in der weißen Pracht. „Aber einen Schneemann kannten sie nicht“, lacht Reinhard Richter. „Ich habe ihnen dann gezeigt, wie man einen gebaut. Das ganze Dorf ist dazu gekommen und bis abends wurde fleißig geschaufelt. Das war so ein Moment, den man nicht vergisst!“

Zu Gast bei einem Bergbauern in Tongba 4.000 Höhenmetern. Tagsüber wird sich in der Sonne aufgewärmt.
Zu Gast bei einem Bergbauern in Tongba 4.000 Höhenmetern. Tagsüber wird sich in der Sonne aufgewärmt. © Reinhard Richter

Von denen gab es natürlich noch ein paar mehr. Zum Beispiel, als der 63-Jährige auf seine einzige längere Trekking-Tour zum Kala Patthar startete. Dies ist ein Aussichtsberg in unmittelbarer Umgebung zum Mt. Everest. Etwas über 5000 Höhenmeter und eigentlich ein Spaziergang für Reinhard Richter. Doch ein seltenes Wetterphänomen kam dem erfahrenen Bergsteiger dazwischen. Das sogenannte „Whiteout“. Vor allem in Polargebieten und im Hochgebirge kann dies auftreten. Das gesamte Blickfeld zwischen Schnee und diffusem Sonnenlicht scheint gleichmäßig hell zu sein. Das hat ein Verschwinden des Horizontes zur Folge, Boden und Himmel gehen nahtlos ineinander über. Auch Konturen oder Schatten sind nicht mehr erkennbar und der Beobachter hat das Gefühl, sich in einem völlig leeren, unendlich ausgedehnten grauen Raum zu befinden. 

So erging es auch Richter. „Ich hatte plötzlich richtig Angst“, gesteht er. Hindernisse oder Abgründe konnte er nicht mehr erkennen, Entfernungen und die Steilheit des Untergrundes nicht mehr abschätzen. Glücklicherweise traf er auf einen Nepalesen, der sich ebenfalls verirrt hatte und gemeinsam schafften sie es in eine Schutzhütte, in der sie die nächsten zwei Tage zubrachten. Auch der Besuch bei einer nepalesischen Familie, deren Tochter mittlerweile in Deutschland lebt und einen Bergsteiger aus Zeißholz geheiratet hat, bewegte Reinhard Richter sehr. Und das Glänzen in den Augen des Yak-Hirten, welchem er eine nagelneue Axt schenkte, entlohnte ihn für alle Strapazen. „Ich war auf der Suche nach irgendwas. Und ich habe es in so vielen wunderschönen Schattierungen gefunden, dass ich die kommenden Monate wieder davon zehren kann“, sagt er.

Auch diese tibetischen Inschriften auf Mani-Stein fand Richter auf seiner Trekking-Tour zum Kala Patthar.
Auch diese tibetischen Inschriften auf Mani-Stein fand Richter auf seiner Trekking-Tour zum Kala Patthar. © Reinhard Richter

Nach einem abenteuerlichen Heimflug mit dem Helikopter bis Kathmandu und einem unfreiwilligen aber tollen Zwischenaufenthalt in Katar, ist er zurück. Bei den derzeitigen Temperaturen läuft er gern mal kurzärmlig herum. Im Sommer soll es nach Südtirol gehen. Mit dem weltbekannten Extrembergsteiger Heinz Kammerlander will er sich auf eine Tour machen. Diese titelt „Fünf Dreitausender an einem Tag“. Und im Herbst wird es Zeit, wieder abzuheben – Richtung Nepal. „Ich hatte durch den etwas verpeilten Rückflug keine Zeit, Geschenke zu kaufen für daheim. Meine Frau hat dann gesagt: Na, dann musst du eben noch mal hin“, lacht er.

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