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Neue Überraschung im Betrugsprozess

Ein Ingenieur kämpft am Landgericht Dresden um seine Unschuld – und reitet sich immer tiefer hinein. Seine Zeugen entlasten ihn nicht.

Von Alexander Schneider
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Hier im Landgericht wird gegen Ingenieur Mario M. verhandelt.
Hier im Landgericht wird gegen Ingenieur Mario M. verhandelt. © Achiv/Robert Michael

Dresden. Die Teile werden „Koordinaten-Messgeräte“ genannt. Es sind kleine schwarze Kästen, vollgesteckt mit Elektronik. Firmen haben dafür angeblich gerne mehr als 15.000 Euro gezahlt. Allein: Nie hat jemals ein Mensch diese angeblichen Wunderdinger gesehen, geschweige denn damit gearbeitet. Auch nach einem fast sechsmonatigen Strafprozess am Landgericht Dresden warten die Beteiligten vergeblich auf einen Beleg der Existenz dieser Geräte. 

Mario M., ein 49-jähriger Wirtschaftsingenieur aus Dresden und geistiger Vater dieser Rechenkünstler, lässt nichts unversucht, dem Gericht wenigstens einen Menschen zu präsentieren, der die schwarzen Boxen mit Super-Software, Laser und Hightech-Blootooth im Einsatz erlebt hat, also angeblich schon damit gearbeitet hat. Doch was er auch unternimmt, es geht schief. Die Firma, die die Geräte, angeblich, hergestellt hat, könne er „aus Datenschutzgründen“ nicht nennen. Das ist wohl das eigentliche Dilemma. 

Richter: "Das ist doch schon wieder falsch. Eine Lüge!"

Erst kürzlich sagte auch ein letzter Zeuge aus, er habe den schwarzen Kasten nur gesehen. Immer wieder verliest M. seitenlange Elaborate, die er in seinem Haftraum verfasst hat, um seine Unschuld zu beteuern. Bislang hat das nichts gebracht. Zuletzt entgegnete der Vorsitzende Richter auf eine von M.s Behauptungen: "Das ist doch schon wieder falsch. Eine Lüge!"

Die Frage ist, ob M. tatsächlich glaubt, was er behauptet, oder ob er nicht wahrhaben will, dass er sich in dem langen Verfahren als Kandidat für eine mehrjährige Freiheitsstrafe ganz nach oben gespielt hat. So weit, dass er nicht einmal mehr auf einen Geständnis-Bonus rechnen kann.

Geräte hin und hergeschickt

Doch der Reihe nach: M. wird unter anderem Betrug vorgeworfen. Er soll mit erfundenen Geräten Banken und Leasingfirmen über Jahre übers Ohr gehauen haben. Schaden: insgesamt rund 1,8 Millionen Euro. Diese Koordinaten-Messgeräte, die angeblich weit komfortabler ganze Räume digital vermessen können, soll M. über seine diversen Firmen mit der Firma des Mitangeklagten Gregor T., ein ebenfalls 49-jähriger Ingenieur, hin und her geschoben haben. 

Die Finanzierung der Geräte, das Stück für 17.300 Euro netto, hatte M. über Leasinggesellschaften und Banken klargemacht. Auf dem Papier kommt so eine hohe Summe zusammen, die tatsächlich auch geflossen ist. Ob auch die Ware tatsächlich "geflossen" ist? Es bleiben erhebliche Zweifel, die M. natürlich nicht teilt.

Drei fingierte Autoeinbrüche

Außerdem soll M. drei Autoeinbrüche in Kroatien sowie in den britischen Städten Liverpool und London vorgetäuscht haben. Dort seien ihm, man ahnt es, wieder mehr als hundert seiner Koordinaten-Geräte entwendet worden. Jüngst wollte Mario M. beweisen lassen, dass es seine Einbruchsanzeige in Liverpool tatsächlich gab – doch dabei kam heraus, dass die sogenannte Crime Number, also ein polizeiliches Aktenzeichen, auf der Insel schon aus ganz anderen Ziffernblöcken besteht. Der Staatsanwalt hat den Verdacht, dass M. die Autoeinbrüche nicht gemeldet, sondern der Versicherung Fälschungen vorgelegt hatte.

Ausgerechnet von dem Versicherungsmitarbeiter, den M. offenbar mit dem Schaden aus Liverpool allein um rund 400.000 Euro betrügen wollte, hoffte M. nun auf Hilfe. Der habe doch ein funktionierendes Gerät getestet, so M. Im Prozess berichtete der Zeuge, dass er das Gerät gesehen habe, allerdings nicht im Betrieb. Am Mittwoch platzte ein Sitzungstag wegen der Erkrankung eines Verteidigers. Der Prozess wird fortgesetzt.

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