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"Das Wasser stand 30 Zentimeter hoch in unserer Küche"

Nach den Überschwemmungen in Neukirch/Lausitz muss ein Paar sein Haus sanieren und zeitweise im Wohnwagen leben. Die Hilfsbereitschaft im Ort ist groß.

Von Richard Walde
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Grundstück und Haus von Anett Raffelt und Sebastian Schramm in Neukirch/Lausitz waren am 17. Juli dieses Jahres vom Hochwasser betroffen. Mehrere Wochen musste das Paar deshalb in einem Wohnanhänger leben.
Grundstück und Haus von Anett Raffelt und Sebastian Schramm in Neukirch/Lausitz waren am 17. Juli dieses Jahres vom Hochwasser betroffen. Mehrere Wochen musste das Paar deshalb in einem Wohnanhänger leben. © privat, SZ/Richard Walde, Montage: SZ-Bildstelle

Neukirch/Lausitz. Gerade einmal 25 Meter Luftlinie liegt das Haus der Familie Raffelt-Schramm in Neukirch/Lausitz von der Wesenitz entfernt. Das wurde dem Paar beim Hochwasser am 17. Juli zum Verhängnis. "Am Sonnabend gegen 14 Uhr haben wir noch mit den Nachbarn gegenüber an der Wesenitz gestanden, haben Späße gemacht", erzählt Anett Raffelt im Gespräch mit Sächsische.de.

Kurz darauf ist ihnen das Lachen aber vergangen. "Gegen 15 Uhr haben andere Nachbarn zu uns gesagt, dass sie ihre Autos vom Grundstück schaffen und wir das auch machen sollen", fügt sie an. Als das getan war, ist Sebastian Schramm los, um an anderer Stelle beim Füllen von Sandsäcken zu helfen. Dass er wenig später dafür auch bei seinem Wohnhaus an der Wilthener Straße gebraucht worden wäre, war zu diesem Zeitpunkt noch unvorstellbar.

Als das Wasser allerdings immer höher stieg, immer näher zum Haus kam und der Regen nicht aufhören wollte, schnappt sich Anett Raffelt ein paar Nachbarn und übernahm das Absichern des Hauses selbst. "Wir hatten leider gar keine Ahnung, wie wir die Sandsäcke legen sollen, damit das dicht wird", sagt sie. Mit schwerwiegenden Folgen, denn wenig später erreichte das Wasser die Haustür, um sich von dort aus im gesamten Gebäude zu verteilen.

Am 17. Juli gelangte das Hochwasser in die Wohnräume von Anett Raffelt und Sebastian Schramm an der Wilthener Straße in Neukirch.
Am 17. Juli gelangte das Hochwasser in die Wohnräume von Anett Raffelt und Sebastian Schramm an der Wilthener Straße in Neukirch. © privat

"Es hat angefangen wie in Nordrhein-Westfalen. Nur dass es bei uns um 18 Uhr mit dem Regnen aufgehört hat", sagt sie im Nachhinein. Trotzdem haben Anett Raffelt und Sebastian Schramm am 17. Juli dieses Jahres fast alles verloren. Bis zu 30 Zentimeter hoch stand das Wasser beispielsweise in der Küche, wo kaum ein elektrisches Gerät überlebt hat. "Am Ende saßen wir in der Garage und haben Bier getrunken, denn was anderes konnten wir nicht mehr machen", sagt sie.

Als das Wasser wieder verschwunden war, begann das große Aufräumen. Doch eine Frage kam schnell auf: Wo sollen die beiden schlafen? Denn während die beiden Kinder im Kita- beziehungsweise Schulalter bei anderen Eltern untergebracht waren, wollten sie vor Ort bleiben, um die Schäden schnell zu beseitigen. Auf Facebook suchte Anett Raffelt deshalb nach einer Möglichkeit.

Wohnwagen aus Weißwasser geholt

Angebote, wie eine Ferienwohnung in Bautzen, schlug sie aus. "Wir haben überlegt zu zelten, und dann ist uns eingefallen, dass ein Wohnwagen die Lösung wäre", sagt sie. Nach einer Weile konnte auch tatsächlich einer aufgespürt werden. "Wir haben jemanden aus Weißwasser gefunden, der uns einen Wohnanhänger zur Verfügung stellen wollte. Das Problem - der TÜV war bereits vor zwei Jahren abgelaufen.

Trotzdem machten sich die beiden auf ins rund 70 Kilometer entfernte Weißwasser. "Auf der Rückfahrt haben wir die Polizei getroffen, die natürlich bemerkt hat, dass auf dem Hänger kein TÜV drauf ist. Denen haben wir dann aber erklärt, dass wir vom Hochwasser betroffen sind und dass das unsere einzige Schlafmöglichkeit ist. Da haben sie uns fahren lassen", freut sich Anett Raffelt im Nachhinein.

In der Küche ist der vom Wasser beschädigte Wandbelag beseitigt. 30 Zentimeter hoch stand dort das Wasser.
In der Küche ist der vom Wasser beschädigte Wandbelag beseitigt. 30 Zentimeter hoch stand dort das Wasser. © SZ/Richard Walde

In den darauffolgenden Tagen ging es auf dem Grundstück richtig rund, denn es fanden sich neben Freunden und Verwandten auch weitere Helfer. "Mein Chef hat uns trotz Insolvenz Leute zur Verfügung gestellt. Außerdem haben wir aus dem Bekanntenkreis schnell zwei Bautrockner bekommen", erzählt Sebastian Schramm, der beim Automobilzulieferer Veritas arbeitet.

Ein großes Ziel hatte die Familie dabei vor Augen - der geplante Urlaub in Dänemark ab Mitte August sollte unbedingt stattfinden. "Allein wegen der Kinder", sagt Schramm. Und dieses Ziel konnte auch erreicht werden. Zwar sind die Schäden, wie beispielsweise in der Küche, noch sichtbar, aber das Haus kann erstmal wieder bewohnt werden.

Auch finanzielle Unterstützung soll es schon bald geben, wie Bürgermeister Jens Zeiler (CDU) betont. Denn man habe ein Spendenkonto eingerichtet, auf dem bereits ein fünfstelliger Betrag eingegangen sei. Geld dafür kam auch vom Sportverein TSV Neukirch. Von dessen Sportfest, das am vergangenen Wochenende stattfand, sollen alle Einnahmen direkt an die Hochwasseropfer gehen. Über die genaue Verwendung der eingelangten Gelder kann allerdings erst der Gemeinderat Ende September entscheiden.

Ebenfalls sollen Hilfen des Freistaats folgen, kündigt Sachsens Regierungssprecher Ralph Schreiber an. Wann und in welcher Höhe, ist aber noch unklar. "Der Bund plant, die erforderlichen Rechtsgrundlagen im Bundeskabinett am 18. August zu verabschieden. Daran anschließend wird die Sächsische Staatsregierung für den Wiederaufbau eine entsprechende Förderrichtlinie erarbeiten, in der auch das Antragsverfahren sowie die Voraussetzungen für eine Förderung geregelt werden", fügt Schreiber an.

Für Neukirchs Bürgermeister geht das allerdings nicht schnell genug. "Die Bürger erwarten das von mir und ich erwarte das vom Land, dass Hilfe ankommt", sagt Zeiler.

Spendenkonto der Gemeinde Neukirch
IBAN DE28 8555 0000 1000 5001 08
Verwendungszweck "Hochwasserschadenshilfe 17.7.2021"