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Werden Kopfnoten in Sachsen zum Auslaufmodell?

Wenn Sachsens Schüler am Freitag Zeugnisse erhalten, stehen darauf auch Noten für Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung. Über diese Kopfnoten wird schon lange diskutiert, stehen sie nun vor dem Aus?

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Kopfnoten auf einem Jahreszeugnis eines Gymnasiums: Die Diskussion um diese Zensuren in Sachsen halten an.
Kopfnoten auf einem Jahreszeugnis eines Gymnasiums: Die Diskussion um diese Zensuren in Sachsen halten an. ©   dpa/Robert Michael

Dresden/Chemnitz. An den Kopfnoten auf Schulzeugnissen scheiden sich seit langem in Sachsen die Geister - nun stehen sie erneut in der Diskussion. Eine Expertenkommission hat jüngst ihre Abschaffung empfohlen. Stattdessen soll das Lern- und Sozialverhalten der Schüler über ein "individuelles Worturteil" sowie gemeinsame Zielvereinbarungen bewertet werden.

Bei Schülervertretern und in der Wissenschaft stößt das auf Zustimmung, dagegen wollen Vertreter von Wirtschaft und Lehrern am bisherigen System festhalten.

Bei den Kopfnoten gehe es nicht um Leistungen und Erfolge, sondern um Facetten der Persönlichkeit, sagte Lilly Härtig, Vorsitzende des Landesschülerrates, der Deutschen Presse-Agentur. Und jeder Schüler sei anders. "Kopfnoten werden dem nicht gerecht, sie geben ein Schema vor, das Persönlichkeiten in regelkonform und nicht regelkonform einsortiert." Auch sei die Bewertung sehr subjektiv und in vielerlei Hinsicht anfällig für "Willkür der Lehrkraft".

Individuelle, schriftliche Rückmeldungen für die Schüler seien da weitaus sinnvoller, betonte Härtig. "Diese sind aussagefähiger. Gleichzeitig zwingen sie Lehrkräfte dazu, sich zu erklären, denn ein schriftliches Feedback kann besser nachvollzogen und gegebenenfalls diskutiert werden als eine Zahl ohne nähere Begründung."

Ähnlich kritisch geht die Leipziger Pädagogik-Professorin Maria Hallitzky mit Kopfnoten ins Gericht. Sie hätten keine erziehende, sondern nur eine urteilende Funktion, die den Schülern einen Stempel aufdrücke, den sie im schlechtesten Fall nicht wieder loswürden, sagte sie jüngst im Interview der "Leipziger Volkszeitung". Hinzu komme, dass Lehrer unterschiedliche Erwartungen an das Verhalten von Schülerinnen und Schülern stellen würden.

Lehrerverband und Ministerium verteidigen Kopfnoten

Über die Kopfnoten wird in Sachsen immer wieder diskutiert - auch Gerichte haben sich damit schon kontrovers beschäftigt. "Sie sind zwar nicht das Nonplusultra, machen aber Sinn", sagte der Vorsitzende des Sächsischen Lehrerverbandes, Michael Jung. Sie böten Orientierung und würden schon jetzt durch ein kurzes Worturteil ergänzt. Bei rein wörtlichen Beurteilungen sieht er nicht nur enormen Mehraufwand vor allem für Klassenleiter. "Das wird auch Larifari." Denn die Gefahr sei groß, dass dann auf mehrdeutige Floskeln und Wortschablonen zurückgegriffen werde - ähnlich wie das aus Arbeitszeugnissen bekannt sei. "Da muss man fragen, ob das das Ziel sein soll."

Diese Gefahr sieht auch Kultusminister Christian Piwarz (CDU), der sich in der Vergangenheit für Kopfnoten ausgesprochen hatte. Die Vorschläge der Expertenkommission will er nicht bewerten und verweist auf den anstehenden Praxischeck mit verschiedenen Regionalforen. Die Frage sei, wie es sinnvoll gelingen könne, andere Bewertungsmaßstäbe zu etablieren. Die dürften einerseits Lehrer nicht zusätzlich belasten, anderseits dürfe es nicht wie bei Arbeitszeugnissen zu einer reinen "Formelsprache" kommen. "Damit wäre dem eigentlichen Anliegen überhaupt nicht gedient", hatte Piwarz bei der Vorstellung der Empfehlungen jüngst erklärt.

"Kopfnoten sollten beibehalten werden", mahnte der Sprecher der Geschäftsführung des Sächsischen Handwerkstages, Andreas Brzezinski. Sie gäben Ausbildungsbetrieben und künftigen Arbeitgebern kurz und knapp einen ersten Hinweis, wie es um die soziale Kompetenz eines Bewerbers bestellt sei.

Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Chemnitz, Christoph Neuberg, sieht sie ebenfalls als wichtigen Indikator bei Bewerbungen um eine Lehrstelle. "Sie vermitteln einen kleinen Eindruck über das bisherige Sozialverhalten, ob Bewerberin oder Bewerber beispielsweise geeignet sind für einen Dienstleistungsjob oder für die Schichtarbeit."

Mit der Zeugnisausgabe endet am Freitag für rund 511.500 Schülerinnen und Schüler in Sachsen das aktuelle Schuljahr. Dann erhalten sie erneut auch Noten für Betragen, Ordnung und Co. (dpa)