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Personalmangel: Rezept gegen das Apothekensterben gesucht

Immer mehr Land-Apotheken müssen schließen, weil Fachpersonal fehlt. Demitz-Thumitz geht deshalb einen neuen Weg - ein Beispiel für andere?

Von Miriam Schönbach
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Die neue Rezeptsammelstelle soll die entstandene Apothekenlücke in Demitz-Thumitz schließen. Beantragt hat sie Apothekerin Cordula Grüber aus Bischofswerda. Fahrer Sven Raabe kümmert sich um die Abholung der Rezepte und die Verteilung der Medikamente.
Die neue Rezeptsammelstelle soll die entstandene Apothekenlücke in Demitz-Thumitz schließen. Beantragt hat sie Apothekerin Cordula Grüber aus Bischofswerda. Fahrer Sven Raabe kümmert sich um die Abholung der Rezepte und die Verteilung der Medikamente. © Steffen Unger

Demitz-Thumitz. Die Jalousien sind heruntergelassen. Nur das Schild „Apotheke“ weist am Gebäude Hauptstraße 45 noch auf den ursprünglichen Zweck hin. „Es ist schade, dass unsere Apotheke in Demitz-Thumitz schließen musste. Sie war die letzte Einrichtung dieser Art zwischen Bischofswerda und Bautzen“, sagt Bürgermeister Jens Glowienka (CDU). Doch seine Gemeinde steht mit dem Phänomen nicht allein da.

Laut Landesapothekenkammern haben 2023 deutschlandweit mehr als 500 Betriebe geschlossen. Allerdings fehlen in dieser Aufstellung noch all jene Einrichtungen, die wie in Demitz-Thumitz erst zum Beginn des Jahres 2024 das Geschäft aufgegeben haben. In Sachsen stehen 19 Schließungen lediglich zwei Neueröffnungen gegenüber. Bei den Gründen für das Aus sieht der Sächsische Apothekerverband nicht einen hervorgehoben. Es seien wirtschaftliche, politische, personelle Gründe, sagt Verbandssprecherin Dr. Kathrin Quellmalz.

Apotheke aus Mangel an Pharmazeuten geschlossen

Apothekerin Heike Iwan kann die Gründe für die Schließung ihrer Filialapotheke in Demitz-Thumitz genau benennen. Fehlendes Fachpersonal, sagt die Pharmazeutin. Sie hat 2001 die Adler-Apotheke in Pirna übernommen. Vier Jahre später eröffnet sie mit der Übernahme der Apotheke in Demitz-Thumitz von ihrem Vorgänger ihren zweiten Standort. 19 Jahre lang sind sie und ihre Kollegen die ersten Ansprechpartner für Medizin und Co. auf dem Dorf. „Auch in einer Filialapotheke braucht es immer einen zugelassenen Pharmazeuten. An denen mangelte es in letzter Zeit, um den Betrieb weiter ermöglichen zu können“, sagt die Apothekerin.

Die Rollläden bleiben unten. Die Apotheke in Demitz-Thumitz hat seit Januar 2024 geschlossen.
Die Rollläden bleiben unten. Die Apotheke in Demitz-Thumitz hat seit Januar 2024 geschlossen. © Steffen Unger

Für sie ist deshalb die Schließung der Apotheke Mitte Januar 2024 der logische Schritt. „Aufgrund der Personalsituation war das eine relativ dringliche Entscheidung. Ich habe versucht, fast vier Jahre einen Käufer oder einen Filialapotheker zu finden. Das war nicht möglich“, sagt Heike Iwan. Mit dem Aus geht eine Ära in Demitz-Thumitz zu Ende. 1910 eröffnete Apotheker Schulze die Einrichtung für Salben, Pillen und Kräuter im extra errichteten Haus. Die historische Inneneinrichtung im Laden ist bis heute erhalten. Das Denkmal befindet sich in Privatbesitz.

Protesttag der Apotheker weist auf Probleme hin

Auf Schulze folgt seinerzeit Apotheker Thieme-Garmann und 1938 Georg Bompach. Der gebürtige Putzkauer, so weiß Heimatforscher Jörg Nadolny, kommt 1938 aus der Stadtapotheke in Bischofswerda nach Demitz-Thumitz. Bompach führt die Apotheke bis zu seinem Tod 1959. Besonders beliebt waren die Steinsalbe für die rissigen Hände der Steinarbeiter und ein Nervenbalsam, der sogar gegen Gicht und Hexenschuss wirken sollte. In der DDR wurden die meisten Apotheken verstaatlicht, letztlich befanden sich 1989 nur noch 26 von ihnen im Privatbesitz.

Heike Iwan hat das Kapitel Demitz-Thumitz nun geschlossen. „Apotheken sind momentan kein Traumobjekt für einen jungen, dynamischen Berufsanfänger oder jemanden, der sich selbstständig machen will. Wir wissen nicht, wo die finanzielle Entwicklung hingeht“, sagt die selbstständige Apothekerin.

Ein Kritikpunkt ist unter anderen, dass das Honorar der Apotheken zu einem wesentlichen Anteil aus einem Festbetrag besteht, der die laufenden Kosten decken soll. Dieser Festbetrag wurde seit zehn Jahren nicht mehr angepasst, trotz der immens gestiegenen Kosten. Darauf machten Apotheker im Juni 2023 landesweit bei einem Protesttag aufmerksam.

Seit 2008 bundesweit jede fünfte Apotheke geschlossen

Laut einer Hochrechnung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände geht fast jeder zweite Apothekenleiter bis 2030 in Rente. Die Landesapothekenkammern melden nach Angaben des Portals "Apotheke adhoc", dass 4.000 Apotheken seit 2008 aus der Versorgungslandschaft verschwunden sind – jede fünfte Apotheke sei damit weg.

In Sachsen gibt es mit Stand vom 31. Januar 2024 noch 900 Apotheken, davon sind 277 in den Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz, sagt Kathrin Quellmalz. 2022 waren es im Freistaat noch 922 öffentliche Apotheken. Eine der wenigen jüngsten Erfolgsgeschichten aus dem ländlichen Raum ist die Stadt-Apotheke in Bischofswerda. Deren langjähriger Inhaber Johannes Rainer Klotsche übergab sie zum 1. April 2022 an Kathrin Thiele.

Doch wie geht es nun Demitz-Thumitz weiter? Die bisherigen Mitarbeiter der Apotheken-Filiale haben neue Arbeit in umliegenden Apotheken gefunden. "Den Bedarf gibt es ja überall", sagt Heike Iwan.

Darüber hinaus hat die Sonnen-Apotheke aus Bischofswerda eine Rezeptsammelstelle am Haus der Häuslichen Alten- und Krankenpflege Nitsche auf der Bahnhofstraße 7 in Demitz-Thumitz eingerichtet. „Patienten können einen Papierausdruck ihrer e-Rezepte, die sie in der Arztpraxis erbitten können, genauso wie Bestellungen aus dem Apothekensortiment mit korrekter Lieferadresse und Telefonnummer in den Briefkasten werfen“, sagt Inhaberin Cordula Grüber. Geleert wird der Kasten von Montag bis Freitag zweimal täglich.

Darüber hinaus schließen die anderen umliegenden Apotheken die entstandene Lücke in Demitz-Thumitz. Für die altehrwürdige, mehr als 100-jährige Institution im Granitdorf ist damit das letzte Kapitel geschrieben.